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Der erste Film nach seinem Ohrfeigenskandal bei der Oscar-Verleihung 2022 zeigt Will Smith als resilienten Sklaven, der durch die Sümpfe Louisianas flieht. Mit seinem existenzialistischen Look gaukelt das leidlich spannende historische Actiondrama eine Tiefe vor, die es nur selten erreicht.

Emancipation (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Für Freiheit und Familie

Unter Tränen bemühte sich der mit einem Academy Award als bester Hauptdarsteller ausgezeichnete Will Smith in seiner Dankesrede bei der Oscar-Verleihung 2022, Worte für sein Fehlverhalten an diesem Abend zu finden. Nur wenige Momente vor seinem Triumph hatte der US-Schauspieler dem als Laudator eingesetzten Komiker Chris Rock nach einem geschmacklosen Witz über seine Ehefrau Jada Pinkett Smith auf offener Bühne eine schallende Ohrfeige verpasst und damit für allerhand Verwunderung gesorgt. Gott habe ihm auferlegt, alle jene Menschen bedingungslos zu schützen, die ihm lieb und teuer seien, brachte der Preisträger am Mikrofon mit einer ordentlichen Portion Sendungsbewusstsein heraus.

Erstaunliche Parallelen zu diesem irritierenden Auftritt weist gleich der erste Film auf, der nach dem Skandal das Licht der Welt erblickt. Zu sehen ist Will Smith in der Apple-Veröffentlichung Emancipation als unbeugsamer Sklave, der, wie der Mime selbst, auf den Segen des Herrn vertraut und nichts auf seine Familie kommen lassen will. Kondensiert wird seine grimmige Entschlossenheit in einem verbissenen Gesichtsausdruck, den der Darsteller im Verlauf der mehr als zweistündigen Laufzeit immer wieder aufsetzt.

Hinter dem von Antoine Fuqua (The Guilty) inszenierten und von Smith mitproduzierten historischen Actiondrama steht die Geschichte eines afroamerikanischen Sklaven namens Gordon, der auch als Whipped Peter Bekanntheit erlangte. Ein Foto seines von Peitschenhieben zerschundenen Rückens, das zunächst als Holzschnitt im Politmagazin Harper’s Weekly erschien, schlug während des US-Bürgerkriegs hohe Wellen und diente der abolitionistischen Bewegung als handfester Beleg für die Grausamkeit der Sklaverei. 

Emancipation beginnt mit dem Hinweis auf Abraham Lincolns Proklamation aus dem Jahr 1863, wonach alle Leibeigenen in den rebellierenden Südstaaten freie Menschen sind. Die allein in Louisiana zu diesem Zeitpunkt rund 350.000 Sklav*innen stehen laut Texttafel damit vor einer schwierigen Entscheidung: In Gefangenschaft bleiben und auf die Rettung durch die Unionstruppen warten? Oder sich eigenhändig aus der Knechtschaft lösen? Letztere Option wählt der von Smith gespielte Peter, nachdem er von seiner Frau Dodienne (Charmaine Bingwa) und seinen Kindern getrennt und auf eine Eisenbahnbaustelle verfrachtet wurde. Mit einigen Leidensgenossen schlägt er sich bei einer günstigen Gelegenheit in die Sümpfe und versucht, seinen von Jim Fassel (Ben Foster) angeführten Verfolgern zu entkommen. 

Peter ist seine Familie heilig. Das begreifen wir schon, als er von seinen Liebsten weggezerrt wird und sich dabei so sehr wehrt, dass der Türrahmen, an dem er sich festklammert, zerbirst. Die Stimme erhebt er auch, wenn andere Sklaven misshandelt werden. Sogar auf die Gefahr hin, selbst brutale Züchtigung zu erfahren. Die Hauptfigur ist schwer gebeutelt, lässt sich aber keineswegs brechen – so vermitteln es uns die Einstiegsszenen und die anschließende Flucht. Unnötig, seine Resilienz explizit herauszustreichen, wie es ein ums andere Mal geschieht. 

Als Survival-Thriller mit Actioneinfärbung liefert der Film solide ab, lässt die urwüchsige Sumpflandschaft nicht zu einer bloßen Kulisse verkommen, gibt sich mit seiner Beinahe-Schwarzweiß-Ästhetik einen existenzialistischen Anstrich und hat in Will Smith einen fraglos engagierten Hauptdarsteller. Eine Wucht, wie sie der manchmal sicher übermotivierte Western The Revenant – Der Rückkehrer entfaltet, stellt sich in diesem Fall jedoch nicht ein. 

Verglichen mit anderen Sklaverei-Arbeiten der jüngeren Vergangenheit – genannt seien etwa das preisgekrönte Drama 12 Years a Slave und die Serie The Underground Railroad – bleibt Emancipation eher oberflächlich und reproduziert bekannte Motive und Bilder über das Unrechtssystem, anstatt nach besonderen Erkenntnissen oder Perspektiven zu suchen. Der gelegentliche Blick auf die Plantage zu Peters Frau und seinen Kindern wirkt allzu flüchtig, reißt die Figuren lediglich an. Ähnlich verhält es sich mit seinem Widersacher, dem Ben Foster zwar eine bedrohliche Aura verleiht, der letztlich aber zu stereotyp gerät, um nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Dass eine solche Person reizvoll ambivalent gezeichnet werden kann, beweist der in The Underground Railroad auftauchende, von Joel Edgerton verkörperte Kopfgeldjäger. Lediglich an einer Stelle scheint in Emancipation mehr durch als der typische Bösewicht. Dann nämlich, als Fassel, sein Aufwachsen schildernd, in einer ruhigen Minute am Lagerfeuer erklärt, dass er Schwarze nicht für dumme Tiere halte, sondern im Gegenteil ihre Zähigkeit und ihren Scharfsinn fürchte. 

So sehr man die kreativ Verantwortlichen dafür loben möchte, das Grauen der Sklaverei aufzuarbeiten und die Geschichte hinter einem aufsehenerregenden Foto zu ergründen, so wenig kann man über die Schwächen des Films hinwegsehen. Vor allem die letzte halbe Stunde fühlt sich verknappt an und schielt zu sehr auf den melodramatischen Effekt. Trotz krachender Schlachtszenen drängt sich hier die mit Pathos versetzte Hollywood-Logik in den Vordergrund, was dem Überlebenskampf ein Stück seiner rauen Kraft nimmt.

Emancipation (2022)

Die Handlung des Films beruht auf der wahren Geschichte eines geflohenen Sklaven, der in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts einer Baumwollplantage in Louisiana entkam und im Bürgerkrieg aufseiten der Nordstaaten gegen die Sklavenhalterstaaten kämpfen sollte. 

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