45 Minuten bis Ramallah (2013)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Satirischer Trip durch das Minenfeld Nahost

Am Anfang glauben die palästinensischen Brüder Rafik (Karim Saleh) und Jamal (Navid Akhavan) noch, dass ihre Fahrt mit dem Lieferwagen 45 Minuten dauern wird. Dann aber wächst sich der Trip von Ost-Jerusalem nach Ramallah zu einer dreitägigen, kurvenreichen Odyssee aus. Auf israelischem Territorium gedemütigt und geschlagen, fallen Rafik und Jamal im Palästinensischen Autonomiegebiet islamistischen Freiheitskämpfern in die Hände und werden als Selbstmordkommando mit einer Bombe zurückgeschickt. Diese Zuspitzung ist selbst am Brennpunkt Nahost ungewöhnlich und liegt an den besonderen Umständen des Falls: Rafik und Jamal wollten ihren toten Vater im Auto zur Beerdigung in sein Heimatdorf schmuggeln. Aber eine schöne Russin namens Olga (Julie Engelbrecht) klaute ihnen unterwegs den Wagen samt Leiche. Am Ende der adrenalinreichen Suche bleibt Rafik nur noch die Feststellung: „Dieses Land ist ein Irrenhaus!“

Die deutsche Nahost-Satire 45 Minuten bis Ramallah sucht schön bissig den Bezug zur Realität. Wie schlimm und traurig diese ist, betonen die meisten Filme, die den israelisch-palästinensischen Konflikt thematisieren. Insofern kann diese überdrehte Komödie auch als eine Art erfrischende Parodie auf diese spezielle filmische Gruppe betrachtet werden. Regisseur Ali Samadi Ahadi hat schon 2009 mit der Culture-Clash-Komödie Salami Aleikum bewiesen, dass er wie heilige Kühe gehätschelte Vorurteile und Denkbarrieren mit unbekümmertem Witz eindampfen kann. Aber diesmal wirkt das Ergebnis nicht ganz so rund und überzeugend. Es werden zu viele Themen angeschnitten, die Figuren bleiben nur grob skizziert und es gibt zwischendurch immer wieder zappeligen Klamauk. Im letzten Teil aber zieht das Tempo an, die Witze zünden häufig und der Film findet überraschend doch noch zu einer guten Form.

Als in Israel lebende Palästinenser sitzen Rafik und Jamal, die als naive Underdogs vorgestellt werden, zwischen den Fronten. Israelische Beamte und Soldaten haben ihren Spaß daran, sie zu beleidigen oder ihre Macht auf noch schlimmere Weise zu demonstrieren. Auf arabischem Territorium besteht die Gefahr, dass sie für Abtrünnige gehalten werden. Das gilt erst recht, wenn sie bewaffneten Dschihadisten begegnen, die am liebsten jeden Palästinenser für den Befreiungskampf verpflichten würden. Am frechsten wirkt die Satire, als die Brüder wegen einer missverstandenen Höflichkeitsfloskel Jamals für ein Selbstmordkommando rekrutiert werden. In der rituellen Videobotschaft verkehrt sich die intendierte Heldenpose unter Zwang in eine jämmerliche, dafür aber realistische Zwischenbilanz ihres kurzen Lebens.

Das feindselige Lagerdenken erfährt immer wieder lustige Brechungen, zum Beispiel wird Jamals Position aufgewertet, weil die Klimaanlagen, die er vertreibt, Grenzsoldaten, Beamten und Islamisten gleichermaßen gefallen. Die Fähigkeit, sich zu arrangieren, wirkt wie eine innere Rebellion gegen die repressive Atmosphäre. Der Handel mit gestohlenen Autos, den kriminelle Russen aufziehen, hat da schon eine andere Dimension. Diese Nebenfiguren lenken jedoch am sowieso schon reichlich konfliktbeladenen Schauplatz dieser Geschichte nur vom Wesentlichen ab. Auch wenn der Film auf zu vielen Hochzeiten tanzt, macht er dabei kleine Entdeckungen: Die Russin Olga zum Beispiel ist mit ihrer prägnanten Ausdrucksweise ein gelungener, gut gespielter Komödiencharakter.

Rafik, der in Deutschland lebt und nur widerstrebend zur Hochzeit seines Bruders kam, liegt mit diesem im Dauerclinch. Leider bleiben die beiden Charaktere zu sehr mit oberflächlicher oder gar dusseliger Action beschäftigt. Dabei hätte man gerne mehr brüderlichen Schlagabtausch dieser Art gehört: „Es ist mein Irrenhaus und ich gehöre hierher!“, verkündet Rafik mit dem Pathos, zu dem sich Filme über die Rückkehr in die Heimat gerne aufschwingen. Aber als Jamal gereizt nachhakt, schränkt er ein, dass es ihm damit nicht eilt.
 

45 Minuten bis Ramallah (2013)

Am Anfang glauben die palästinensischen Brüder Rafik (Karim Saleh) und Jamal (Navid Akhavan) noch, dass ihre Fahrt mit dem Lieferwagen 45 Minuten dauern wird. Dann aber wächst sich der Trip von Ost-Jerusalem nach Ramallah zu einer dreitägigen, kurvenreichen Odyssee aus.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen