Jeder der fällt hat Flügel

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Die Persönlichkeit hinter dem Rauschen

In Peter Brunners Weltwahrnehmung verschmelzen äußere und innere Bilder zu einem visuell beeindruckenden Erinnerungstraum. Jeder der fällt hat Flügel ist der zweite Spielfilm des jungen Österreichers und wieder stellt er sich äußerst persönlichen Themen, die sich jenseits jeglicher Chronologie verzweifelt an Erinnerungen klammern, um etwas festzuhalten und zu verarbeiten. Es geht um das Vergessen und Sterben, das außer in wenigen Szenen wie ein haptischer Schatten durch die Bilder schleicht, sei es als Folge von diesen oder als Ursache.
Die Bilder drehen sich um die Beziehung zwischen drei Frauen aus zwei Generationen. Kati (Jana McKinnon) verbringt zusammen mit ihrer kleinen Schwester (Pia Dolezal) den Sommer bei ihrer Großmutter (Renate Hild, die Mutter des Filmemachers) zwischen dem Paradies einer ungestellten Intimität und der lungernden Angst vor dem Ende. Ein wichtiger Bestandteil der zum Teil gleichzeitig herzzereißenden und herzerwärmenden Szenen, ist auch die Idee von Vertrauen, die derart fest in den Gesten und Blicken verankert scheint, als wäre man hier wirklich Zeuge nicht eines Films, sondern eines Lebens.

Das Ganze ist in einen poetischen, symbolistischen Rahmen getaucht, indem die Idee einer Körperlichkeit immer wieder anhand von Tieren spürbar und zur gleichen Zeit abstrahiert wird. Man bewegt sich lose durch eine Welt, in der Berührungen noch etwas auslösen. Doch langsam drohen die Gerüche, das Ertasten, der Geschmack und jegliche Zwischenform von Sensualität in einen anderen Körper zu verschwinden, einen sterblichen Körper, den der Film immer wieder zeigt. So töten Großmutter und Enkelin zusammen einen Karpfen und die beiden Geschwister zerquetschen einen Käfer. In diesen Bildern erzählt sich etwas, das über das hinausgeht, was man in Worten formulieren könnte. Zwar agiert der Film dafür hier und da mit äußerst offensiven Mitteln, die leise Töne in das Rauschen eines Ozeans verwandeln können, aber dafür spürt man jederzeit die Persönlichkeit hinter diesem Rauschen. Einige scheinbar private Bilder einer Beerdigung und Found Footage der jungen Großmutter fügen dieser ergreifenden Nacktheit eine zusätzliche Dimension hinzu.

Die schauspielerischen Leistungen befinden sich dabei durchgehend auf einem sehr hohen Niveau, weil es Brunner nie um die narrative Verortung einer Szene geht, sondern um das Spüren von etwas, das unter solchen Kategorien liegt. Die Darsteller geben ihm unabhängig von ihrem Alter etwas von ihrer Seele. Beeinflusst scheint sein Film am ehesten von Andrei Tarkowski und vor allem dessen Mirror. Es sind diese Vergleiche, die man immer wieder schwer verdaulich findet, aber in der Konsequenz, in der Brunner nach seiner eigenen Sprache sucht, sind sie akzeptabel. Hier und da nimmt das Fantastische soweit überhand, dass dem Film die schmale Gratwanderung zwischen dem Übersinnlichen, Besinnlichen und Sinnlichen des Lebens etwas entgleitet und er den Horror so nicht wie beispielsweise Ingmar Bergman in Die Stunde des Wolfs oder Francis Bacon in seinen Gemälden, die im Film auch zur Geltung kommen, als etwas aus dem Leben Kommendes inszeniert, sondern das Leben mit dem Horror überfährt.

Dennoch gelingt ihm das Schaffen eines filmischen Körpers, der wie ein Resonanzraum in der Luft stehen bleibt und sich umformt in ein ganz anderes Erinnerungsbild, nämlich jenes des Zusehers im Bezug zum Film. Dabei fügen sich die assoziativen Bilder zwar zu einem Gesamteindruck, dieser entzieht sich aber jeder Redundanz, weshalb es ein Film ist, der viel lebendiger bleibt als jeder Text, den man darüber schreiben kann.

Jeder der fällt hat Flügel

In Peter Brunners Weltwahrnehmung verschmelzen äußere und innere Bilder zu einem visuell beeindruckenden Erinnerungstraum. „Jeder der fällt hat Flügel“ ist der zweite Spielfilm des jungen Österreichers und wieder stellt er sich äußerst persönlichen Themen, die sich jenseits jeglicher Chronologie verzweifelt an Erinnerungen klammern, um etwas festzuhalten und zu verarbeiten. Es geht um das Vergessen und Sterben, das außer in wenigen Szenen wie ein haptischer Schatten durch die Bilder schleicht, sei es als Folge von diesen oder als Ursache.
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