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Craig Boreham schildert in „Lonesome“ die Erlebnisse eines schwulen jungen Mannes aus der Provinz in der Hauptstadt von New South Wales.

Lonesome (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein Cowboy Down Under

Mit modernen Klassikern wie „The Getting of Wisdom“ (1977) von Bruce Beresford, „Priscilla – Königin der Wüste“ (1994) von Stephan Elliott und „Head On“ (1998) von Ana Kokkinos sowie neueren Werken wie „Holding the Man“ (2015) von Neil Armfield hat Australien schon diverse starke Beiträge zum queeren Kino geleistet. Auch der Drehbuchautor und Regisseur Craig Boreham ist hier eine bemerkenswerte Stimme. In seinem ersten Langfilm „Teenage Kicks“ (2016) erzählte er von einem 17-jährigen Surfer auf Identitätssuche.

Viele Themen, die in dem Coming-of-Age-Film verhandelt wurden, finden sich nun auch in Borehams neuer Arbeit Lonesome. Wie der jugendliche Held aus Teenage Kicks hat auch der um wenige Jahre ältere Casey (Josh Lavery) mit familiären Konflikten zu kämpfen – weshalb er wiederum gleich zu Beginn seine provinzielle Heimat hinter sich lässt, um in die Metropole Sydney zu trampen.

„Are you a real cowboy?“, wird er auf einer privaten Hausparty gefragt, auf die er sich heimlich geschlichen hat, um dort kostenlos etwas essen zu können. Mit seinem Hut, seinem strahlend weißen T-Shirt und seiner Blue Jeans gemahnt der wortkarge, durchtrainierte Casey jedoch eher an die Hollywood-Western- und Reklame-Version statt an einen „echten“ Cowboy.

Via Grindr lernt Casey schließlich den Hipster Tib (Daniel Gabriel) kennen, der durch seinen Nebenjob als Homesitter gerade in einem schicken Apartment wohnt. Aus der zunächst in erster Linie sexuellen Verbindung wird langsam auch eine emotionale. Die beiden jobben gemeinsam als Poolreiniger und verbringen ihre Freizeit miteinander – bis Eifersucht und alte Wunden das noch recht frische Glück zu zerstören drohen.

Dramaturgisch bewegt sich Lonesome weitgehend auf bekannten Pfaden. Beachtlich ist indes, dass der Film deutlich sexpositiver ist als frühere Werke über junge Menschen, die erste sexuelle Erfahrungen sammeln und einen promiskuitiven Lebensstil wählen. Wie der Titel durchblicken lässt, ist Casey – ebenso wie einige andere Personen, denen er im Laufe der Handlung begegnet – einsam. Der Sex mit wechselnden Partnern wird dabei aber nicht als primärer Ausdruck oder gar Ursache dieses Zustands dargestellt; er ist einfach ein Teil des Alltags von Casey. Die Inszenierung der erotischen Passagen ist explizit, jedoch nie selbstzweckhaft.

„I have always depended on the kindness of strangers“, lautet einer der berühmten Sätze aus Tennessee Williams’ Drama Endstation Sehnsucht (1947). Dieser Spruch passt auch sehr gut zu Caseys aktueller Situation. Boreham zeigt die Schattenseiten eines Daseins ohne soziales Netz aus Verwandten und Freund:innen, das den Protagonisten auffangen könnte. Immer wieder ist Casey auf Fremde angewiesen, um zum Beispiel mal wieder duschen zu können oder eine warme Mahlzeit zu erhalten. In den Begegnungen kommt es zuweilen zu überraschend intensiven Momenten und Gesprächen – etwa mit der traurig wirkenden Carol (Anni Finsterer), in deren Garten Casey und Tib arbeiten, oder mit dem anfangs bedrohlich erscheinenden Pietro (Ian Roberts), durch den Casey mit der BDSM-Szene in Berührung kommt.

Was Lonesome überdies auszeichnet, ist die klare Verankerung der Story in Sydney. Während Los Angeles, New York City, Paris oder Berlin ziemlich häufig als Schauplätze solcher Geschichten dienen, machen Boreham und sein Kameramann Dean Francis die Straßen und Strände, die Clubs und Wohnungen in Sydney zu einer spannenden, facettenreichen Kulisse.

Lonesome (2022)

Casey, ein junger Mann vom Land, der vor einem Kleinstadtskandal davonläuft, findet sich im großen Tumult von Sydney wieder. Als er Tib trifft, einen jungen Stadtburschen, der mit seinen eigenen Narben der Isolation zu kämpfen hat, stimmt die Chemie sofort und das nicht nur sexuell, sondern auch emotional. In ihrer intimen Bindung finden die beiden unnahbaren jungen Männer plötzlich etwas, von dem sie bislang gar nicht wussten, dass es ihnen gefehlt hat. Doch wie geht man mit Intimität und Gefühlen um, die man bislang nicht zugelassen hat? Können Casey und Tib ihre eigenen Unsicherheiten überwinden und sich vollkommen auf den Anderen einlassen oder sind die Mauern, die sie um sich selbst errichtet haben, zu stark, um sie niederzureißen? (Quelle: Cinemien)

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