Bande de filles (2014)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"Shine right like a diamond"

Wer von Xavier Dolan spricht, sollte auch unbedingt von Céline Sciamma reden. Die ist zwar nicht ganz so jung wie das kanadische Wunderkind und hat im zarten Alter von 33 Jahren auch „erst“ drei statt fünf Filme gedreht, doch die haben es genauso in sich wie die ihres männlichen Pendants. In ihrem neuen Werk Bande de filles erzählt sie eine Geschichte aus der Banlieue rund um Paris, einem harten Pflaster, in dem Mädchen nichts zu melden haben — bis sie sich zu einer Gang zusammenschließen, um sich gegen ihre männlich dominierte Umwelt, gegen die Brüder und Väter, die Jungs aus der Gegend und die Dealer behaupten zu können.

Eigentlich hat Mariemme keine Chance: In der Schule hat sie versagt und dementsprechend keinen ordentlichen Abschluss gemacht, die Mutter ist zumeist abwesend, um sich mit miesen Putzjobs über Wasser zu halten, der Vater ist schlichtweg nicht vorhanden, während ihr großer Bruder Djibril zuhause den großen Macker markiert und über seine drei jüngeren Schwestern wacht — beseelt von einem seltsamen Begriff von Familienehre, der vor allem dazu dient, ihm eine Machtposition und die volle Kontrolle über die Frauen zu sichern. Das ändert sich erst, als Mariemme Lady, Adiatou und Fily, drei junge Frauen aus ihrer Gegend kennenlernt, die eine kleine Gang gegründet haben. Hier erfährt sie einen Rückhalt, der ihr dabei hilft, sich gegen all die Widrigkeiten, die ihr Leben ausmachen, zu behaupten. Allerdings gerät sie dabei auf die schiefe Bahn, nimmt irgendwann einen anderen Weg, verliebt sich in den besten Freund ihres Bruders und muss deshalb ihr Viertel verlassen.

Vor allem Karidja Touré, die Darstellerin der Hauptfigur Mariemme, ist eine echte Entdeckung, die dem Film auch über ein vergleichsweise schwaches letztes Drittel hinweg hilft. Es ist vor allem ihrer hypnotischen Präsenz zu verdanken, dass man am Ende das Gefühl hat, nicht aus der Ferne als quasi Unbeteiligter dabeigesessen zu sein, sondern vielmehr mittendrin war, als Mariemme sich ihren Weg ins Leben erkämpft hat.

Statt tristem Sozialbau-Grau taucht Céline Sciamma ihre Coming-of-age Geschichte in leuchtende Farben und verleiht dem Leben ihrer Protagonistinnen jene Art von gestohlenem, geliehenem, den (Geschlechts)Verhältnissen abgetrotzten Glamour, in dem man sich als Zuschauer umso mehr hineinfallen lässt, weil man ganz genau spürt, dass dieses Glück, dieser Tanz, dieses Strahlen in den Augen nur von kurzer Dauer ist. Und allein für diesen kurzen Moment der Beseeltheit (vor allem Rihannas „Diamonds“ wird man nach diesem Film mit ganz anderen Augen und inneren Bildern sehen) lohnt es sich schon, Bande de filles zu sehen. Dass der Film vor allem gegen Ende ein wenig auseinanderbricht, sollte in diesem Falle ausnahmsweise einmal nicht gegen ihn ausgelegt werden, sondern vielmehr als Indiz dafür gelten, wie unglaublich stark und überzeugend Céline Sciamma über weite Strecken zu inszenieren versteht. Ihr Gespür für Milieus und ihre Neuinterpretation des mittlerweile immer formelhafter geratenen Coming-of-age-Subgenres machen neugierig auf die kommenden Filme, die wir von Sciamma erwarten dürfen.
 

Bande de filles (2014)

Wer von Xavier Dolan spricht, sollte auch unbedingt von Céline Sciamma reden. Die ist zwar nicht ganz so jung wie das kanadische Wunderkind und hat im zarten Alter von 33 Jahren auch „erst“ drei statt fünf Filme gedreht, doch die haben es genauso in sich wie die ihres männlichen Pendants.

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