69 Tage Hoffnung

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Noch nicht lange genug her

Mit Katastrophen aus jüngster Zeit ist das immer so eine Sache. So gut ein Film auch sein mag, leidet er doch immer daran, dass man die Geschichte nicht nur kennt, sondern sie zudem noch sehr gut vor Augen hat. Das mindert die Spannung immens – und das umso mehr, wenn der Titel so gewählt ist, dass einer möglicherweise löchrigen Erinnerung nachgeholfen wird.
In Copiapo, Chile, wird eine erfolgreiche Gold- und Kupfermine betrieben, die seit Jahrzehnten den Männern in der Gegend Arbeit gibt. Der 5. August 2010 wird jedoch zu einem Schicksalstag. Während ein Vorarbeiter die Katastrophe schon erahnt, werden die Kumpels in die Minenschächte geschickt, um weiterzuarbeiten – bis die Katastrophe eintritt und 33 Männer lebendig begraben werden. An der Oberfläche setzen sich die Frauen der Männer dafür ein, die Politik zu instrumentalisieren und die Rettungsmaßnahmen schnell und effizient zu beginnen – doch das lange Warten und bange Hoffen hat gerade erst begonnen.

Gut fünf Jahre ist es her, dass das Schicksal der 33 Kumpel die Welt beschäftigt hat. Wer erinnert sich nicht daran, dass sie nach mehr als zwei Monaten gerettet wurden? Wer hätte in dieser kurzen Zeit schon vergessen können, dass alle gerettet wurden? So schön das in der Realität auch gewesen sein mag, für die Spannung ist es reichlich hinderlich, aber nicht nur, weil man die ganze Geschichte noch so gut vor Augen hat, sondern auch weil sich die mehr als zwei Stunden lange Präsentation der Geschichte zieht. Sie mäandert, wobei der Wechsel von unter der Erde zur Oberfläche auch immer wieder als Bremse funktioniert.

Besonders irritierend ist, dass weiße Schauspieler – Juliette Binoche und Bob Gunton – sich als Südamerikaner geben. Es würde niemandem einfallen, einen Weißen via Blackfacing als schwarzen Menschen darzustellen, aber als Südamerikaner geht es in Ordnung? Eine merkwürdige Entscheidung der Filmemacher, die man offensichtlich nur so verstehen kann, dass man dem vornehmlich weißen Publikum ein paar bekannte Gesichter präsentieren will. Augenscheinlich reicht es nicht mal, dass Antonio Banderas die Hauptrolle spielt. Passend dazu missfällt das englische Original, weil alle Figuren mit spanischem Akzent sprechen. Hier wird der unsichtbare Pakt mit dem Zuschauer gebrochen. Wenn die Figuren schon Englisch sprechen, dann sollte das eigentlich Spanisch sein. Man akzeptiert, dass die gehörte Sprache nicht jene ist, die im Grunde gesprochen wird, aber wenn dann ein Akzent hinzukommt, wird diese Metaebene gänzlich ausgehebelt.

69 Tage Hoffnung
ist an sich gut gemacht, leidet aber auch daran, dass nur wenige der verschütteten Kumpel als Individuen differenzierbar sind. Die meisten bleiben farblos, eine gesichtslose Masse im Untergrund, deren Schicksal mehr berühren sollte, als es hier der Fall ist.

69 Tage Hoffnung

Mit Katastrophen aus jüngster Zeit ist das immer so eine Sache. So gut ein Film auch sein mag, leidet er doch immer daran, dass man die Geschichte nicht nur kennt, sondern sie zudem noch sehr gut vor Augen hat. Das mindert die Spannung immens – und das umso mehr, wenn der Titel so gewählt ist, dass einer möglicherweise löchrigen Erinnerung nachgeholfen wird.
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