Drop Out - Nippelsuse schlägt zurück (1997)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Durchs Leben geschnüffelt

Wiederaufführung und Wiederentdeckung: Eine Slackerin gibt sich als Privatdetektivin aus, gerät in allerhand Schlamassel und tritt der Männlichkeit wiederholt in die Eier. Ein irrer Film um eine, die schon immer ausgestiegen ist, ausgeworfen von der Gesellschaft, die sich selbst rausgeschmissen hat aus ihrem Leben: Marion Niplowski ist ihr Name, was schon schlimm genug ist. Allerdings hat sie auch noch ihren Freund verlassen, ein Pseudo-Maler und Real-Alkoholiker. Jetzt nistet sie sich in einer Bude ein und gibt sich als Privatdetektivin aus. Und sie erzählt dies alles uns, also ihrer Videokamera, um zu beweisen, dass sie den Mord an Ann-Katrin nicht begangen hat, und dass sie nicht verrückt ist.

Drop Out ist eine irre Komödie, wie sie nur in den 90ern entstehen konnte, die eintaucht in den Club-Underground von Hamburg. Die das Rumhängen und die Suche nach Hedonismus feiert. Die von Drogen und Freiheit erzählt und von dem Geld, das man dazu benötigt, aber nicht hat. Drop Out ist eine Wiederaufführung, den der Verleih Drop-Out jetzt wieder ins Kino bringt.

Drop-Out ist der Verleih des Abseitigen, der Genre-Arbeiten aus aller Welt auf die Leinwand bringt. Angetrieben von der Leidenschaft, ist er genossenschaftlich organisiert. Die Gesellschafter sind Filmfans aller Couleur, die Aktuelles und Historisches sehen wollen, das ins Kino gehört und das sonst niemand ins Kino bringen will. Ein Thriller-Animationsfilm über einen Kunstraub wie Ruben Brandt ist ebenso im Repertoire wie die Splatterkomödie Ach du Scheiße!, der japanische Meta-Zombieknaller One Cut of the Dead, der intensive sowjetische Antikriegsfilm Komm und sieh oder die Alejandro-Jodorowsky-Visionen Der heilige Berg und El Topo.

Deren Kultpotential kann Beatrice Manowski 90s-Schrägheit Drop Out sicher nicht erreichen. Einen wichtigen Einblick ins Kinoschaffen vor 25 Jahren bietet der Film allemal – zu all den unterhaltsamen Abenteuern, die die Protagonistin erleiden muss. Das deutsche Kino der 90er war geprägt von der (zurecht) viel gescholtenen Neuen Deutschen Komödie-Welle: Stichwort Sönke Wortmann, Stichwort Detlev Buck, die das Doris-Dörrie-Männer-Rezept aus den 80ern in die hip-hedonistischen 90er übersetzten; allerdings mit allzu geleckt feinen Bildern, mit grell lustigem Humor und urban-modernen Figuren, denen allen die Originalität abging. Drop Out stellt sich bewusst dagegen.

Regisseurin Manowski freilich ist Veteranin des Undergroundkinos; hat bei Jörg Buttgereits Nekromantik-Filmen als Hauptdarstellerin mitgewirkt. Ihr Regiedebüt ist wild und ungelenk, energiegeladen und witzig; der Film fügt sich ein in die Linie von Oskar Roehlers Silvester Countdown und Tom Tykwers Überflieger-Film Lola rennt. Es geht um Dynamik und um das Unperfekte, das so flott daherkommt, dass es neu und originell wird.

Die Hauptfigur, diese Marion Niplowksi, erzählt den Film aus ihrer Sicht, so wie im Film Noir oder Hardboiled-Kriminalroman der 1930er: „Es war einer dieser endlos grauen Tage, die die Nacht sonnig erscheinen lassen…“ – der Film spielt mit den Klischees des Krimis und des Atmosphärenthrillers. Einmal fällt Niplowski ein Raymond Chandler-Buch aus der Manteltasche. Das bringt sie auf die Idee, sich als Detektivin auszugeben, um ihre Bude zu behalten. Mit ungeahnten Konsequenzen: Tatsächlich gibt es Kunden und Aufträge!

Als Dilettantin ohne Begeisterung beschattet sie eine junge Frau. Später einen Ehemann. Das alles erzählt sie sprunghaft und chaotisch, was dem ganzen Film die Aura eines faszinierenden Durcheinanders verleiht – nichts ist, wie es scheint. Nach einer lesbischen Orgie ist Marions Zielobjekt tot. Sie selbst rennt nackt mit Umschnalldildo durch die Stadt, sucht sich einen DJ als Liebesobjekt, vermeidet den schmierig-alerten Clubbesitzer, bekommt es mit einem chauvinistischen Macho-Polizisten zu tun. Und will ja eigentlich vor allem in Ruhe gelassen werden.

Wenn sie nachdenkt, zwirbelt sie sich die Brustwarze; das hat ihr in der Schule schon den Spitznamen „Nippelsuse“ verschafft. So erzählt sie es dem Polizisten. Vielleicht ist das aber auch nur Koketterie, um seiner ausgestellten Männlichkeit etwas entgegenzusetzen. Ihr Durchwurschteln ist das Slackertum der 90er, ihre vergebliche Suche nach Glück ohne Konsequenzen der Hedonismus der 90er – wie sie aber den sexistischen Arschlöchern auf die Eier geht bzw. in die Eier tritt, das ist ganz heutig.

 

Drop Out - Nippelsuse schlägt zurück (1997)

Marion Niplowski, genannt Nippelsuse trennt sich von ihrem Freund, einem erfolglosen Maler und erfolgreichen Rumhänger. Mitten im Winter steht sie plötzlich ohne Dach überm Kopf auf der Straße. Als Sängerin glücklos, mietet sie sich einen billigen Büroraum. Weil ihr kein anderes Gewerbe einfällt, behauptet sie, Privatdetektivin zu sein… (Quelle: Cinema Obscure)

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