La Lapidation De Saint Étienne

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Leiden des alten Étienne

Das Erstlingswerk des katalanischen Jungregisseurs Pere Vilá Barceló ist ein ganz schön starkes Stück Kino. Nein, dieser Film ist mehr als Kino, dieser Film ist pures Leiden und zwar auf beiden Seiten – auf der des Protagonisten Étienne (Lou Castel) und auf jener des Zuschauers.
Der Titel La Lapidation de Saint Étienne bedeutet übersetzt „Die Steinigung des heiligen Stephanus“ — und genau wie dieser christliche Erzmärtyrer so gibt sich Étienne dem Leiden ganz und gar hin. Seine Wohnung will der alte Mann nicht mehr verlassen, denn er will bei denen bleiben, die hier gestorben sind: seiner Frau und seiner Tochter Julie. Der ehemalige Bildhauer vertreibt sich die Zeit mit Restaurationen und würde am Liebsten mit niemandem in Kontakt treten, doch man lässt ihn nicht in Ruhe. Dauernd klopft es an der Tür. Die Nachbarn beschweren sich über den üblen Geruch aus seiner Gerümpelbehausung, die schwangere Vermieterin (Marie Payen) will ihn raushaben und malträtiert ihn mit unfassbarem Sadismus und sein einziger Freund will ihn permanent dazu überreden, endlich ins Altersheim zu gehen. Doch der Mann bleibt stur und lebt in – ja man könnte fast sagen Askese — vor sich hin.

Wer jedoch glaubt Étienne wäre der Gute, der Märtyrer, der einzige, der an die Verstorbenen denkt, wird Schritt für Schritt eines Besseren belehrt. Zwischen masochistischem Märtyrertum und purem Egozentrismus und Starrsinn liegen nämlich manchmal nur ein paar Schritte bzw. in diesem Falle Informationen. Es dauert zwar eine ganze Weile, doch bald schon ahnt man, dass die Vermieterin ebenfalls zur Familie gehört. Und es mag ganz gute Gründe dafür geben, dass sie dem alten Mann gegenüber so feindselig eingestellt ist.

Der Film ist in all seiner Langsamkeit und Wortkargheit ein kleines Wunder, das sich stetig in den Kopf des Zuschauers einschleicht und fasziniert. Dabei ist es wirklich schwierig, dem Treiben zuzusehen. Der alte Mann, der in seiner Körperhygiene und anderen Belangen einfach nur abstoßend ist, spielt dabei die vorrangige Rolle, doch das Äußere ist nur eine Metapher für das Innere und am Ende des Filmes weiß man, wieso man ihn doch von Anfang an so schwierig fand. Und wenn man denkt, das Schlimmste hätte man gesehen, gibt es noch einen oben drauf. Étienne hat einen Hexenschuss und kann nicht mehr aufstehen. Allein in der Wohnung kann er sich nicht helfen. Die Kamera bleibt drauf bis ganz zum Ende und zeigt alles, was gezeigt werden muss. Nur die Vermieterin könnte ihm noch beistehen – die Frage ist, ob er das möchte oder ob er doch lieber seinen ganz persönlichen Märtyrertod sterben will.

La Lapidation De Saint Étienne

Das Erstlingswerk des katalanischen Jungregisseurs Pere Vilá Barceló ist ein ganz schön starkes Stück Kino. Nein, dieser Film ist mehr als Kino, dieser Film ist pures Leiden und zwar auf beiden Seiten – auf der des Protagonisten Étienne (Lou Castel) und auf jener des Zuschauers.
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