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Das Regieduo Sam H. Freeman und Ng Choon Ping ergründet in seinem Spielfilmdebüt „Femme“ die möglichen Folgen von internalisierter Homophobie. Dabei steht die Gewalt des Täters den ganzen Film etwas zu sehr im Fokus.

Femme (2023)

Eine Filmkritik von Sophia Derda

Rache um jeden Preis?

Im Mittelpunkt des Films steht Jules (Nathan Stewart-Jarrett), dessen Leben und Karriere als Dragqueen durch einen homophoben Angriff zerstört wird. Als er mehrere Monate später in einer Männersauna auf den Täter trifft, will er Rache nehmen. „Femme“, geschrieben und inszeniert von Sam H. Freeman und Ng Choon Ping, ist das Spielfilmdebüt der beiden Regisseure. Nach dem gleichnamigen Kurzfilm, den sie 2021 veröffentlicht haben, wollten sie sich den Themen intensiver widmen und schrieben das Drehbuch zum Langfilm.

Mit grandiosem Make-up und wunderschönen Outfit betritt Jules als Dragqueen Aphrodite die Bühne des Clubs. „You got me feeling like a movie star … all eyes on me“ ist aus den Boxen zu hören und ihre Performance beginnt. Das Publikum jubelt und alle sind verzaubert. Das passiert in den ersten drei Minuten von Femme. Danach kippt die Stimmung. Aphrodite macht sich nach dem Auftritt auf den Weg zu einem Kiosk, die Zigaretten sind alle. Dort angekommen, trifft sie auf Preston (George MacKay) und seine Gruppe von Freunden. Die Männer fühlen sich von Aphrodites Anwesenheit belästigt. Sie fühlen sich in ihrer Männlichkeit bedroht. Kurz darauf liegt Aphrodite am Boden – nackt und verprügelt.

Femme ergründet Machtdynamiken, die von männlicher Dominanz ausgehen. Auf der Handlungsebene wird über den ganzen Film hinweg definiert, wer überlegen ist. Preston ist ein junger Mann, der mit seinen Tattoos, Outfits und dem großen Auto ausdrücken will, was für ein krasser Kerl er ist. Als Jules und er in einer Männersauna aufeinandertreffen, erkennt er nicht, dass er ihn drei Monate zuvor als Aphrodite verprügelt hat. Preston steht auf Männer, harten Sex und keine Kompromisse. Ausgerechnet den sonst eher zart und verletzlich wirkenden George MacKay in dieser Rolle zu sehen, ist ungewohnt. Hier ist sein Hals ist voller Tattoos, sein Blick stählern und der britische Akzent wirkt immer aggressiv.

Jules dagegen erkennt Preston sofort. Den inneren Konflikt von ihm zu beobachten, macht den interessantesten Part des Films aus. Zu Beginn geht Jules die Affäre mit Preston ein, um Rache zu nehmen. Er hat das Bedürfnis, Gewalt auszuüben. Seit der Attacke ist er traumatisiert und tritt nicht mehr als Aphrodite auf. Später will er Preston mit dessen Homosexualität im Internet bloßstellen. Er hadert immer wieder mit sich und seinen Gefühlen. Je länger die Affäre läuft, desto unsicherer wird er. Er fühlt sich von Preston angezogen; wohl auch eine Reaktion auf das Trauma.

Die Beziehung der beiden beruht auf der Dominanz von Preston. Er kann seine traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit mit seiner Homosexualität verbinden. Jules dient dabei als Katalysator und unterwürfiger Part der Beziehung. In Femme gibt es nie den Punkt, an dem Preston in Erwägung zieht, sich selbst als homosexuell zu akzeptieren. Die Angst vor sich selbst ist zu groß. Diese Figur verkörpert die internalisierte Homophobie eines Mannes, der nie gelernt hat, anders mit seinem Begehren umzugehen. Homosexuelle Menschen wachsen in einer Gesellschaft auf, in der sie immer wieder mit homophoben Äußerungen und Diskriminierung konfrontiert sind. Die Verinnerlichung kann zu Hass gegen andere und sich selbst führen – Selbsthass als Strategie der Verdrängung.

Aphrodite kehrt am Ende von Femme auf die Bühne zurück. Die Gewalt aber hält wieder Einzug. Erneut werden wir mit ihrer zerstörerischen Kraft konfrontiert. Femme funktioniert als Rache-Thriller bestens – keine Frage. Der Film erlaubt einen sehr intensiven Blick auf eine Beziehung zwischen zwei Männern, deren Begehren zwischenzeitlich mehr ausgelöst hat als einfach nur sexuelle Befriedigung. Femme bleibt allerdings die ganze Zeit über in der Hand von Preston: Seine Wut regiert und dominiert den Film. Das Empfinden des eigentlichen Opfers kommt zu kurz. Etwas mehr Gleichgewicht in den Perspektiven hätte dem Film fraglos gutgetan.

Femme (2023)

Jules gehört mit seinen Auftritten als Aphrodite Banks zu den gefeierten Drag-Performern Londons. Nach einer Show will er nur kurz Zigaretten holen und wird von einem Typen, der mit seiner Boys-Gang unterwegs ist, brutal zusammengeschlagen. Körperlich kann er sich zwar wieder erholen, zieht sich aber traumatisiert aus der Öffentlichkeit zurück. Monate später erkennt Jules in einer Schwulensauna per Zufall seinen Angreifer wieder. Ohne Make-up und nur mit einem Handtuch bekleidet kann er ihm unerkannt nahekommen und die Identität des Schlägers herausfinden. Er beginnt eine Affäre mit dem versteckt homosexuellen Preston, um sich an ihm zu rächen.

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