Den Menschen so fern

Des Mörders Hüter

Das Arabische, das spreche er aber nicht wie ein Siedler, bemerkt Mohamed (Reda Kateb). Er sei auch kein Siedler gewesen, antwortet ihm Schulmeister Daru (Viggo Mortensen), er und seine Familie hätten mit den Arabern gearbeitet. Was sie denn gearbeitet hätten, fragt Mohamed weiter. Da spuckt der Schulmeister nur aus, wie kein Schulmeister ausspucken würde, und man ahnt, dass der so ruhig beginnende und dann leise verstörende Film Den Menschen so fern um einen Mörder und seinen unfreiwilligen Hüter noch so manche Wendung und seelische Häutung vor sich hat.
1954, in Algerien, am Rande des Atlasgebirges. Während sich die Araber gegen die französische Kolonialherrschaft erheben, unterrichtet der stille Daru ihre Kinder auf Französisch. Bis auf den morgendlichen Unterricht verlaufen die Tage ruhig, ja eintönig. Da kommt ein Nachbar mit einem gefesselten Araber vorbei, Mohamed, der seinen Cousin ermordet hat. Daru solle ihn bitte bei der Polizei abgeben. Er will nicht. Der Nachbar lässt Mohamed einfach da.
Am nächsten Morgen fordert Daru Mohamed auf, wegzulaufen, aber er sagt, er kann nicht. Franzosen kommen und wollen sich an Mohamed für Überfälle rächen. Daru, der Schulmeister, ist überraschend geschickt mit dem Revolver, sie müssen unverrichteter Dinge abziehen. Mohameds Cousins kommen und wollen ihren Bruder rächen, aber auch sie verjagt Daru. Auf Mohameds Bitte bricht er mit ihm zu einem Tagesmarsch auf nach Tanguit, wo sich Mohamed der Polizei stellen will. Das ist für ihn die beste Lösung: Die Todesstrafe entbindet seine Familie von Blutgeld und Blutrache. Doch auch Daru trägt etwas mit sich herum, das plötzlich aufscheint, als die beiden zwischen die Fronten von arabischen Rebellen und französischen Truppen geraten.

Den Menschen so fern einen Western zu nennen, ist schon ganz richtig. Von einem existenziellen Western zu sprechen, ist nicht nur deshalb zutreffend, weil sich Regisseur und Autor David Oelhoffen von einer Kurzgeschichte von Albert Camus inspirieren ließ, sondern auch, weil sein Film Klassikern des Genres aus den 1950er und 1970er Jahren ähnelt: Menschen werden von ihrer Vergangenheit eingeholt und sehen plötzlich keine Zukunft vor sich. Wie in Winchester´73 oder Valdez kommt zeichnet die karge Landschaft hoch paradox in ihrer klaustrophobischen Weite unerbittlich den Weg der Konfrontation mit sich selbst vor. Viggo Mortensen zeigt den Menschen, dem das zustößt.

Wie in A History of Violence, Eastern Promises und zuletzt in Die zwei Gesichter des Januar bringt seine Figur in einer Mischung aus Schmerz und Gleichmut einen anderen Menschen zum Vorschein als sie sein will. Der zivilisierte Schulmeister fällt auf ein früheres Leben zurück, dass er hinter sich lassen wollte, um endlich Gutes zu tun. Aber er hat noch so viel Lebensenergie, dass er damit andere anstecken kann, und nicht weniger eindringlich spielt Reda Kateb den Opferungswilligen, der wankelmütig wird. Einer verliert sich, einer gewinnt sich. Ein reicher Film.

Den Menschen so fern

Das Arabische, das spreche er aber nicht wie ein Siedler, bemerkt Mohamed (Reda Kateb). Er sei auch kein Siedler gewesen, antwortet ihm Schulmeister Daru (Viggo Mortensen), er und seine Familie hätten mit den Arabern gearbeitet. Was sie denn gearbeitet hätten, fragt Mohamed weiter.
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Meinungen

Ingo Knochenhauer · 09.07.2015

Die Beschreibung, den Film einen Western zu nennen, ist möglicherweise auch aus einem weiteren Aspekt vollkommen richtig. So drängt sich aus der Sicht des Handlungsortes gesehen, die Beschreibung der geografischen Region mit in den Blick zu nehmen als einen weitereren Aspekt auf. Dieser rundete die Beschreibung ab, wenn man in Betracht zieht, dass diese Region der Maghreb ist, die arabische Bezeichnung für die dem Sonnenaufgang entgegengesetzte Himmelrichtung.

Suzanne and Leonard C. · 03.07.2015

Wir sind ergriffen von der Camus´schen Epik und die transformationelle Bebilderung im Film, kein leichtes Unterfangen, aber es wurde alles in allem ausgeschöpft, was das Medium hergibt. Eine wunderbare humanistische Parabel über die kleinen und grossen Gefängnisse in uns. wat we call the beginning is often the end and to make an end is to make a beginning. The end is where we start from.