The Counselor (2013)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

No country for anyone

Cormac McCarthy und Ridley Scott machen einen Film zusammen – genauer gesagt: Cormac McCarthy liefert das Drehbuch, Ridley Scott übernimmt die Regie. Die Erwartungen waren groß, ein Meisterwerk würde es werden und so waren zumindest die Kritiken in den USA von Enttäuschung geprägt. Doch woher kommen diese Erwartungen? Bisher hat McCarthy ein Drehbuch für eine Serienfolge und ein Theaterstück geschrieben, drei seiner Romane wurden verfilmt: All the Pretty Horses von Billy Bob Thornton ist ein überlanger Breitbandfilm, der vor allem Zeugnis von den Streitigkeiten und daraus resultierenden Kompromissen zwischen Regisseur und Produktionsfirma ablegt, The Road von John Hillcoat schreckt vor der Düsterheit von McCarthys Vorlage zurück. Aber es gibt ja noch No Country for Old Men, jenes Meisterwerk der Coens, die mit wenigen Änderungen, einer dafür aber umso hoch entwickelteren Bildsprache, einen hervorragenden Film gemacht haben. Ridley Scott ist fraglos ein legendärer Filmemacher – doch auch Blade Runner stieß bei zeitgenössischen Kritikern auf wenig Gegenliebe und zuletzt rief Prometheus gemischte Reaktionen hervor. Jedoch haben sich McCarthy und Scott mit ihren bisherigen Werken als bisweilen äußerst kreative Schöpfer dystopischer Welten erwiesen – und auch The Counselor erweist sich als ein zutiefst zynischer Film.

Der Counselor (Michael Fassbender), dessen Name im Film nicht genannt wird, lässt sich auf einen Deal mit einem Drogenkartell ein, vermittelt von seinem zwielichtigen Geschäftspartner Reiner (Javier Bardem) und dem gerissenen Westray (Brad Pitt). Sein Motiv: Gier. Doch falsche Entscheidungen haben bei McCarthy in der Regel brutale Konsequenzen – und so gerät der Counselor auf den unaufhaltsamen Weg in den Abgrund. Anfangs scheint alles perfekt: Inmitten des Grenzlandes zwischen den USA und Mexiko, McCarthy-Land also, ist der Counselor mit seiner Verlobten Laura (Penelope Cruz) im Bett und sie flüstern sich im hell ausgeleuchteten Schlafzimmer unter einem weißen Laken in einem weißen Bett verliebte Anzüglichkeiten zu. Zur gleichen Zeit, so scheint es, kehrt ein verschmutzter und tätowierter Motorradfahrer in seine Werkstatt zurück und Reiner ist mit seiner Freundin Malkina (Cameron Diaz) in der Wüste. Grazil sitzt sie auf einem Autodach und beobachtet zwei Geparden bei der Hasenjagd. Sie ist fasziniert von diesem Anblick der grazilen Jäger, die Bedeutung dieser Szene wird sich indes erst am Ende des Films entfalten. Es sind verschiedene Welten, die sich begegnen: die des schönen, jedoch unschuldigen Scheins des Counselors und Lauras, die schmutzige des mexikanischen Schmugglers und die bunte, grelle, auffällig wohlhabende Club-Welt Reiners und Malkinas. Und aus Hochmut glaubt der Counselor, er könne an allen diesen Welten teilhaben, ohne einen Preis dafür zu zahlen.

Die ohnehin denkbar einfache Geschichte von Gut und Böse wird von McCarthy und Scott in The Counselor auf ihren Kern reduziert: Die Figuren sind Fragmente, die einzelnen Etappen des Drogendeals zu bekannt als dass sie detailliert ausgeführt werden müssten. Stattdessen entwickelt sich die Handlung in wechselnden Szenen, deren Zusammenhang sich nicht immer auf den ersten Blick ergibt. Film und Drehbuch unterlaufen die Seh-Erwartungen an einen Thriller und ein Drama gänzlich: die mexikanische Mafia tritt nahezu nicht in Erscheinung; es gibt keine Verfolgungsjagden; Personen werden ohne weitere Erklärung eingeführt, so dass ihre Funktion oftmals erst im Nachhinein klar wird; Intrigen werden nicht entwickelt, sondern offenbaren sich erst im Eintreten ihrer Konsequenzen; Menschen werden ebenso brutal wie professionell getötet – und es gibt keine Figur, mit der der Zuschauer sympathisieren könnte. Daher ist am Ende zwar klar, wer wen hereingelegt hat, aber nicht genau, wie es ihm gelungen ist.

