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Ein ehemaliger Popstar wagt einen Neubeginn – an der Seite eines autistischen jungen Schlagzeugers. Was nach Hollywood-Kitsch mit Oscar-Aussichten klingt, stammt aus England. Regisseur Eddie Sternberg schickt Ed Skrein durch den kühlen Londoner Herbst.

I Used to Be Famous (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Soundtrack für verregnete Stunden

Die Tage werden kürzer und ungemütlicher. Da kommt Eddie Sternberg Langfilmdebüt gerade gelegen. Im vergangenen Herbst in London gedreht, sieht das Wetter in „I Used to Be Famous“ zwar nicht ganz so nasskalt wie das deutsche Wetter zum Zeitpunkt des Netflix-Starts aus, aber ähnlich frisch. Ohne Jacke geht im Film keiner vor die Tür. Gut, dass Sternbergs Story das Herz erwärmt.

 

Der Filmtitel beschreibt das Leben des Musikers Vince, könnte aber genauso gut für dessen Darsteller Ed Skrein stehen. „Was treibt der mittlerweile?“, dürften sich nicht wenige verwundert fragen. Die Rolle des Daario Naharis in der dritten Staffel der Fantasyserie Game of Thrones machte den 1983 in London geborenen Schauspieler weltbekannt. Die britische Filmzeitschrift Screen International kürte ihn daraufhin gar zu einem ihrer „Stars of Tomorrow“. Bereits zum Ende der Staffel stiegt Skrein jedoch wieder aus und war seither nur noch in Nebenrollen und wenigen Hauptrollen wie im Totalausfall The Transporter Refueled (2015) zu sehen.

Die Rolle eines abgehalfterten Musikers, der an seinem Comeback arbeitet, dürfte dem Hauptdarsteller also zusagen. Vergleichbar ist sie trotzdem nur ansatzweise. Skrein ist bis heute ordentlich im Geschäft. So weg vom Fenster wie das ehemalige Boyband-Mitglied Vince war der Schauspieler nie. Vince benötigt schon ein Fernglas, um die Musikbranche, die ihn einst durchkaute und achtlos wieder ausspuckte, überhaupt noch im Blick zu haben. Dank eines Zufalls klopft Vince dann aber doch wieder bei den Plattenbossen an die Scheibe.

Dieser Zufall heißt Stevie (Leo Long) und ist ein 18-jähriger Schlagzeuger mit Autismus und Riesentalent. Ein Video von Stevie, der Vince beim Proben auf der Straße spontan mit seinen Drumsticks begleitet, geht viral. Und bringt Vince im Verbund mit dem Jungen endlich den langersehnten Gig in einem Pub ein, den er als Solokünstler nicht ergattern konnte. Der Name der Band kommt spontan zustande, passt aber zu Stevies Spiel. Weil er auf der Straße gegen einen metallenen Müllkorb und eine metallene Sitzbank trommelte und nun auch auf der Bühne jede Menge Blech einsetzt, nennen sich Stevie und Vince The Tin Men.

So zauberhaft wie im Zauberer von Oz (1939) geht es in Sternbergs Film zwar nicht zu, aber auch seine zwei „Zinnmänner“ müssen sich ein Herz fassen, viel Herz zeigen. Schließlich muss Stevies Mutter Amber (Eleanor Matsuura) davon überzeugt werden, dass die Idee, dass ein fast 40-jähriger ehemaliger Popstar mit einem gerade erst erwachsen gewordenen Autisten eine Musikgruppe formt (und die übrigens auf Sternbergs gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2015 zurückgeht), gar nicht so doof ist, wie zunächst angenommen.

Das Schöne an I Used to Be Famous ist, dass das das Drehbuch aus der Feder von Sternberg und Co-Autor Zak Klein viele der üblichen Tropen vermeidet. Skreins Vince ist kein Trinker und auch sonst keiner Droge zugetan. Mit all den negativen Begleiterscheinungen des Ruhms hatte sein Absturz nichts zu tun. Er ist schlicht und einfach ein mittelmäßig begabter Musiker, der stur am Musikmachen festhält, auch wenn das Business und die Welt davon nichts wissen wollen. Leo Longs Stevie ist kein autistischer Wunderknabe à la Rainman (1988), der schamlos ausgenutzt wird, sondern schlicht und einfach ein talentierter Schlagzeuger, den Vince als Musiker, Kollegen und Menschen ernst nimmt. Und Eleanor Matsuuras Amber ist keine hilflose Mutter, die nur auf den einstigen Popstar als Retter gewartet hat. Eine Romanze mit Vince dichten Sternberg und Klein ihr zum Glück nicht an.

Um Liebe geht es trotzdem in diesem Film; um die Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn, um die (platonische) Liebe eines älteren Mannes zu einem jüngeren Mann, die viel mit der Vergangenheit des älteren Mannes zu tun hat und um die Liebe aller zur Musik. Dass Ed Skrein nicht nur Schauspieler, sondern auch Rapper ist, kommt dem Film zugute. Man nimmt ihm den Musiker jederzeit ab. An seiner Seite steht mit dem Debütanten Leo Long ebenfalls ein Musiker, der zudem durch sein verschmitztes Spiel zu überzeugen weiß.

Große Überraschungen hat diese musikalische Buddy-Dramödie nicht auf Lager, dafür ganz am Ende eine große, selbstlose und sehr schöne Geste – und natürlich jede Menge gute Musik. Kein schlechter Soundtrack für verregnete Tage.

 

I Used to Be Famous (2022)

Vince war mal Mitglied in der heißesten Boyband. Jetzt ist der ehemalige Popstar in Schwierigkeiten, einsam und verzweifelt. Er träumt von einem Comeback und beginnt in der Hoffnung, dass irgendjemand zuhört, in den Straßen von Peckham zu spielen. Eine spontane Jamsession mit Stevie, einem autistischen jungen Schlagzeuger mit einem unglaublichen Talent für Rhythmus, führt zu einer unerwarteten Freundschaft zwischen den zwei missverstandenen Musikern. Durch die Kraft der Musik entsteht zwischen den beiden eine einzigartige Verbindung.

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