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In seiner Romanverfilmung „So Damn Easy Going“ lässt uns Christoffer Sandler die Perspektive einer Schülerin mit ADHS einnehmen.

So Damn Easy Going (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Blitze im Kopf, Schmetterlinge im Bauch

Persönliche Entwicklung, Coming of Age – das bedeutet stets auch Chaos. Inneres und äußeres. Filme zu diesem Thema müssen einen Weg finden, von diesem Zustand auf audiovisueller Ebene zu erzählen. In der schwedisch-norwegischen Co-Produktion „So Damn Easy Going“ vermittelt der 1986 geborene Regisseur Christoffer Sandler auf Basis des 2016 erschienenen Jugendromans I‘m Just So-o Easy Going von Jenny Jägerfeld die Wahrnehmung der jugendlichen Protagonistin Joanna (Nikki Hanseblad) unter anderem durch schnelle Schnitte, die uns unversehens in die nächste Szene werfen.

Joanna hat eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung, kurz ADHS. „In meinem Hirn blitzt es“, versucht sie an einer Stelle ihre Verfassung zu beschreiben, als es darum geht, in der Apotheke neue Tabletten zu bekommen, die ihr wegen noch unbezahlter Rechnungen verweigert werden. Ohne ungelenke Erklär-Dialoge gelingt es Sandler, Joannas Situation nachvollziehbar zu schildern. Ihre Mutter ist verstorben, ihr Vater (Shanti Roney) seither arbeitslos und depressiv. Um an Geld zu gelangen, muss sich Joanna alsbald etwas einfallen lassen. Sie vertickt Kondome in der Schule, bietet der Pfandleihe (erfolglos) ein Paar Ski und einen Entsafter aus der Abstellkammer an – und gerät letztlich gar in einen Drogendeal.

So Damn Easy Going stellt die prekäre Lage von Joanna und deren Vater nicht aus und wird nie zu einem finsteren Sozialdrama. Vielmehr zeigt der Film glaubhaft, wie sehr die finanziellen Probleme die Heldin der Geschichte belasten und sie im Alltag zur Außenseiterin machen – da Joanna sich immer wieder mit Momenten konfrontiert sieht, in denen sie nach Ausflüchten suchen muss. Die kreative Montage wiederum ermöglicht es uns, Joannas Erfahrung nachzufühlen: Im Hallenbad hüpft sie heimlich über die Eingangsschleuse (um kostenlos hineinzukommen) – und landet, zack, direkt im Wasser, ohne den üblichen Szenenübergang. Das Eintauchen ins Becken wird auch in späteren Szenen zu einer Methode für Joanna, dem Lärm der Wirklichkeit (sowie der Unruhe in ihr selbst) zu entfliehen.

Und dann ist da plötzlich Audrey (Melina Paukkonen), die neu an der Schule ist und mit der Joanna im Deutschkurs in einer Gruppenarbeit Konversation treiben muss. Audrey ist selbstbewusst und aufmerksam – sie begreift schnell, dass Joanna aus Selbstschutz niemanden an sich heranlässt. Aber so leicht gibt sie nicht auf. Deshalb werden gemeinsame „Rauchpausen“ eingelegt, obwohl keine der beiden raucht. Und deshalb gibt es eine wundervolle Date- und Partysequenz in strahlenden Farben, in der das Lied Dance Again der schwedischen Synthiepop-Band Kite zu hören ist: „If there’s a chance for me and my heart / Then I will give it all that I’ve got.“

Der Film traut sich, Joanna durchaus auch rücksichtslos und wenig sensibel gegenüber einigen ihrer Mitmenschen darzustellen. So ignoriert sie wiederholt die Bemühungen einer freundlichen Mitschülerin, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Sie lässt den ziemlich verpeilten Matheus (Emil Algpeus), mit dem sie zunächst hin und wieder unverbindlichen Sex hat, mit harschen Worten abblitzen, als dieser mehr Zeit mit ihr verbringen möchte. Es wird deutlich, dass sich Joanna Höflichkeit und Freundlichkeit bei all dem Durcheinander nicht immer leisten kann – aber dass sie bei Audrey einen Safe Space entdeckt, der die Kopf-Blitze angenehm herunterdimmt und stattdessen alles Schöne mehr zum Leuchten bringt.

So Damn Easy Going (2022)

In Joanas Kopf dreht eine Achtbahnfahrt wilde Loopings, alles ist ständig in Bewegung. Medizinisch gesagt: Sie hat ADHS. Kurzfristig helfen unverbindlicher Sex mit ihrem Mitschüler Matheus, Schwimmen im Pool und vor allem ihre Medikamente. Doch als die ausgehen und ihr arbeitsloser Vater auch nicht helfen kann, muss Joana kreativ werden, um selbst an Geld zu kommen. Mitten im Chaos steht plötzlich eine neue Klassenkameradin vor ihr, die coole und selbstbewusste Audrey. Und Joana hat nicht mehr nur blitzende Gedanken, sondern auch ein wild pochendes Herz. (Quelle: Salzgeber)

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