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Was sich anhört wie ein typischer No-Brain-Actioner, entpuppt sich als kluge Reflexion über das moderne Amerika – und darüber hinaus.

Rache auf Texanisch (2022)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Wenn Titel und Inhalt weit auseinandergehen

Wer hat sich bloß diesen Titel ausgedacht? Bei „Rache auf Texanisch“ bilden sich wohl bei den allermeisten Zuschauer:innen Bilder im Kopf, die der Film niemals einlöst, obwohl er streng genommen nicht völlig falsch ist. Dennoch klingt das nach einem Rache-Thriller, in dem eine texanische Familie die Knarren von der Wand rupft und jemandem, der ihr Unrecht zugefügt hat, quer durch den Staat ballert. Und wer das denkt, könnte nicht falscher liegen. Denn B.J. Nowaks Film erzählt etwas völlig anderes.

Als der New Yorker Journalist Ben einen Anruf vom Bruder einer Frau erhält, mit der er ein paar mal ausgegangen ist, erfährt er, dass sie tot ist, und fährt zunächst sehr widerwillig in ein winziges Kaff in Texas, um bei ihrer Beerdigung dabei zu sein. Dabei würde er viel lieber für die angesehene Podcasterin Eloise arbeiten. Doch ausgerechnet die Familie der Toten bringt ihn auf eine Idee für einen Podcast, die auch Eloise gut findet und die ihn deshalb ermutigt, an der Story dranzubleiben. So taucht Ben als Großstadtjunge tief ins texanische Landleben ein – und erhält unerwartete Antworten auf die großen und kleinen Fragen des Lebens.

Benjamin Joseph Manaly Novak, kurz B.J., ist ein Multitalent, das bereits auf vielen Gebieten bearbeitet hat. Der Stand-Up-Comedian war Teil der US-Version von The Office, spielte in Inglourious Basterds und Saving Mr. Banks mit, schreibt Bücher und komponiert elektronische Musik. Für Rache auf Texanisch übernahm er neben dem Verfassen des Drehbuchs auch noch die Regie und die Hauptrolle und ließ das Ganze von Horrorspezialist Jason Blum produzieren. Definitiv also Novaks Baby.

Das wandelt gekonnt zwischen Klischees über texanische Landeier, die Novak immer wieder genüsslich bricht, einer klugen Reflexion über den aktuellen Zustand der USA und, wenn man ehrlich ist, eigentlich der Welt sowie einer Detektivstory über den Tod einer jungen Frau, in der der Protagonist, wie er selbst feststellen muss, keine glorreiche Rolle spielt. Vor allem Novaks Dialoge, in denen es um Wahrheiten und Medien geht, um die Wahrnehmung anderer und das Bild vom eigenen Ich, sind starke Momente in diesem Film, der sich aufgrund seiner schwankenden Tonalität schwer einordnen lässt. Wenn Rache auf Texanisch unbedingt ein Etikett braucht, dann wäre es wohl am ehesten das einer dunklen Komödie, denn zum Lachen gibt es hier genug – auch wenn es dem Publikum manchmal im Hals stecken bleibt. Novak gelingt aber das Kunststück, seine ernst gemeinten Botschaften ebenso glaubhaft und passend unterzubringen, wie das in einem todernsten Drama der Fall wäre.

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran haben die Schauspieler, die Novak zum Teil deutlich gegen den Strich besetzt. So glänzt Boyd Holbrook, sonst Bösewicht oder Actionheld vom Dienst, nach seinem starken Auftritt als Serienkiller in Sandman hier als emotional aufgeladener Bruder des Opfers und Ashton Kutcher als relaxter und weiser Plattenproduzent, dem Novak einige der stärksten Monologe des Films in den Mund legt. Auch Novak selbst überzeugt in der Rolle eines Journalisten, der mehr aus Neugier als echter Anteilnahme nach Texas fliegt und dort viel mehr findet, als er gesucht hat, darunter auch einige bittere Wahrheiten über sich selbst.

Dabei vermittelt der Film seine klug beobachteten Analysen über Amerika und den Einfluss der Medien auf den Alltag derart lakonisch, dass nie ein moralischer Zeigefinger zu spüren ist und Novak sein Alter Ego im Film ebenso gnadenlos aburteilt und in die Pflicht nimmt wie alle anderen. Und so schafft er weit mehr als eine böse Komödie über die nur scheinbar dämlichen Rednecks und nur scheinbar cleveren Großstädter. B.J. Novak zeigt auf, wie schnell eine Nachricht zum Spielball verschiedener Interessen werden kann, wie falsch man liegen kann, wenn man zu Beginn bereits zu wissen glaubt, worum es eigentlich geht. Und sich dann nicht die Zeit nimmt, der Sache auf den Grund zu gehen. Dass Rache auf Texanisch dabei in seinen 100 Minuten auch noch gut unterhält, ist die Kirsche auf der Torte.

Rache auf Texanisch (2022)

Keine Indizien, keine Beweise, kein Verbrechen, kein Problem. Oder doch? Ben (B.J. Novak) wittert seine Chance, mit einem True-Crime-Podcast groß rauszukommen, als er zur Beerdigung einer Frau, mit der er eine kurze Affäre hatte, nach West Texas fliegt und ihr Bruder ihm eröffnet, dass sie zusammen ihren Mord rächen werden – auf der Basis von … nichts.

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