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Zwei verlorene Seelen, die das Schicksal immer wieder auseinandertreibt — in seinem neuen Film Fallen Leaves erweist sich Aki Kaurismäki abermals als gnadenloser Romantiker im Retromodus und liefert eine proletarische Romanze voller Cinephilie und Lakonik.

Fallende Blätter (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zeitlos

Es gibt Filme, die sind wie eine Art Heimkommen. Und die Werke von Aki Kaurismäki zählen sicher zu diesem Typus. Schon bei den ersten Bildern erkennt man alles wieder, die Interieurs mit ihrer ganz eigenen Farbigkeit, die Personen und Situationen, von denen der Film erzählt. Sie sind in einer ganz eigenen Zeit angesiedelt, angeblich in unserer Gegenwart, doch diese sieht völlig anders aus als die unsrige, ist mehr ein nostalgischer Raum der Erinnerung als ein Abbild unseres turbulenten Heute. Und letztendlich weiß man auch instinktiv, dass sich am Ende alles fügen wird. Es ist also stets eine Art heutiges Märchen, eine Verklärung der Gegenwart – oder besser jener Zeit, die der Filmemacher für gegenwärtig hält und uns auf der Leinwand präsentiert. Es ist eine (Film)Welt, die keinerlei böse Überraschungen bereithält, eine Beruhigung und Versicherung, dass schlussendlich alles gut wird.

In Fallen Leaves gesellt sich noch etwas anderes hinzu – und auch das dient vor allem dazu, uns zu halten und vielleicht auch zu trösten: Der Film speist sich aus einer großen Liebe zum Kino selbst, ist voller Verweise, Filmplakate, die zu sehen sind, mitunter sehr komische Dialoge, in denen die Beteiligten aus dem Nichts über Robert Bresson diskutieren und ein erstes Date selbstverständlich in Jim Jarmuschs The Dead don’t die stattfindet: Man weiß nicht so recht, ob die Worte des Lobes über diesen Film, die er einer seiner Figuren in den Mund legt, ernst gemeint sind oder nicht.

Bei einem Karaoke-Abend in einer Bar treffen sich der Metallarbeiter und Alkoholiker Holappa (Jussi Vatanen, der ein Double des jungen James Stewart sein könnte) und die Verkäuferin Ansa (Alma Pöysti), finden auf sehr spröde und wortarmer Weise Gefallen aneinander und verlieren sich doch gleich wieder aus den Augen, weil er unmittelbar den Zettel mit ihrer Telefonnummer verliert. Dennoch finden die beiden mit einigen Mühen wieder zueinander, doch Ansa mag Holappas Alkoholsucht, die ihn mehrmals den Job kostet (auch Ansa wird wegen einer Lappalie im Supermarkt gefeuert), einfach nicht akzeptieren. Und so droht das Schicksal, diese beiden verlorenen Seelen wieder auseinanderzutreiben.

Wortkarge Menschen, die kaum je eine Emotion zeigen (als Ansa zum Ende des Films einmal lächelt, ist das fast wie eine Erleichterung), grimmig dreinblickende Security-Menschen, überraschende klassische Balladen in schummrigen Bars, eine Bande überaus gelassener jugendlicher Diebe, ein Arbeitskollege, der mit dem Alter hadert und überhaupt Gesichter, die vom Leben gezeichnet sind, die aber stets mit Würde behandelt werde. Aki Kaurismäkis proletarische Tragikomödien sind zwar keine Sozialstudien, aber durchaus eine beharrliche Hommage an all die Menschen, die sich dem Schicksal und ihrer schlechten sozialen Stellung im Leben zum Trotz mit bemerkenswerter Beharrlichkeit entgegenstemmen und versuchen, den widrigen Umständen ihrer Existenz ein kleines bisschen Glück abzuringen. Und weiß Gott, man gönnt es ihnen von Herzen.

Allerdings gibt es dann doch etwas, das immer in diese Welt eindringt und anzeigt, dass es daneben noch etwas anderes, ein gegenwärtiges Außen gibt, das verunsichert und beunruhigt. Immer wenn Ansa das Radio einschaltet, hören wir Berichte aus dem Kriege in der Ukraine, hören von Bomben auf Kyiw und Mariupol. So ganz lässt sich die reale Gegenwart doch nicht ausblenden – nicht mal für einen Filmemacher wie Aki Kaurismäki

Garniert mit dem typischen staubtrockenen Humor reiht sich Fallen Leaves nahtlos in das Gesamtwerk des Filmemachers ein und bietet, wenngleich keine Überraschungen, immerhin eine ganze Menge Herzenswärme und einen Humanismus der sogenannten kleinen Leute. In Zeiten, in denen das Herz und die Menschlichkeit in der Realität und der Politik allzu schnell vergessen werden, ist das entschieden eine Wohltat.

Fallende Blätter (2023)

Die Tragikomödie handelt von zwei einsamen Menschen, die sich zufällig begegnen und versuchen, ihre erste, einzige und letzte Liebe zu finden.

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Meinungen

Margit + Otto · 06.10.2023

Herrlich unaufdringlich aufdringlich - wir sind ganz beseelt heim.....

Fabian Everding · 28.09.2023

Ein super Film, düster und dabei eine Art Komödie.
Nur warum findet man nirgendwo im Internet die vollständige Auflistung des Soundtracks?

Gallagher Hayes · 23.09.2023

DER(!) schlechteste Film denn ich je gesehen hab.
Hands down!...!!!
Spar dein Zeit(!),...und Geld.

Andreas · 21.09.2023

Von allen Kaurismäki - Filmen transportiert " Fallende Blätter" die geringste Handlung. Trotzdem ist er wunderbar anzuschauen, weil er alle Versatzstücke, die einen Kaurismäki Film ausmachen, von Anfang bis Ende einsetzt

Gülay · 19.09.2023

Ein wunderschöner Film wieder. Mehr braucht man nicht, zu sagen.

J. Klotz · 20.08.2023

Guter Kritik, ich habe es selbst so empfunden. Wobei nach meiner Meinung dieser Film von ihm Aki nicht so gut war.