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Das ist Kinopoesie aus Mexiko! „Adolfo“ von Sofía Auza feierte auf der Berlinale seine Weltpremiere und lief dort im Generation 14plus-Programm, der Sektion fürs junge Publikum ab 14 Jahren. Aber er bezaubert bestimmt auch ein älteres Publikum mit seiner ungewöhnlichen wie schönen Geschichte.

Adolfo (2023)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Kinopoesie mit Kaktus

Es gibt diese Filme: Die einen von Beginn an durch eine Situation, eine Stimmung, einen Dialog ganz in ihren Bann ziehen. Die einen ganz besonderen Zauber entfalten, die man sofort in sein Herz lässt, deren Stimmung man mitnimmt nach Hause und nicht mehr vergisst. „Adolfo“ von Sofía Auza ist ein solcher Film.

Momo (Rocío de la Mañana) und Hugo (Juan Daniel Garcia Treviño) treffen sich in einer Nacht an einer abgelegenen Busstelle und kommen über die Straße hinweg ins Gespräch. Hugo trägt einen Anzug und einen Kaktus im Arm, Momo hat eine Fliegerbrille auf dem Kopf. Sie kommt gerade aus der Reha nach einer Überdosis, kämpft mit dem Entzug und hat sich als Amelia Earhart verkleidet, die legendäre Flugpionierin. Er ist auf dem Weg zur Beerdigung seines Vaters – zusammen mit dem Kaktus, für den er ein neues Zuhause finden soll.

„Wo würdest du wohnen, wenn du ein Kaktus wärst?“ – die Suche nach der neuen Bleibe wird zur gemeinsamen Aufgabe der Nacht, zum Ziel des Films. Immer wieder schwenkt der geistige Blick auf den Kaktus in seinem Topf, nach ihm schließlich ist auch der Film benannt: Der Kaktus heißt Adolfo.

Adolfo ist bestimmt keine gewöhnliche Boy-meets-Girl-Geschichte, und das liegt vor allem an der schon erwähnten märchenhaften Stimmung, die der Film durchweg aufrechterhält. Durch seine Atmosphäre, die nächtliche Handlung, eine ruhige Erzählweise und seine beiden stillen, geheimnisvollen Figuren entfaltet er eine eigenwillige Magie und Stärke. Das tut so unglaublich gut und fällt auf im Wettbewerb für den Publikumsnachwuchs – ein großartiges Debüt der jungen mexikanischen Filmemacherin.

Die Handlung von Adolfo spielt in der einen Nacht, führt die Figuren auf eine Party, eine herrliche Dachterrasse, an einen Imbissstand, schließlich in ein Holzhaus. Momo und Hugo lernen sich bei ihren Gesprächen immer ein Stückchen besser kennen, sie erzählen mal die Wahrheit, mal Erfundenes, gestehen sich ihre Lügen, raufen miteinander. Beide hadern sie mit ihrer Vergangenheit, versöhnen sich aber auch mit ihr. Sie begegnen sich in einem Moment des Zufalls, irgendetwas verbindet sie von Beginn an und lässt sie dann nicht mehr los, immer wieder finden sie einander und tauchen tiefer ein in ihre Verbundenheit.

Für ihre Geschichte entwirft Sofía Auza immer wieder wundervolle, fast ikonische Bilder, die lange auf der Leinwand zu sehen sind und die man doch noch länger festhalten will. Das bedächtige Erzählen, das auch Adolfo aufweist, ist ganz typisch für das mexikanische und lateinamerikanische Kino. Vieles – von der Geschichte, aber auch über die Figuren und ihre Weltsicht – wird über ruhige Bilder, lange Einstellungen, ein passendes Sounddesign und eben Stimmungen vermittelt, ohne dass es ausgesprochen oder über darübergelegte Musik ausgedrückt wird. Darauf muss man sich einlassen können, die Stille und Länge der Einstellungen aushalten wollen. Dann aber wird man mit der ganzen Poesie, die das Kino zu bieten hat, belohnt.

Adolfo (2023)

Was passiert, wenn sich Flugpionierin Amelia Earhart, ein Kaktus und ein trauriger Junge an einer abgelegenen Bushaltestelle über den Weg laufen? In Sofía Auzas ungewöhnlichem Boy-meets-Girl-Märchen kommt Momo, verkleidet als die legendäre Pilotin, frisch aus dem Entzug; Hugo und sein Kaktus Adolfo sind unterwegs zum Begräbnis von Hugos Vater. Im Laufe einer Nacht erleben die drei Antiheld*innen einige Abenteuer auf ihrer Mission, ein neues Zuhause für Adolfo zu finden – und heilen bei der Gelegenheit ein paar alte Wunden.

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