Haunter

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Die Topographie des Haunted-House-Genres

Man kennt diesen Schrecken, dieses Anrennen gegen Wände aus Gummi. Wenn die Zeit stehenbleibt, immer wieder der gleiche Tag von vorne beginnt, angezeigt durch ein Quäken aus dem Lautsprecher. So sind die Tage von Bill Murray in Und täglich grüßt das Murmeltier – da nutzt er aber die Möglichkeiten des Immergleichen, um zum Helden zu werden, das Klavierspiel auf Konzertniveau zu erlernen und all diese Dinge. Die Verzweiflung, die vergeblichen Selbstmorde, sie werden schnell und relativ früh abgehakt. Es ist eine Komödie, und natürlich bleiben da alle Möglichkeiten offen.
Der Horrorfilm ist ein ganz anderes Biest, und Vincenzo Natali, dessen Filme immer schon etwas abseits der Genres standen (sein Erstling Cube so sehr wie der jüngste, Splice), in denen sie sich zunächst verordneten, positioniert seinen Haunter dann auch nochmal schräg zu den Erwartungen. Jedenfalls ist hier nichts mehr offen, eine Entwicklung bietet sich nicht an – die Protagonistin dieses Films ist nämlich tot. So ganz sicher weiß sie das am Anfang noch nicht, aber ihre Tage sind immer gleich. Ihre Eltern, ihr kleiner Bruder tun jeden Tag aufs Neue das, was sie schon erwartet; ums Haus wabert ein dichter Nebel, der keinen Ausweg bietet. Und Lisa rennt und wütet an gegen diese Gleichheit, diese Hölle der Sinnlosigkeit.

Schlimmer noch: Die Hölle der Kleinfamilie, in der niemand Dich versteht. Hier ist sie wie Astronautennahrung in einer Vakuumverpackung: starr, geschmackfrei, aschen, immergleich; sie hält dich am Leben, aber es schmeckt nach nichts. Wie sollte es schlimmer werden?

Natürlich ändert sich dann etwas, und Natali zieht einen Trick ab, den man eigentlich nicht erwartet – denn die Veränderung bringt keine Erleichterung, im Gegenteil, sie ist noch furchtbarer als die Stagnation zuvor. Von diesem Moment an, da ist der Film ganz moderner Horror, kann jede Wendung Lisas Lage verschlimmern oder momentan verbessern – man weiß es nicht. Zusammen mit seinen Autoren Brian King und Matthew Brian King bastelt Natali hier ein hübsches Labyrinth der Furcht zurecht.

In seiner Grundprämisse liegt Haunter natürlich sehr nahe an Alejandro Amenábars The Others, nur dass sich seine Hauptfigur keine Illusionen über ihre Lage macht; und Abigail Breslin ist als Lisa vor allem darin unglaubwürdig, dass sie die große Erkenntnis über ihre Lage kaum aus der Bahn zu werfen scheint – ein Problem, dass das Drehbuch aber allen Figuren aufbürdet, die dieses Bewusstsein entwickeln. Dabei sind Sarah Manninen und David Hewlett als Lisas Eltern ansonsten ziemlich sensationell. Und dann ist da natürlich noch der seltsame Mann (Stephen McHattie), der Lisa Strafen und Qualen androht…

Lisas Suche nach der Wahrheit wird dann zugleich zu einer Entdeckungsreise durch das Haus, und damit durch die ganzen Orte, die im amerikanischen Haunted-House -Film immer eine Rolle spielen. Das sind vor allem der Dachboden und der Keller, also jene Orte, an denen sich gerne Vergessenes stapelt und verbirgt, auch gerne Hinterlassenschaften früherer Bewohner.Haunter wird damit auch zu einem Meta-Geisterfilm, der nicht nur den Geistern fast ganz die Bühne überlässt, sondern sie selbst als Wesen von Furcht und Sorgen inszeniert.

Das gelingt dem Film nicht immer vollständig überzeugend; er hat einige lose Enden zu viel und versteckt vor allem in seinem letzten Drittel einige Handlungssprünge, die den Schluss sehr bemüht und in letzter Instanz schmalzig wirken lassen. Da will Natali zu viel zu deutlich zeigen und sagen, wo ein Mysterium mehr ganz gut gewesen wäre; den Rest wissen eh nur die weißschimmernden Schemen in unseren Alpträumen zu beantworten.

Haunter

Man kennt diesen Schrecken, dieses Anrennen gegen Wände aus Gummi. Wenn die Zeit stehenbleibt, immer wieder der gleiche Tag von vorne beginnt, angezeigt durch ein Quäken aus dem Lautsprecher. So sind die Tage von Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – da nutzt er aber die Möglichkeiten des Immergleichen, um zum Helden zu werden, das Klavierspiel auf Konzertniveau zu erlernen und all diese Dinge. Die Verzweiflung, die vergeblichen Selbstmorde, sie werden schnell und relativ früh abgehakt. Es ist eine Komödie, und natürlich bleiben da alle Möglichkeiten offen.
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