Spotlight

Chronik eines Skandals

Es kommt selten vor, dass ein Regisseur nach einem der schlechtesten Filme einen der besten Filme nachlegt, doch Thomas McCarthy (Station Agent) hat genau das geschafft: Nach dem desaströsen Cobbler — Der Schuhmagier (2014) mit Adam Sandler meldet er sich mit dem wohl besten Film über investigativen Journalismus seit Die Unbestechlichen (1976) zurück.
Spotlight, benannt nach der Einheit investigativer Journalisten des Boston Globe, beschäftigt sich mit der Aufdeckung von einem der größten Skandale der katholischen Kirche in der Neuzeit. Am Anfang stehen zwei Kleinigkeiten: Zum einen kommt im Jahr 2001 mit Marty Baron (Liev Schreiber) ein neuer Chefredakteur zum Boston Globe. Er ist ein Außenseiter, im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern ist er nicht aus der Stadt — und genau das ist sein Vorteil. Er sieht Dinge, die die anderen nicht sehen. Zum anderen schreibt die hauseigene Kolumnistin eine Kolumne über einen Missbrauchsfall in der katholischen Kirche, der direkt in Boston geschah. Diese Geschichte weckt Martys Interesse und er glaubt, dass sich hinter ihr womöglich mehr verbirgt. Also setzt er das Spotlight-Team auf die Sache an. Schon bald stellen Spotlight-Chef Walter „Robby“ Robinson (Michael Keaton) und seine Mitarbeiter Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matt Carroll (Brian D’Arcy James) fest, dass es nicht ein Priester ist, der mehrfach aus Gemeinden entfernt und dann wieder in anderen eingesetzt wurde, über den das Gerücht verbreitet wird, dass er pädophil sei und Kinder missbrauche. Es sind dreizehn. Das Team arbeitet sich schon bald auf allen Ebenen voran: Pfeiffer interviewt Missbrauchsopfer; Rezendes will den Anwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) auf seine Seite ziehen, der 86 Klienten vertritt, die alle gegen einen einzigen Priester klagen wollen, der mehr als 30 Jahre sein Unwesen treiben konnte — stets beschützt durch die katholische Kirche und den örtlichen Bischof. Und Robby stößt unterdessen in den Reihen seiner eigenen Freunde auf Anwälte, die der Kirche geholfen haben, die Fälle zu vertuschen.

Einen Film über Missbrauch in der Kirche zu machen, ist eine heikle Angelegenheit. Im Jahr 2013 übte sie beispielsweise massiven Druck auf die Macher von Philomena aus, einen Film, der ebenfalls auf wahren Begebenheiten beruht und Kirchenmitglieder (in diesem Fall Nonnen) in einem sehr schlechten Licht zeigt. Die Kirche versuchte sogar, den Film zu boykottieren und dessen Verbreitung zu stören, zum Teil erfolgreich. Um nicht in ähnliches Fahrwasser zu geraten und seinen Film und dessen Inhalt so gut wie möglich zu schützen, hält er sich ganz klar und strikt an die belegbaren Fakten.

Genauso das macht das Spotlight-Team innerhalb des Filmes auch. Alle Begebenheiten, alle Details, die der Film beschreibt, zeigt er ausschließlich aus dem Blickwinkel der Globe-Mitarbeiter. Zu keiner Zeit spekuliert der Film oder verliert sich in Emotionalitäten. Nein, hier geht es um die harten und traurigen Fakten, um das akribische Aufdecken der Wahrheit und genau das gibt diesem Film seine Verve, aber auch seine Authentizität. Jeder Schritt der Journalisten ist nachvollziehbar. Man begleitet sie zu Akteneinsichten, in Archive, bei Interviews und Gerichtsbesuchen, stets auf der Suche nach dem nächsten Puzzle-Stück und mit dem Wissen im Nacken, dass jeder Tag, der vergeht, einer ist, an dem potentiell ein weiteres Kind geschändet wird. Mit dem Druck und der Beweislage ändert sich auch stetig die Informationslage. Alsbald schnellt die Zahl der pädophilen Priester von 13 auf 87, eine Zahl, die sich, so viel darf gesagt werden, noch weiter erhöhen wird. Doch es geht in diesem Film nicht nur um die Einzelfälle. Es geht um die systematische Vertuschung durch die Kirche, ein Vorwurf, der bestens belegt sein muss, will man nicht in Teufels Küche kommen.

Spotlight erfindet hier die Filmgeschichte nicht neu, doch die Genauigkeit und Treue zum Ausgangsmaterial sind erstaunlich. Dem Drehbuch ist das Fingerspitzengefühl deutlich anzumerken, kein Wort in diesem Film ist zu viel, keines ist zu wenig. Das Timing stimmt auf den Punkt, der Inhalt des Filmes und dessen bewusste Ausarbeitung durch die SchauspielerInnen — vor allem Mark Ruffalo ist hervorragend — tragen den Zuschauer durch dieses Werk und seine mitunter schmerzhaften Wahrheiten mit der perfekten Mischung aus Brisanz, Ehrlichkeit und Emotionalität. Zu keiner Zeit wird das Thema benutzt oder reißerisch ausgequetscht, zu keiner Zeit verrennt sich der Film und versucht Thrillerelemente aus dem Thema zu quetschen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Im Gegenteil, Spotlight bietet in jeder Minute seiner Laufzeit, was den Opfern von Seiten der Kirche nie zuteil wurde: Sie werden ernst genommen, es wird ihnen eine Stimme gegeben und sie werden fair behandelt.

(Festivalkritik Beatrice Behn, Filmfestspiele Venedig 2015)

Spotlight

Es kommt selten vor, dass ein Regisseur nach einem der schlechtesten Filme einen der besten Filme nachlegt, doch Tom McCarthy hat genau das geschafft: Nach dem desaströsen „Cobbler — Der Schuhmagier“ (2014) mit Adam Sandler meldet er sich mit dem wohl besten Film über investigativen Journalismus seit „Die Unbestechlichen“ (1976) zurück.
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Meinungen

Otterchen · 23.03.2016

Mich persönlich hat der Film beeindruckt - ich fand ihn richtig spannend und die Leistungen aller Hauptcharaktere klasse.
Die Tatsache, dass die Story auf einer wahren Begebenheit beruht, gibt dem Ganzen die Krönung. Es ist ein wichtiger Film, der ein sehr wichtiges Thema behandelt. Ich denke, die Academy hat diesen Film mit viel Bedacht ausgezeichnet - eine in meinen Augen gute, wenngleich auch interessante Wahl.

Holm Helsing · 01.03.2016

Ich komm grad aus dem Kino und bin total enttäuscht.
Abgesehen vom Thema ist dieser Film bei mir völlig durchgefallen.
Dafür einen Oscar für den besten Film 2016 ...

Alois Stocker · 29.02.2016

Leider werden die besten Filme nur in Passau gespielt. Warum nicht auch in Freyung?