No Direction Home: Bob Dylan

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Being Bob Dylan

Im Jahre 1941 als Robert Allen Zimmerman in Minnesota geboren stellt der Mensch und Musiker Bob Dylan innerhalb der Musikgeschichte des vergangenen und laufenden Jahrhunderts ein absolut kurioses, krass ambivalent rezipiertes Phänomen der Extraordinarität dar. Der Sozialwissenschaftler und Publizist Günter Amendt als passionierter Dylanologe hat diesen mal so treffend wie nebulös als die „menschlichste aller Stimmen, der unstimmigste aller Menschen“ charakterisiert, und nicht selten haftet den unzähligen, enttäuschten bis glorifizierenden Aussagen über den frühen Folksänger und -dichter sowie die moderne Rockikone ein kryptischer Habitus an. Wenig fan- und publikumsfreundlich orientiert ist es Bob Dylan häufig gelungen, sich trotz punktueller Präsenz in der Öffentlichkeit dieser doch immer wieder massiv zu entziehen. Die Dokumentation einer großartigen Ausnahme dieser Haltung ist Martin Scorsese 2005 mit dem ausführlichen Film No Direction Home: Bob Dylan gelungen, der im Rahmen der US-amerikanischen Fernsehserie American Masters realisiert wurde.
Es sind die Jahre 1961 bis 1966, die im Zentrum dieser von Interviews mit Bob Dylan eingefassten Dokumentation stehen, die in ihrer oppulenten Länge von dreieinhalb Stunden Montagnacht bei ARTE ausgestrahlt wird und den Beginn seiner Laufbahn als Songwriter und Folksinger vor dem politisch-kulturellen Hintergrund seiner ersten Zeit in New York skizziert. Archivmaterial sowie damals aktuelle Aussagen von illustren Weggefährten und Inspiratoren wie Alan Ginsberg, Suze Rotolo, Woody Guthrie, Joan Baez, Johnny Cash und zahlreichen weiteren säumen das Territorium dieser musikalisch-poetischen Dokumentation, die unter anderem mit dem Grammy als „Best Long Form Music Video“ prämiert wurde. Der Titel No Direction Home entstammt dem Text des legendären Songs „Like a Rolling Stone“ von 1965, dessen handgeschriebene Lyrics im vergangenen Jahr bei einer Auktion für zwei Millionen Dollar versteigert wurden – nur einer von einigen Rekorden, die sich um den gigantischen Erfolg des Dylan-Universums ranken, das auch aus 55 Jahren einer unwegsamen bis sensationellen Karriere besteht.

Als souveräner Regisseur musikalischer Dokumentationen bezaubert Martin Scorsese hier einmal mehr mit der ungeheuer dichten, sensiblen, perspektivreichen und letztlich sehr persönlichen Inszenierung eines Ausnahmekünstlers, zwischen dessen Ankunft in Greenwich Village bis zum skandalträchtigen Judas-Ruf während eines Konzerts im britischen Manchester im Jahre 1966 musikalische Revolutionen liegen. No Direction Home: Bob Dylan bietet ein vielschichtiges Fest für Anhänger des Folks im Allgemeinen und für solche des ungefälligen Sängers im Besonderen, dessen Songs seit Generationen eine nachhaltige Inspiration für unzählige Künstler und andere Menschen darstellen. Doch auch wenn hier ein kostbarer, reichlich differenzierter und durchaus ungewöhnlich sympathischer Eindruck von der Person und Persönlichkeit Bob Dylans entsteht, bleibt doch die krude Faszination seines generell distanzierten, kritischen und unbestechlichen Geistes der individuellen Unabhängigkeit wohlweislich erhalten. Und auf seine signifikante Frage „How does it feel?“ gibt es auch hier – glücklicherweise – keine Antwort.

No Direction Home: Bob Dylan

Im Jahre 1941 als Robert Allen Zimmerman in Minnesota geboren stellt der Mensch und Musiker Bob Dylan innerhalb der Musikgeschichte des vergangenen und laufenden Jahrhunderts ein absolut kurioses, krass ambivalent rezipiertes Phänomen der Extraordinarität dar.
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