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In Rainer Kaufmanns treffsicher geschriebener und gespielter Tragikomödie über ein Langzeitehepaar und deren Sorgen und Nöte sprühen nicht nur dank Senta Berger und Günter Maria Halmer die Funken. 

Weißt du noch? (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Szenen einer Langzeitehe

Mehr als 50 Jahre sind Marianne (Senta Berger) und Günter (Günther Maria Halmer) nun bereits miteinander verheiratet. Doch ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag zeigen sich (sicher nicht die ersten) Risse in der starken Festung, die ihre Ehe zumindest in ihrer Eigenwahrnehmung bislang darstellte. Die Kinder sind längst aus dem Haus und leben ihr eigenes Leben, zurückgeblieben ist ein Haus im Speckgürtel Münchens, bei dem der Putz auch schon sichtbar abblättert – die Ehe und das Familiennest gleichen sich nicht nur in dieser Beziehung, sondern auch darin, dass beiden der ursprüngliche Sinn abhanden gekommen ist. 

Und noch etwas ist den beiden abhanden gekommen – beziehungsweise findet dieser Verlust gerade statt: Das Gedächtnis spielt nicht mehr so mit, wie es sollte. Die Erinnerungen schwinden, es droht der schleichende Verlust all dessen, was das Leben wertvoll macht. Zunächst scheint dies vor allem auf Günter beschränkt, der beim Einkauf den Käse liegen lässt, doch schnell zeigt sich, dass auch Marianne sich nicht mehr auf ihr Gedächtnis verlassen kann. 

Und so ist es kein Wunder, dass Marianne annimmt, Günter habe den Hochzeitstag schlichtweg vergessen. Der allerdings hat sich dafür etwas einfallen lassen: Mit Hilfe seines Freundes Heinz (Konstantin Wecker) hat er sich zwei dieser kleinen blauen Wunderpillen besorgt, die trotz aller Ähnlichkeit aber nicht der erschlaffenden Manneskraft wieder auf die Sprünge helfen sollen. Nein, dieses neuartige Medikament verspricht, wenngleich nur zeitlich beschränkt, eine Reaktivierung verloren gegangener Erinnerungen. Allerdings ist der Prozess, der nun einsetzt, keineswegs nur ein guter, sondern befördert auch kritische Nachfragen, ob man denn nicht vielleicht doch einige Fehler gemacht, einiges versäumt und anderes einfach verpfuscht hat.

Ein Film wie Weißt du noch ist ein kleines Wagnis: Ein Kammerspiel, bei dem man die auftretenden Personen neben den furios aufspielenden Senta Berger und Günter Maria Halmer an einer Hand abzählen kann, fast über den gesamten Zeitraum auf die Enge eines einzigen Schauplatzes beschränkt und auf dem schmalen Grat zwischen Tragödie und Komödie balancierend. Dazu blaue Pillen, Champagner und nächtliche Tanzeinlagen – das alles verspricht einiges Potenzial an Fettnäpfchen und Peinlichkeiten, die der Film aber dank Rainer Kaufmanns, feinfühliger Regie, einem geschickten Drehbuch (Martin Rauhaus) und kluger Kameraarbeit (Martin Farkas) geschickt umschifft. Vor allem aber ist es die spürbare Chemie zwischen Berger und Halmer, die dafür sorgt, dass Weißt du noch nicht nur unterhält, sondern immer wieder auch berührt und zum Nachdenken bringt. Werden wir selbst es besser machen? Wohl kaum. Aber bemühen sollten wir uns zumindest darum – und am Schluss die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten mit der gleichen Milde betrachten lernen wie diese beiden Menschen hier, die voller Fehler sind, und dennoch unglaublich liebenswert.

Weißt du noch? (2023)

Humorvoll wie lebensklug wird die Geschichte eines Trips in die Vergangenheit erzählt, in der ein Ehepaar in ihren Siebzigern mittels Wunderpillen ihren tristen Lange-Ehe-Alltag durchbricht und sich wieder erinnert, was ihre Liebe einst ausgemacht hat.

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