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In Charly Hübners Literaturverfilmung „Sophia, der Tod und ich“ springt Dimitrij Schaad dem Tod von der Schippe – und reist fortan mit ihm durch Deutschland.

Sophia, der Tod & ich (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Tod im Anarcho-Urlaub

Es gibt Filme, die ein bisschen brauchen, um in die Gänge zu kommen. Und dann gibt es Filme, die von der ersten Einstellung an für sich einzunehmen vermögen. Letzteres gelingt dem als Theater-, Kino- und TV-Schauspieler bekannten Charly Hübner in seinem Spielfilm-Regiedebüt „Sophia, der Tod und ich“, indem er die audiovisuellen Eindrücke einer vertrauten Berliner Nacht mit surrealen Elementen kombiniert.

Wir befinden uns auf dem Dach eines verlassenen Parkhauses. Im Hintergrund ist die S-Bahn zu sehen und zu hören. Die silberhaarige Michaela (Lina Beckmann), die sich als Erzengel erweist, öffnet das Verdeck einer Imbissbude, aus der eine überirdisch anmutende Beleuchtung dringt. Während erhabene Opernklänge ertönen, materialisieren sich finstere Gestalten, die sich jeweils eines der Bücher schnappen, die von Michaela ausgelegt wurden.

Mit leichter Verspätung taucht auch noch Morten (Marc Hosemann) auf und bekommt ein eher schmales Buch zugeteilt. Es ist das sogenannte „Lebensbüchlein“ des Altenpflegers Reiner (Dimitrij Schaad). Mortens Aufgabe besteht darin, Reiner aufzusuchen und ihn auf die Überfahrt ins Jenseits zu schicken. Dafür stehen Morten drei Minuten zur Verfügung.

Doch die Sache läuft gehörig schief: Da Reiners ruppige Ex-Freundin Sophia (Anna Maria Mühe) dazwischenfunkt, ist Reiner nach Ablauf der drei Minuten noch quicklebendig. Und so muss Morten das (Ex-)Paar nun auf einen Trip zu Reiners Mutter Lore (Johanna Gastdorf) begleiten.

„Das ist echt scheißtraurig“, stellt Reiner an einer Stelle ernüchtert fest, als er den Grund für seinen (geplanten) Tod erfährt. Dieser schnodderige Tonfall fasst die Atmosphäre des Films perfekt zusammen. Das Drehbuch von Lena May Graf, das auf dem gleichnamigen Roman von Thees Uhlmann beruht, scheut die schweren Themen nicht, vermittelt diese aber angenehm unsentimental.

Ebenso wagt Hübners Inszenierung reizvolle Balanceakte. Nachdem Reiner, Sophia und Morten etwa in den Norden zu Lore gereist sind, um dort deren Geburtstag zu feiern, erscheint plötzlich Mortens Kollege Morck Mortus (Carlo Ljubek), der Mortens Job zu einem raschen Abschluss bringen will – woraufhin im spießigen norddeutschen Garten bei dramatischem Unwetter ein Kampf der zwei Tode entbrennt. Gothic-Fantasy mit kreidebleichen Herren in dunklen Anzügen trifft auf eine bodenständige Tragikomödie, was Hübner auf erstaunlich stimmige Weise umsetzt. Gelegentlich lässt sich sogar der allmächtige G. (Josef Ostendorf) blicken, der indes keinen Wert auf großes Tamtam legt.

Da sich Morten, wie er selbst es ausdrückt, im „Alles-egal-Areal“ aufhält, weil nichts von dem, was gerade passiert, so vorgesehen war, entwickelt auch der Film eine charmante Anarcho-Haltung und Verspieltheit. Gleichwohl ist das Ganze nie so abgedreht, dass die Nähe zu den Figuren verloren ginge. Der schwermütige Reiner, die herbe Sophia, der tollpatschige Morten und nicht zuletzt die schlagfertige Lore, die sich ihren Geburtstag ja „völlig anders vorgestellt“ hatte – all diese fein gezeichneten Charaktere schließen wir schnell ins Herz, auch dank der guten, wunderbar miteinander harmonierenden Besetzung.

