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Einerseits hintergründiges Porträt des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern, andererseits spektakulärer Naturfilm: Regisseur Jörg Adolph geht in „Vogelperspektiven“ neue inszenatorische Wege. 

Vogelperspektiven (2022)

Eine Filmkritik von Florian Koch

Von Trottellummen und Menschen

Die majestätische Ruhe, mit der dieser Greifvogel in der Luft liegt. Sie fällt, neben seinem stets nach Beute ausschauenden, starren Blick, gleich zu Beginn auf. Aber erst, wenn das Teleobjektiv immer näher zoomt, kommen die Details, die den Rotmilan ausmachen, ans Licht: der stark gegabelte Schwanz, die markanten weißen Flügelfelder, die tief gefingerten schwarzen Handschwingen.  

„Der Zauber, der in diesem Anfang liegt, ist die Schönheit der Vögel“, heißt es dazu, in Anlehnung an Hermann Hesse, aus dem Off. Der Satz stammt von Arnulf Conradi, Gründer des Berlin Verlages, der seine Passion als Vogelbeobachter in seinem Buch „Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung“ poetisch zum Ausdruck brachte. Die ornithologische Schaulust ist aber nur der eine, der kleinere Teil des bemerkenswerten Films „Vogelperspektiven“. 

Sein Regisseur Jörg Adolph, dem zuletzt mit Das geheime Leben der Bäume über die Arbeit des Försters Peter Wohlleben mit 300.000 Zuschauer*innen ein Überraschungserfolg gelang, will hier mehr als nur gefällig, in ästhetischer Superzeitlupe, für die heimische Artenvielfalt werben. Vielmehr beschäftigt ihn die Arbeit des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern (kurz LBV), eine NGO, die gebetsmühlenartig darauf hinweist, dass Deutschland in den letzten 60 Jahren fast die Hälfte seiner Vögel verloren hat. LBV-Vorsitzender ist der promovierte Ornithologe Norbert Schäffer, der dem Naturschützer-Klischee des hochemotionalen, dauerbesorgten Mahners aber so gar nicht entspricht. 

Auf den ersten Blick ausgestattet mit dem Charme eines Olaf Scholz, ist es gerade Schäffers anfangs etwas spröde Beharrlichkeit, sein stetes, undogmatisches Bemühen um Konfliktlösung, um Kompromiss, die ihn für sich einnehmen lässt. In einer wunderbaren Sequenz gelingt es Adolph sogar diesen, seinen Hauptprotagonisten an Hand des Filmsujets zu charakterisieren. 

Da macht sich doch mitten in der Nacht ein sichtlich beglückter Norbert Schäffer auf, um auf einem abgelegenen Feld seinen Lieblingsvogel, den seltenen Wachtelkönig, zu fangen und zu beringen. Ein Schauspiel mit durchaus komischen Elementen, das zwei „Vögel“ bei einer eigenwilligen menschlich/tierischen Balz zeigt, die auf den ersten Blick vielleicht ganz unscheinbar daherkommen, aber bei genauerer Betrachtung etwas ganz eigenes, Markantes aufweisen.  

Adolph und sein Kameramann Daniel Schönauer durften in zwei Jahren Arbeit — das bayerische Volksbegehen zum Artenschutz und die bisher erzielten Resultate bilden den Rahmen — Schäffer und sein Team an 80 Drehtagen dabei begleiten, wie sie sich rund um die Uhr für die ökologische Mission des LBV einsetzen: sei es, mühsam, dem bayerischen Ministerpräsidenten zu erklären, welche Bedeutung das Moor zur Kohlenstoffsenkung zukommt, oder, medienwirksamer, die Auswilderung zweier Bartgeier in den Alpen zu begleiten bzw. eine wissenschaftliche Erklärung dafür zu finden, warum die Große Hufeisennase kein Überträger für das Corona-Virus sein kann. Gelegentlich wirken diese Fallbeispiele etwas verknappt, nicht bis zum Ende auserzählt, zeigt sich, dass Adolph auf Spielfilmlänge wohl doch erheblich kürzen musste. 

Dennoch gelingt dem Film, gerade im Kontrast zum kontemplativen Naturteil, wenn der Kuckuck frech Eier vertauscht, der Wiedehopf seine Federhaube stolz präsentiert oder der Trottellummensprung auf Helgoland elektrisiert, die Vermittlung vieler handfester Denkanstöße in Richtung nachhaltiger Umgang mit der einheimischen Flora und Fauna. Das ewige Schreckgespenst des LBV, der „stumme Frühling“, ganz ohne Vogelgezwitscher, geistert nach Filmende allerdings deutlicher denn je vor dem Auge seines Betrachters.

Vogelperspektiven (2022)

Es ist höchste Zeit: in den letzten 60 Jahren hat Deutschland fast die Hälfte seiner Vögel verloren. Trotzdem ist für uns kein Tier so allgegenwärtig. Vögel sind enorm artenreich, überall zu finden, nicht zu überhören, viele auffallend und manche auffallend schön, sitzen sie in Hecken und Bäumen, auf Dächern und Balkonen. Doch während der Himmel für sie keine Grenzen hat, gibt es immer weniger Lebensraum für Vögel auf der Erde. Vögel sind ein wichtiger Indikator für die Klimakatastrophe und das Artensterben und zeigen uns eindeutig die Defizite in unserem Umgang mit der Natur. (Quelle: Filmperlen)

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Meinungen

Traute Falk · 09.06.2023

Mir waren zuviele Menschen und Gespräche im Vordergrund. Der ganze Schnitt des Films war unstrukturiert, der häufige Wechsel der Aktionsorte fand ich störend. Es ist kein wirkliches Eintauchen entstanden, weil ständig gesprungen wurde, schade.

hanno · 24.02.2023

Ich war sehr enttäuscht, das war eine Werbefilm vom Naturschutz Bayern und gehört eher ins BR3 Fernsehen anstatt ins Kino. Werde ich nicht weiterempfehlen.