Alleluia

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Ein Augenschmaus

Alleluia von Fabrice du Welz ist ein intensives Stück Bilderrausch und Bilderrauschen. Eine erotische Desillusionierung, ein im guten Sinne fetischistischer Styler-Film, der immer auf den größtmöglichen Effekt von Bild und Ton zielt und dabei durchgehend visuelles Vergnügen bereitet, auch wenn er manchmal zu laut ist.
Basierend auf der wahren Geschichte der „Lonely Hearts Killers“ Martha Beck und Raymond Fernandez, erzählt du Welz die Geschichte eines Paares, Gloria und Michel, das sich alleinstehende Frauen sucht, um an deren Geld zu kommen. Michel will zunächst das Herz der Frauen gewinnen und ihnen dann ihr Geld nehmen. Dabei gibt sich Gloria meist als seine Schwester aus. Das Problem dabei ist, dass Gloria es nicht ertragen kann, wenn Michel mit den Frauen schläft. Dann wird sie zur mordenden Furie, die schreiend und impulsiv tötet.

Vor Alleluia haben sich bereits Honeymoon Killers von Leonard Kastle, Deep Crimson von Arturo Ripstein und Lonely Hearts Killers von Todd Robinson mit Jared Leto und Salma Hayek in der Rolle des mordenden Paares, mit dem Fall beschäftigt.

Du Welz verlegt den amerikanischen Fall in die Ardennen des heutigen Belgiens. Er zeichnet ein Gefängnis der fatalen Liebe und dabei helfen ihm seine beiden herausragenden Hauptdarsteller Lola Dueñas, die man vor allem aus ihrer Zusammenarbeit mit Pedro Almodóvar kennt und Laurent Lucas, dessen stechende Augen den Amour Fou-Charakter des Films auf den Punkt bringen.

Wenn man Dueñas und ihre Gloria gerade in der ersten Hälfte des Films beobachtet, wie sie sich mit strahlenden Augen verliebt, wie sie sich hektisch und tanzend um die Kamera bewegt, dann ist das ein ganz großer Genuss. Dabei wollte Gloria sich zunächst gar nicht auf das Date mit dem unbekannten Michel einlassen. Aber als er sich ihr Geld schnappt und aus ihrem Leben verschwindet, spürt sie ihn auf und entlockt ihm ein Geständnis, das die beiden fatal aneinander binden soll.

Die Filmgeschichte ist natürlich voll mit Verbrecherpärchen und Alleluia macht auch kein Geheimnis aus seinen Einflüssen. Vielmehr entsteht durch den exzessiven Einsatz von stilistischen Techniken wie Zeitlupen, den extrem körnigen Bildern (eine Ad-Grain-Orgie) oder einem Gegenlicht-Schattentanz vor dem Feuer eine Reflektion über das Genre selbst. Eine gewisse Verwandtschaft zu Hipster-Gott Xavier Dolan kann dabei nicht geleugnet werden, denn auch du Welz malt seine Farben mehr als deutlich, aber zerbrechlich, schön und eigenwillig. Dabei geht es immer darum, wie es aussieht und nur manchmal darum, was es zeigt.

Der Film lässt die Zuseher Körperlichkeit spüren, man sieht alle Poren der Haut, man hört jeden Atemzug. Das ist nicht nur in den Liebeszenen äußerst effektiv sondern vor allem auch, wenn sich der Wahnsinn in Gloria und ihrer Einsamkeit langsam entwickelt. Das Blut spritzt und läuft und wenn man davon ausgeht, dass das Rot ist und kein Blut, dann kann man die farbliche Schönheit kaum ignorieren.

Die Arbeit von Kameramann Manuel Dacosse, den ähnliches in den Filmen von Hélène Cattet und Bruno Forzani (The Strange Colour of Your Body’s Tears) verbringt, ist bemerkenswert. Manchmal übersteigert du Welz sein Tondesign etwas, zum Beispiel als Gloria die neueste Eroberung von Michel bei einem Blowjob beobachtet.

Alleluia ist voller Künstlichkeit, die im zeitgenössischen frankophonen Kino eine große Bedeutung hat. Dazu gehören eine wundervolle Gesangseinlage von Gloria, bevor sie den Fuß eines Opfers zersägt oder der plötzliche Humor als Gloria, ob des absurden Schwindels vor einer anderen Frau lachen muss.

Der Film liebt Augen, Füße und Humphrey Bogart. In den Augen spiegelt sich die bedingungslose Liebe und der Wahnsinn zugleich, die Füße passen in Schuhe, sie tapsen durch Blut, sie werden in Sexspielen abgeschleckt oder eben abgesägt. Und Bogart ist Bogart. Gloria und Michel besuchen eine Vorführung von African Queen, in der ein begeisterter Michel feststellt, dass Bogart trotz seiner Krankheit keinen Schmerz in den Augen hat.

Später wird die Kamera in einer entscheidenden Szene auf seinen Augen ruhen und erschreckenderweise keinen Schmerz finden. Alleluia ist ein Fest für die Augen. Manchmal reicht das eben, weil man mit und in den Augen schon genug finden oder verbergen kann.

Alleluia

„Alleluia“ von Fabrice du Welz ist ein intensives Stück Bilderrausch und Bilderrauschen. Eine erotische Desillusionierung, ein im guten Sinne fetischistischer Styler-Film, der immer auf den größtmöglichen Effekt von Bild und Ton zielt und dabei durchgehend visuelles Vergnügen bereitet, auch wenn er manchmal zu laut ist.
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