Das Ritual

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 31. März 2014, ARTE, 23:00 Uhr

Unter den auf schaurige Schockmomente setzenden Horror-Thrillern, die so schamlos wie offensiv mit den aus religiös-kulturellen Kontexten entliehenen Stereotypen des Mysteriösen und Gruseligen spielen, stellt Das Ritual aus dem Jahre 1987 nach dem Roman The Religion von Robert Stuart Nathan, den dieser 1982 unter seinem Pseudonym Nicholas Condé veröffentlichte, ein packendes Glanzlicht der makaberen Sorte dar. Sorgfältig und in rasantem Tempo vom britischen Oscar-Preisträger (Asphalt-Cowboy / Midnight Cowboy) John Schlesinger (1926-2003) inszeniert und mit derbe einprägsamen Bildern des grandiosen Kameramannes Robby Müller gepflastert bietet dieses psychologisch geschickt konstruierte Schauerstück kurzweilige Hochspannung bis zu seinem sanft-sarkastischen Schluss, der das Sicherheitsbedürfnis des strapazierten Zuschauers erneut in Aufruhr versetzt.
Noch reichlich vom plötzlichen Tode seiner Frau gezeichnet, die durch ein defektes Haushaltsgerät ums Leben kam, lebt der Polizeipsychologe Cal Jamison (Martin Sheen) nun mit seinem Sohn Chris (Harley Cross), der seine Mama schmerzlich vermisst, in New York City, wo er gerade mit Nachforschungen über einen äußerst seltsam anmutenden Mord an einem kleinen Jungen beschäftigt ist, der offensichtlich einen bestialischen rituellen Hintergrund aufweist. In diesem Zusammenhang betreut er den extrem verstörten Ermittler Tom Lopez (Jimmy Smits), der seit dem Fund der Leiche unter extremen Angstzuständen leidet und sich schließlich unter erheblichem Leidensdruck selbst tötet. Cal Jamison recherchiert zunächst in Richtung des Santería-Kultes, dem auch seine Haushälterin Carmen (Carla Pinza) anhängt, die zu seinem Entsetzen ihre religiösen Praktiken auch zum „Schutz“ seines Sohnes anwendet, den sie in Gefahr wähnt. Derweil bahnt sich zwischen Cal und seiner Nachbarin Jessica (Helen Shaver) eine Liebesbeziehung an, auf die Chris anfangs störrisch reagiert, doch dann ergeben die Ermittlungen tatsächlich Hinweise darauf, dass ein weiterer Kindsmord von einer einflussreichen Sekte geplant ist, von dessen charismatischem Medium Palo (Malick Bowens) anscheinend eine sogartige Macht ausgeht. Chris beginnt sich allmählich ernsthaft um die Sicherheit seines Sohnes zu sorgen und bringt ihn deshalb bei alten Freunden auf dem Lande unter, bis er einen alarmierenden Anruf seines Kumpels Marty (Richard Masur) erhält, der eine entzetzliche Entdeckung gemacht hat …

In wohl kalkulierter Dosierung vermag es die geschickt ausgeklügelte Dramaturgie von Das Ritual, durch das stetige Streuen von angedeuteten bis ausgeprägten Vermutungen und Informationen die Aufmerksamkeit seines Publikums gezielt (irre) zu leiten, so dass sich zunehmend die Vorstellungen von Gut und Böse, Falsch und Richtig konfusieren, bis die Ereignisse ihren drastischen Lauf nehmen und in aktionsreichen Spannungsbögen kulminieren. Dabei jongliert der Film souverän mit den einschlägigen Imaginationen zum Thema aus euroamerikanischer Perspektive exotischer religiöser Auffassungen und Praktiken, die hier ihr weit verbreitetes Potenzial an dubiosen bis diabolischen Machtansprüchen derart stark entfalten, dass Das Ritual geradezu ein äußerst unterhaltsames Lehrstück dazu darstellt, wie das mysteriöse Fremde als beängstigende Bedrohung der westlichen Welten und Gesetze fungieren kann.

Das Ritual

Unter den auf schaurige Schockmomente setzenden Horror-Thrillern, die so schamlos wie offensiv mit den aus religiös-kulturellen Kontexten entliehenen Stereotypen des Mysteriösen und Gruseligen spielen, stellt „Das Ritual“ aus dem Jahre 1987 nach dem Roman The Religion von Robert Stuart Nathan, den dieser 1982 unter seinem Pseudonym Nicholas Condé veröffentlichte, ein packendes Glanzlicht der makaberen Sorte dar.
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