Log Line

Ein klassischer Polizeithriller, gekreuzt mit einem queerem Liebesmelodram – Christoph Hochhäuslers neuer Film erweist sich als Grenzgänger zwischen den Welten.

Bis ans Ende der Nacht (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zwischen den Grenzen

Zwei verdeckte Ermittler*innen, die auf einen Drogenboss angesetzt wurden. Dazu die Verortung in Frankfurt, das fernab aller Skyline- und Finanzdistrikt-Klischees fast wie eine gegenwärtige Version der übleren Gegenden von Chicago erscheint. Und ein Titel, der die melodramatische Grundierung dieses Films erahnen lässt. Christoph Hochhäuslers neuer Film balanciert geschickt zwischen unterschiedlichsten Prämissen und Erwartungshaltungen und bürstet die fatale Trennung zwischen Kino und Fernsehen, die durch die Fernsehbeteiligung an den meisten Kinofilmen noch absurder erscheint, als sie ohnehin ist, gegen den Strich.

Krimis im deutschen Kino sind im Gegensatz zum (vor allem öffentlich-rechtlichen) Fernsehen derart selten geworden, dass Rückbezüge darauf anscheinend unvermeidbar sind. Und so erinnert auch Bis ans Ende der Nacht mehr an eine gleichwohl exzellente Episode von Polizeiruf 110 als an ein vergleichbares (deutsches) Referenzwerk, das in den letzten Jahren auf den Leinwänden der Republik zu sehen gewesen wäre. Was freilich mehr über die Verfasstheit des deutschen Kinos und die Monotonie der deutschen Förderlandschaft aussagt, als es gegen diesen Film spricht.

Im Zentrum der Erzählung steht die trans*Frau Leni Malinowski (großartig: Thea Ehre), die gerade aus dem Knast entlassen wurde, in dem sie wegen Drogenhandels einsaß. Dass sie früher herauskam, ist vor allem dem schwulen Ex-Koch Robert Demant (Timocin Ziegler) zu verdanken, mit dem sie früher, als sie noch als Mann lebte, eine Liebesaffäre hatte. Nun sollen die beiden Kontakt zu dem früheren DJ und jetzigen Clubbesitzer Victor Arth (Michael Sideris) aufnehmen, der eine Dark-Web-Handelsbörse für Drogen unterhalten soll und für den Leni vor ihrer Transition als Tontechniker gearbeitet hat.

Bei einem Tanzkurs kommt es zu einer ersten Annäherung an die Zielperson und dessen Freundin Nicola (Ioana Iacob). Doch je erfolgreicher sich der Auftrag gestaltet, desto schwieriger wird die Beziehung zwischen Robert und Leni, weil alte Spannungen und verschüttete Gefühle wiederaufflammen, die alle Loyalitäten und Deals zunehmend fragwürdig und fragil erscheinen lassen – zumal auch Victor sich mit der Frankfurter Konkurrenz herumschlagen muss, die es nicht einfach hinnehmen mag, dass ihr (reales) Geschäft mit den Drogen so einfach ins Netz abwandert.

Obwohl der Film deutlich in der Gegenwart verankert ist, atmet vieles an ihm Retro-Chic: Das liegt zum einen am leitmotivisch und ungeheuer treffsicher eingesetzten Schlager Eine Liebe so wie du von Heidi Brühl. Zum anderen an Details wie den in sattem Gelb gesetzten Titeln zu Beginn des Filmes. Dann wieder an Bildausschnitten und Ausstattungsentscheidungen, die eher auf das sozialrealistische Kino des 1970er Jahre als auf die glatt polierten Oberflächen des Gegenwartskinos rekurrieren.

Es ist allein schon unfassbar wohltuend, in diesem Film vor allem neue Gesichter entdecken zu können, die man bislang noch nicht auf dem Schirm hatte. Thea Ehre ist ebenso eine echte Entdeckung wie Timocin Ziegler. Und auch sonst vertraut Christoph Hochhäusler in der Besetzung fast komplett auf eine überwiegend wenig prominente Darsteller*innenriege, die gleichwohl insgesamt exzellent funktioniert. Immer wieder findet die Regie gemeinsam mit der Kamera (Reinhold Vorschneider) und der Montage (Stefan Stabenow) ungewöhnliche Bilder und Sequenzen, montiert sich wiederholende Dolly Shots hintereinander, arbeitet mit Wischblenden, Zeitraffern und anderen Mitteln, lässt Bild- und Tonebene vor allem beim Score, der gerne mal Clubszenen mit Songs von Hildegard Knef oder Zarah Leander kombiniert, heftig aufeinanderprallen. All das sorgt so immer wieder für Entgrenzungen und Überschreitungen, in denen sich die Uneindeutigkeiten von Liebe, Loyalität und Verrat, von Sehnsucht, Verzweiflung, Verlangen und Berechnung widerspiegeln. Alles bricht sich, wie in einem Kaleidoskop, ohne Ausweg.

Bis ans Ende der Nacht (2023)

Der verdeckte Ermittler Robert soll über eine fingierte Beziehung mit Leni das Vertrauen eines Kriminellen gewinnen. Die Gefühle sind jedoch nicht nur Spiel. Es ist ausgerechnet der ausspionierte Kriminelle, der ihn dazu bringt, sich seinen widersprechenden Gefühlen zu stellen…

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