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Dennis Stormer erzählt in „Youth Topia“ von einer jungen Frau in einer Welt, in der ein Algorithmus über alles bestimmt.

Youth Topia (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Plötzlich erwachsen

Erwachsen werden. Einen Job und eine Wohnung finden. Wichtige Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Uff, alles ganz schön anstrengend! Wie wäre es, wenn ein Algorithmus das einfach für uns bewältigen würde? Schon heute bestimmt er in unserem Leben etwa mit, welche Werbung uns im Netz angezeigt wird (und welche Produkte wir deshalb womöglich kaufen wollen), welche Videos wir auf diversen Plattformen zugespielt bekommen (und worüber wir so auf diesem Wege Informationen erhalten) und welche Filme und Serien uns für unsere Abendunterhaltung auf einschlägigen VoD-Anbietern empfohlen werden, womit wir also letztlich unsere kostbare Freizeit verbringen.

Der 1990 in Kiel geborene Wahlberliner Dennis Stormer entwirft in seinem Film Youth Topia nun eine Welt, in der sich der Einfluss des Algorithmus noch deutlich vergrößert hat. Dieser spioniert den Alltag der Menschen aus – und legt auf Basis der gewonnenen Daten fest, welchem Beruf eine Person nachgehen soll. Der dazu passende Wohnraum samt gefülltem Kühlschrank wird gleich mitvermittelt.

Angesiedelt ist die Geschichte im dystopischen Ort Valpolvra. Im Mittelpunkt steht die junge Wanja (Lia von Blarer), die mit einigen weiteren Außenseiter:innen gegen das System rebelliert. Die Gruppe geht als sogenannte „Langzeit-Jugendliche“ in einer alten, abgelegenen Scheune am Fluss dem Nichtstun nach, wenn sie nicht gerade um die Häuser zieht und lautstark für Chaos sorgt. Doch dann wird Wanja vom Algorithmus eine Stelle als Kreativarchitektin in einem schicken Büro zugewiesen – und sie ist plötzlich eine Erwachsene.

In seiner Inszenierung setzt Stormer zuweilen auf Instagram- und TikTok-Ästhetik, wenn die juvenile Clique die Gegend unsicher macht und dabei mit ihren Handys alles live festhält. Kommentare von Follower:innen werden eingeblendet, und Emojis fliegen wild durchs Bild. In der Ausstattung dominieren Neonfarben – von den bunten Haaren und grellen Outfits der zentralen Figuren bis hin zu den Kulissen. Wenn die „Langzeit-Jugendlichen“ auf aufblasbaren Schwimmtieren in einem farbintensiven Lavendelfeld sitzen und dabei gelangweilt auf ihre Mobiltelefone starren, wirken sie wie eine moderne Version der Gang aus Stanley Kubricks Literaturverfilmung Uhrwerk Orange (1971).

Das Drehbuch zu Youth Topia, das Stormer gemeinsam mit der Produzentin Marisa Meier verfasst hat, stellt unter anderem die Frage, wie wertvoll dauerhafte Produktivität eigentlich ist, wenn dabei andere Bereiche des (Zusammen-)Lebens völlig verlorengehen. Nicht immer können die interessanten Ansätze im Laufe des Plots überzeugend vermittelt werden – was nicht zuletzt daran liegt, dass die Nebenfiguren überwiegend zu unscharf gezeichnet sind. Lia von Blarer (Jahrgang 1992), bekannt aus der Serie MaPa, bringt in der Hauptrolle indes die nötige Energie mit, um dem Ganzen Spannung zu verleihen.

Youth Topia (2021)

Wanja, Greta, Sören, Maul und Leona trotzen gemeinsam dem Trend der Selbstverwirklichung: Tagein, tagaus müllen sie ihre Social-Media- Accounts mit asozialen Inhalten zu um zu verhindern, dass der allgegenwärtige Algorithmus ihnen einen Traumjob ausrechnet. Ihr Plan ist es, als sogenannte Langzeit-Jugendliche abzuhängen. Dann bekommt ausgerechnet Wanja einen Job in einem Architekturbüro angeboten. Die neuen Aufgaben und die Anerkennung bei der Arbeit fühlen sich gut an, aber die Selbstverwirklichung hat ihren Preis. Schon bald vermisst Wanja ihre verpeilten Freunde und begreift, dass sie etwas haben, das der Erwachsenen-Welt abhanden gekommen ist: Gemeinschaft. (Quelle: achtung berlin)

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