Im Auto setzt sich die Reise der Figuren schließlich fort. Sophia, der Tod und ich wird zu einem bittersüßen Roadmovie mit toller Musik und passenden Landschaftsbildern. Bis zum Schluss bleibt sich der Film in seiner kitschfreien Art treu – ohne faule Kompromisse.

Sophia, der Tod & ich (2023)

Nach einer unruhigen Nacht klingelt es bei Reiner an der Tür. Davor steht Morten de Sarg, der eigentlich sein Tod ist. Zu seiner Verwunderung gelingt es ihm nicht, Reiner sterben zu lassen, stattdessen klingelt es erneut. Sophia ist mit ihren Ex- Freund zum Geburtstag seiner Mutter Lore verabredet. Gemeinsam machen sie sich auf die Reise, die sie schließlich zu Reiners sieben Jahre alten Sohn Johnny führt, den er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat. Das alles unter der strengen Aufsicht von Gott und Erzengel Michaela. (Quelle: FFF Bayern)

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Meinungen

Serail · 10.10.2023

Tatsächlich erstaunlich, die Rezensionen. Der Film ist zwar formal eine echter Schuss in die Vene dieser verschnarchten deutschen Naturalismuspampe, und die tollen Schauspieler haben mich davon abgehalten, einfach wegzunicken oder lieber ein Pläuschchen an der Kinobar zu halten. Aber das Drehbuch? Alter! Es ging a) um nichts, b) exakt dieses Nichts ist seit den 80er-, 90er-, 00er- und überhaupt seit Jahren schon so oft erzählt worden, dass es nichtmal ein originelles Nichts ist und c) die Handlung klebte nur random irgendwelches Zeug zusammen, dass aber einfach keine Lust hatte, zusammenzugehören. Oh Drama, der Tod. Oh Drama, die Mama und der sterbende Sohn. Oh drama, der Sohn des Sohnes. Nichts davon entwickelte irgendeine Art von inhaltlichem, thematischen oder sonst irgendeinem Sog, weil es einem schlicht völlig schnurze war, was geschehen würde. Irgendeine Wendung, die nicht ab Minute eins voraussehbar wäre? Irgendein Gedanke zum, okay, menschheitsgschichtlich nicht ganz neuen, aber vielleicht doch irgendwie spiegelungsfähigen, Jetzt-relevanten Thema Tod? Nö. Hosemann gab alles, Hübner gab alles, aber am Ende wirkte es alles so, wie der Tod im Film Auto fährt.
Viel Staub um nix. Echt schade.

Marco Reimann · 20.09.2023

Ich muss leider sagen, dass mich dieser Film überhaupt nicht begeistern konnte und ich ihn nach kurzer Zeit eher als Klamotte empfunden habe.
Ziemlich sinnfreie Dialoge, eine an sich amüsante und berührende Geschichte zugleich ist leider aus meiner Empfindung vollkommen daneben gegangen.
ich habe das Kino enttäuscht nach 70 Minuten verlassen und mich geärgert, dafür Geld ausgegeben zu haben. Ich liebe ja an sich schwarzen Humor, aber wie sich einige Schauspieler für solch einen überzogenen Quatsch hergeben konnten, ist mir ein Rätsel. Vielleicht bin ich mit 58 Jahren auch schon zu alt geworden...
Ich staune aber über die Kritiken...ich stehe wohl alleine mit meiner Meinung da ?!

Mit freundlichen Grüßen

Marco Reimann, Berlin-Schöneberg

Alexander · 28.09.2023

Nein Marco, mir ging es genauso. Nur habe ich bis zum Ende durchgehalten. Aber ich und mein Begleiter (beide 55) haben uns auch gefragt ob das eine geriatrische Veranstaltung ist: in unserem Programmkino waren wir die Jüngsten und es wurde teilweise laut gelacht. Aber ich fands gruselig schlecht und muss der Presseabteilung ein großes Lob aussprechen - denn die Rezensionen sind fast ausnahmslos bombig!