Die Geschichte ist in diesem Film jedoch gar nicht so wichtig. Vielmehr bezieht The Counselor seinen Reiz zum einen aus den Gegensätzen zwischen den philosophischen Diskursen der Figuren und dem hochpolierten Setting, zwischen der Schönheit der wohlhabenden Menschen und ihrer Verderbtheit, zwischen dem schönen Schein und der rohen Brutalität. Zum anderen in der Erzählweise, bei der die Dialoge eine sehr wichtige Rolle spielen. Die gesprochenen Sätze sind ebenso wenig wie die Figuren lebensnah oder alltäglich. Jedoch enthüllen die oftmals metaphorischen, bisweilen an Kalenderweisheiten erinnernden Sätze ihre Bedeutung häufig erst im Nachhinein, im Bild entrückt durch die Montage oder auch in der Handlung. Dadurch erhalten selbst leicht abgegriffene Liebesschwüre am Ende eine tragische und böse Bedeutung. Die Erzählung über die Brutalität der mexikanischen Mafia setzt im Kopf des Zuschauers die Saat für die Furcht, die sich in der zweiten Hälfte des Films entfaltet. Zudem enthüllt sich durch die Form der Dialoge ein weiterer Aspekt der Handlung: Der Counselor ist ein Mann, der in der ersten Hälfte des Films keine Ratschläge annimmt – selbst als er erkennt, in welcher Situation er steckt. Erst als er am Ende ist, beginnt er, Fragen zu stellen, erhält aber keine Antworten.

Sowohl bei McCarthy als auch Scott sind Landschaften und Architekturen oft genauso bedeutsam wie die Figuren. Mit The Counselor kehrt McCarthy nun in das Grenzland zwischen den USA und Mexiko zurück, dem er sich schon so oft gewidmet hat. Doch spätestens mit No Country for Old Men begann das Böse in diesem blutigen Grenzstreifen seinen nicht zu verhindernden Siegeszug. Haderte in diesem Roman der letztlich von Tommy Lee Jones gespielte Sheriff noch mit dem Bösen, gibt es in The Counselor kaum noch Unschuld oder Gutes. Im Borderland regiert das Gesetz des Stärkeren. Enthauptungen gehören zum Alltag, selbst beim Drogenschmuggel wird aus Spaß noch eine Leiche im Fass transportiert. Dieser brutalen Realität setzt Scott hochstilisierte, perfekt ausgeleuchtete Bilder entgegen, die die Diskrepanz zu der schmutzigen Welt deutlich hervortreten lassen. Deshalb treten die Menschen auch kaum in Kontakt zu dieser Außenwelt, zumeist verbleiben sie in den sauberen Räumen und erzählen Anekdoten, die der Wirklichkeit ihr zynisches Antlitz verleihen.

The Counselor ist kein Meisterwerk, sondern ein Film, der zwischen Alterseitelkeit und Mut changiert. Manche Zeilen des Drehbuchs sind oberflächlich und selbstverliebt, die Inszenierung hätte schnellere Schnitte vertragen. Aber es gibt in diesem Film sehr viel zu entdecken. Mit Malkina hat McCarthy erstmals eine einprägsame Frauenfigur geschaffen – die Rolle der Mutter in The Road ist im Film ungleich ausgeprägter als im Roman. Ohnehin ist Cameron Diaz die große Entdeckung des Films. Endlich darf sie eine erwachsene, selbstsichere Frau spielen und neben ihrem Körper auch ihre Falten zeigen. Und die Szene, in der sie Sex mit der Windschutzscheibe von Reiners Auto hat, mutet absurd an, drückt aber Reiners Verunsicherung gegenüber Malkinas Manipulationsgabe aus – und zeigt, dass Malkina es lieber mit dem Symbol einer übersteigerten Männlichkeitsvorstellung als mit dem Mann an sich treibt. Penélope Cruz als Laura bleibt blass, aber die Liebesszene am Anfang des Films bringt tatsächlich Intimität und nicht nur Sex auf die Leinwand. Außerdem ist The Counselor in seiner Bitterkeit und seinem Zynismus ein mutiger und aufregender Film, wie ihn Hollywood nicht allzu oft macht. Denn eines ist am Ende von The Counselor offensichtlich: Das Grenzland ist längst nicht mehr nur kein Land für alte Männer, es ist ein Land für niemanden.
 

The Counselor (2013)

Cormac McCarthy und Ridley Scott machen einen Film zusammen – genauer gesagt: Cormac McCarthy liefert das Drehbuch, Ridley Scott übernimmt die Regie. Die Erwartungen waren groß, ein Meisterwerk würde es werden und so waren zumindest die Kritiken in den USA von Enttäuschung geprägt. Doch woher kommen diese Erwartungen?

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Meinungen

we@de.net · 09.04.2014

Sorry.

Wer ist der Typ am Ende?

we@de.net · 09.04.2014

Wer ist Endeyp am Ende ?

nick · 09.12.2013

Schliesse mich schnauka absolut an! Wo bitte ist die Logik geblieben! Viel zuviele fragen bleiben offen

Schnauka · 01.12.2013

Der schlechteste Film seit langem.... Nur Gelaber und die Zusammenhänge völlig wirr. Die Handlung plätschert dahin mit viel zu vielen Dialogen und zum Schluß stellt sich mir die Frage, wo genau ich den Durchblick verloren habe.