Die Frau, die sich traut

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Mutter will es noch mal wissen...

Beate Krüger ist das Sofa, auf dem es sich ihre Kinder bequem machen. Die Älteste, Rike, selbst allein erziehende Mutter, gibt ganz gerne ihre Tochter ab, schließlich steht sie kurz vor den Prüfungen – immerhin elf Jahre studiert sie jetzt schon Medizin. Der Jüngere, Alex, lebt mit seiner Frau bei Mama, die für ihn einkauft, kocht, wäscht – wahnsinnig bequem. Beate selbst arbeitet in einer Wäscherei, ist zufrieden mit dem Arrangement ihres Lebens, immerhin sieht sie so ihre Kinder, die Enkelin, und sie wird gebraucht. Und nur manchmal geht ein Schatten über ihr Gesicht, als die Enkelin sie nach den Goldmedaillen fragt, die sie gefunden hat…
Beate war Leistungsschwimmerin, 1979 die schnellste der DDR, und wäre sie nicht schwanger geworden, und hätte sie nicht die Anabolika absetzen müssen, dann hätte sie sicher in Moskau bei Olympia gesiegt. Verdammtes Doping: Vermutlich deshalb erhält sie jetzt, mit noch nicht mal 50 Jahren, die Diagnose: Gebärmutterkrebs.

Sie kann es den Kindern nicht sagen. Die haben alle ihre eigenen Probleme, Rike mit ihren Prüfungen, Alex mit seiner Beförderung und dem neuen Job in Rostock… Sie weiß aber: Jetzt oder nie. Jetzt muss sie nach sich selbst schauen. Und sie beginnt wieder zu trainieren. Urplötzlich kommt ihr in den Sinn: Sie will den Ärmelkanal durchschwimmen. Und damit haben Marc Rensing und seine Autorin Annette Friedmann alles aufgestellt, was nach dem Lehrbuch der Dramaturgie wichtig ist. Situation, Ziel, Hindernisse, schön aufgereiht auf’m Rosenkranz, der abgebetet werden muss.

Dass dabei die Nebenfiguren formalisiert und funktionalisiert werden – geschenkt. Dass Steffi Kühnert als Beate, so gut sie die leicht frustrierte, leicht sehnsuchtsvolle Allerweltsmama spielt, als Leistungsschwimmerin kaum überzeugt – auch geschenkt. Dass viel zu viel aufeinandergestapelt wird, dass all dies aber doch kaum unser Interesse weckt – dreimal geschenkt. Es ist halt alles so eingerichtet, dass Rensing und Friedmann das erzählen können, was sie loswerden wollen. Was aber eben auch schon andere Autoren und Regisseure des Öfteren haben loswerden wollen, die Geschichte von der älteren Frau, die sich aus der Klemme ihres Lebens befreit.

Die Charaktere haben alle ungefähr eine Eigenschaft: Rike macht Prüfung, Alex braucht ein Auto, die Enkelin ist versetzungsgefährdet; immerhin die Freundin, der sich Beate anvertraut, macht so was wie eine Wandlung durch, weil sie irgendwann aufhört, cougarmäßig jüngere Männer zu verführen, sondern Sorge zeigt um die krebskranke Schwimmerin. Das wiederum sind die immerhin zwei Eigenschaften, die Rensing seiner Hauptfigur zugesteht, um sie von den eindimensionalen Nebencharakteren abzusetzen.

Die wirken mitunter übrigens auch noch als reine Karikaturen in ihrem Egozentrismus – „Ich finde es ja gut, dass du wieder was für dich tust, Mama, aber doch nicht auf meine Kosten“, sagt die Tochter – weil die Frau Mama nun keine Zeit mehr hat fürs Enkelkind. Verständnis für Beate – deren Entschluss, den Kanal zu durchschwimmen, etwas unmotiviert und abwegig daherkommt – wird erkauft, indem die Stichwortgeber punktuell unsympathisch gezeigt werden.

Diese Schwächen der Figurencharakterisierung, die mit der standardisierten Handlungsführung einhergeht, werden zudem begleitet von (vermuteten) handwerklichen Fehlern. Beate, die nach dem Joggen durch den Wald so erschöpft beim Strand ankommt, dass sie kotzen muss, schwimmt täglich viele Stunden im Meer – und wenn die Freundin kommt, dann watet sie raus, liefert ihren Dialog ab, geht wieder ins Wasser. Ist das professionelles Trainingsgebaren? Und: Wieso ist sie nicht außer Puste, nach einem Tag im 17 Grad kalten Wasser?

Auch wenn wir Zuschauer nicht an Beates Traum vom Kanalschwimmen glauben, gönnt der Film seiner Protagonistin doch diese Sehnsucht, in der sich ihr Leben erfüllen soll. Ganz stark hält Rensing an diesem Ziel fest, was zu allem Überfluss zu einer allzu langen Schlusssequenz führt, weil der eine oder andere Ausstiegspunkt aus diesem Film verpasst wurde.

Die Frau, die sich traut

Beate Krüger ist das Sofa, auf dem es sich ihre Kinder bequem machen. Die Älteste, Rike, selbst allein erziehende Mutter, gibt ganz gerne ihre Tochter ab, schließlich steht sie kurz vor den Prüfungen – immerhin elf Jahre studiert sie jetzt schon Medizin. Der Jüngere, Alex, lebt mit seiner Frau bei Mama, die für ihn einkauft, kocht, wäscht – wahnsinnig bequem.
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