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In „Bad Behaviour“ zeigt Alice Englert ein schwieriges Verhältnis zwischen Mutter und Tochter – und taucht in die Welt spiritueller Rückzugsorte ein.

Bad Behaviour (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf der Suche nach Erleuchtung

Es lässt sich vermutlich nicht vermeiden, zu erwähnen, dass Alice Englert, die Drehbuchautorin und Regisseurin von „Bad Behaviour“, die Tochter der vielfach preisgekrönten Filmemacherin Jane Campion („Das Piano“) ist. Angefangen hat die 1994 in Sydney geborene Englert ihre Karriere vor der Kamera. Sie spielte etwa eine der beiden Titelrollen in Sally Potters Coming-of-Age-Drama „Ginger & Rosa“ (2012) und die Heldin in der (leider wenig erfolgreichen) Fantasy-Romanze „Beautiful Creatures“ (2013). Darüber hinaus arbeitete sie für die zweite Staffel der Serie „Top of the Lake“ (2017) und für einen Mini-Auftritt in der Romanverfilmung „The Power of the Dog“ (2021) mit ihrer Mutter zusammen.

Nach zwei Kurzfilmen hat Englert nun ihren ersten Langfilm geschrieben und inszeniert – und befasst sich darin mit einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung. Sie selbst verkörpert in dieser Konstellation die Tochter. Und es ist wohl naheliegend, nach autobiografischen Spuren zu suchen. Tatsächlich gelingt es Englert dabei, genug Parallelen zu schaffen, um dem Vergleich mit dem echten Leben einen gewissen Reiz zu geben – und doch von etwas zu erzählen, was unabhängig von ihrer eigenen Biografie spannend und einnehmend ist.

Im Zentrum steht die geschiedene Lucy (Jennifer Connelly), die ein mehrtägiges Retreat an einem abgelegenen Ort in Oregon besucht. Dort soll weitgehend geschwiegen und auf technische Geräte, die Ablenkung erzeugen, verzichtet werden. Vor ihrer Ankunft telefoniert sie im Auto mit ihrer Tochter Dylan (Englert), die als Stunt-Performerin gerade in Neuseeland unterwegs ist. Bereits das kurze fernmündliche Gespräch macht deutlich, dass das Verhältnis von Entfremdung gekennzeichnet ist.

Im Laufe des Programms, dem sich Lucy in der Abgeschiedenheit anschließt, lernen wir allmählich mehr über ihr Leben. Offenbar war sie ein Teen-Star; sie spielte eine Prinzessin in einer TV-Serie. Von dem Retreat unter der Leitung des Gurus Elon Bello (Ben Whishaw) erhofft sie sich eine Form der Erleuchtung. Die Teilnehmerin Beverly (Dasha Nekrasova), die als Model und DJ mehr daran interessiert zu sein scheint, das Ganze für ihre Social-Media-Präsenz zu nutzen, ruft in Lucy indes vor allem Aggression hervor. Eine Wendung der Geschehnisse führt dazu, dass Mutter und Tochter schließlich doch aufeinandertreffen – und sich mit ihren Konflikten auseinandersetzen müssen.

Der Film hat pointierte, schwarzhumorige und satirische Momente. Die Übungen, die der Retreat-Leiter Elon mit den Anwesenden verrichtet, darunter ein Mama-Baby-Rollenspiel, muten durchaus absurd an. Dass im Hintergrund ein Tisch mit Merchandising-Produkten platziert ist, während Elon seine Botschaften vermittelt, kann als ironischer Kommentar verstanden werden. Dennoch macht sich Englert nicht auf billige Weise über die Idee eines spirituellen Rückzugs lustig. Ben Whishaw verleiht Elon mit seinem Charisma etwas Faszinierendes. Und Jennifer Connelly, die Lucy gewiss nicht als reine Sympathieträgerin anlegt, lässt uns bei aller Überspanntheit der Protagonistin spüren, dass deren Wunsch nach irgendeiner Art von Befreiung absolut aufrichtig ist.

Kern der Story bleibt wiederum die Beziehung zwischen Lucy und Dylan. Können zwei Menschen (wieder) zueinanderfinden, wenn die Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit so unterschiedlich sind, dass für beide womöglich gar nicht klar ist, was sie überhaupt falsch gemacht und dem Gegenüber angetan haben? Die Interaktion zwischen Connelly und Englert ist beeindruckend. Letztere beweist in Bad Behaviour somit nicht nur erneut, dass sie eine gute Schauspielerin ist – sondern auch, dass sie ein Talent in der Führung ihrer namhaften Kolleg:innen besitzt.

(Gesehen im Rahmen des Transit Filmfests 2023)

Bad Behaviour (2023)

Der Film dreht sich um eine ehemalige Kinderschauspielerin namens Lucy, die inmitten ihrer Beziehungskämpfe an einem spirituellen Retreat teilnimmt.

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