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In „Burning Days“ entwirft Emin Alper in einem türkischen Dorf mit vielen Suspense-Elementen eine Atmosphäre des permanenten Misstrauens.

Burning Days (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Was geschah in der Nacht?

In seiner dritten Regie- und Drehbucharbeit „Eine Geschichte von drei Schwestern“ befasste sich der türkische Filmemacher Emin Alper, Jahrgang 1974, mit familiären Problemen in einem abgelegenen Bergdorf in Anatolien. Nun folgt Alpers nächster Kinofilm „Burning Days“, der in der Provinz Yanıklar angesiedelt ist und sich in finstere Krimi- und Thriller-Gefilde begibt.

Wir lernen den Ort aus der Außenseiterperspektive des kürzlich aus Ankara angereisten jungen Staatsanwalts Emre (Selahattin Pasalı) kennen. Dieser beobachtet nicht nur mit großer Sorge die Sinklöcher in der Umgebung, die durch das Absenken des Grundwassers entstanden sind, sondern reagiert auch sehr streng und verärgert, als eine johlende Masse ein Wildschwein durch die Wohngegend jagt und dabei völlig enthemmt Schüsse in die Luft abgefeuert werden.

Als Şahin (Erol Babaoğlu), der ebenfalls als Anwalt tätige Sohn des amtierenden Bürgermeisters, und der örtliche Zahnarzt Kemal (Erdem Şenocak) in Emres Büro erscheinen, um über jene Angelegenheit zu sprechen, werden auf oberflächlicher Ebene, mit einem Lächeln auf den Lippen Floskeln der Höflichkeit ausgetauscht. Der Vorfall sei ja „kein Grund zum Drama“, meinen die beiden Männer beschwichtigend zu dem Neuling, der allerdings betont ruhig und gefasst seine Bedenken vorträgt und damit spürbar für Irritation sorgt.

Von dem Lokaljournalisten Murat (Ekin Koç) erfährt Emre, dass sein Vorgänger eine vorzeitige Versetzung beantragt habe – aufgrund der Überzeugung, man wolle ihn hier vergiften. „Es gibt viel Feindschaft“, heißt es. In Emres Wohnung wurde derweil gerade Gift ausgelegt – angeblich, um die Ratten zu bekämpfen. Solche Andeutungen bewirken im Laufe des Plots immer wieder extremes Unbehagen. Schwebt Emre in Gefahr? Wer meint es gut, wer meint es böse mit ihm? Und ist Emre selbst ein so idealistischer Mensch, wie er vorgibt zu sein?

Als Emre zum Abendessen im Garten des Bürgermeisters (Nizam Namidar) eingeladen wird und Şahin ihm dort Rakı-Schnaps anbietet, lässt er sich widerwillig auf die (vermeintliche) Gastfreundschaft ein. Doch am nächsten Morgen kann sich Emre an nichts mehr erinnern. Was ist passiert? Als bei der Polizei ein Verbrechen gemeldet wird, geraten die Dinge mehr und mehr außer Kontrolle.

Alper schafft es, viele eindrückliche Suspense-Momente zu erzeugen, die sowohl an den Film noir der 1950er und 60er Jahre als auch an das Paranoia-Kino der 1970er Jahre denken lassen. Die ambivalent gezeichneten Figuren, die stets Zweifel erwecken, ob ihnen wirklich zu trauen ist, und die von Korruption geprägten Strukturen innerhalb des dörflichen Kosmos, der nach seinen ganz eigenen Regeln funktioniert, erinnern an Werke wie Orson Welles’ Im Zeichen des Bösen (1958). Im Zentrum der Ereignisse überzeugt Hauptdarsteller Selahattin Pasalı als irrlichternder Held.

Die Bilder, die der Regisseur zusammen mit seinem Kameramann Christos Karamanis findet, sind überaus atmosphärisch – etwa die Aufnahmen des tiefen Kraters in der weiten Landschaft oder die Passagen in der oft klaustrophobisch anmutenden Wohnung, in der sich der Protagonist zunehmend unsicher fühlt. Burning Days kehrt wiederholt zu der fragwürdigen Nacht auf dem Anwesen des Bürgermeisters zurück, lässt kurze Eindrücke der Geschehnisse aufblitzen und uns rätseln, was davon wohl der Wahrheit entspricht.

Ekin Koç fungiert als undurchsichtiger, möglicherweise hilfsbereiter, vielleicht aber auch eigennützig handelnder Reporter Murat gewissermaßen als Homme fatal. Zwischen Emre und Murat besteht eine starke erotische Anziehung, die für den jungen Juristen in der aggressiv-konservativen Gegend bald zum Verhängnis wird. Bis zum Schluss hält der Film seine Spannung – und führt uns in die Dunkelheit.

Burning Days (2022)

Emre, ein junger und engagierter Staatsanwalt, wird neu in eine Kleinstadt berufen, die stark von einer Wasserkrise und politischen Skandalen betroffen ist. Die Stadt Yaniklar empfängt den jungen Mann zunächst herzlich, doch nach und nach wird klar, dass hinter dieser Herzlichkeit politisches Kalkül steckt. Der junge Staatsanwalt kämpft stark dagegen an, nicht zur Marionette im Intrigen-Spiel der politischen Machthaber der Stadt zu werden. Doch als Emre während der Ermittlungen in seinem ersten Kriminalfall plötzlich selbst zum Hauptverdächtigen wird, überschlagen sich die Ereignisse…

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