Log Line

In „Besties“ erzählt Marion Desseigne Ravel eine lesbische Liebesgeschichte unter jungen Cliquen-Mitgliedern in einem Vorort von Paris.

Besties (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Nedjma und Zina

Eine junge Frau läuft selbstbewusst durch ihr sommerliches Viertel. Sie hat Musik auf den Ohren, stibitzt ein paar Fritten und grüßt immer wieder Leute, denen sie begegnet – mal mit einem lässigen Nicken, mal mit einem routinierten Handschlag. So lernen wir die Schülerin Nedjma (Lina El Arabi) in ihrem Umfeld kennen, nachdem wir sie zuvor schon mit ihren Freundinnen beim Herumalbern im Park erlebt haben.

Das Bild, das die französische Drehbuchautorin und Regisseurin Marion Desseigne Ravel in ihrem Langfilmdebüt Besties vom Alltag in den Pariser Banlieues zeichnet, wirkt zunächst durchaus unbeschwert. Nedjma scheint genau zu wissen, wo sie hingehört. Sie genießt den Rückhalt ihrer Clique; sie ist die Königin ihrer eigenen Welt.

Doch dann kommt die Liebe ins Spiel – und mit ihr ein Konflikt, der in seinem Ausgangspunkt an die große Shakespeare-Tragödie Romeo und Julia sowie an diverse modernere Interpretationen wie das Musical West Side Story und dessen Verfilmungen denken lässt. Denn Zina (Esther Rollande), die Neue in der Nachbarschaft, verursacht bei Nedjma augenblicklich Herzklopfen (et vice versa), gehört aber zur verfeindeten Gang, mit der sich Nedjmas Gruppe unter anderem um die Vorherrschaft über eine örtliche Parkbank streitet.

Rasch ereignen sich handgreifliche Auseinandersetzungen. Zina wird Opfer einer Cyber-Mobbing-Attacke durch Nedjmas Freundinnen – und Nedjma muss eine einschneidende Entscheidung treffen: Will sie ihrer Clique gegenüber loyal bleiben oder soll sie ihren Gefühlen für Zina folgen, denen sie im Geheimen bereits immer intensiver nachgeht?

Die Passagen, in denen Nedjma und Zina, verborgen vor der zunehmend feindselig anmutenden Umgebung, einander näherkommen, gehören zu den stärksten Szenen von Besties. Die beiden Schauspielerinnen Lina El Arabi und Esther Rollande bringen das gegenseitige Begehren, das für ihre Figuren völlig unerwartet und heftig aufflammt, energisch zum Ausdruck. Ebenso glaubhaft wird die Ambivalenz vermittelt, die damit durch Nedjmas und Zinas jeweilige Cliquen-Zugehörigkeit einhergeht. Unterschwellig angedeutet werden bei diesem Konflikt auch religiöse Überzeugungen, die interessanterweise für die in Frankreich geborenen Migrant:innen-Kinder eine erheblich wichtigere Rolle einzunehmen scheinen als für die Eltern-Generation.

Durch Textnachrichten und Videocalls, die Desseigne Ravel und die Kamerafrau Lucile Mercier gekonnt in die Bildsprache des Films einbinden, werden wir zu einem Teil der Lebensrealität der adoleszenten Protagonistinnen. Wir gehen mit ihnen zum Feiern in den Club und zu Prügeleien auf die Straße. Der Mikrokosmos wird in all seiner Rauheit, jedoch auch in den Momenten der Schönheit erfasst.

Auf die ganz große Dramatik, die bei Romeo und Julia und zahllosen Variationen des Stoffes unvermeidlich scheint, läuft Besties nicht hinaus. Um ein Werk der zuckrigen Illusionen, in dem sich alles zum Ende hin einfach in Wohlgefallen auflöst, handelt es sich indes auch nicht. Vielmehr schaffen sich die Liebenden letztlich ein Refugium, einen Schutzraum. „Hier ist alles echt“, heißt es. Dem Film gelingt es damit, weder fatalistisch noch verklärt daherzukommen, sondern einen realistischen Blick auf eine Welt zu werfen, in der Hoffnung erfreulicherweise möglich ist – in der sich aber nicht alle Probleme in kurzer Zeit auf magische Weise wegwischen lassen.

Besties (2021)

Sommer in einem Pariser Vorort. Nedjma zieht mit ihren Freundinnen durch die Straßen, die Gang ist wie ihre zweite Familie. Als sie Zina, die Neue in der Nachbarschaft, zum ersten Mal sieht, ist sie sofort verknallt. Das Problem ist nur: Zina gehört zur verfeindeten Clique. Nedjma ist hin- und hergerissen: zwischen der Loyalität zu ihrer Gruppe und dem Begehren für Zina, das mit jeder Nacht, die sie heimlich zusammen bringen, größer wird. Nedjma muss sich entscheiden, für was sie eigentlich kämpfen möchte. (Quelle: Salzgeber)

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen