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Im neuen Film von Paul Schrader spielt Joel Edgerton den Gärtner einer reichen Hausbesitzerin — und wird von seiner Vergangenheit allmählich eingeholt.

Master Gardener (2022)

Eine Filmkritik von Kai Hornburg

Die Sünden der Vergangenheit

Nach „First Reformed“ (2017) und „The Card Counter“ (2021) erscheint mit „Master Gardener“ (2022) nun der dritte Beitrag in Paul Schraders „Man in a Room“-Trilogie — und zwar direkt auf Blu-ray und DVD. Im Zentrum dieser Filme stehen Männer, deren Vergangenheit ihnen dicht auf den Fersen ist. Und die Frage, ob und wie sie die Sünden der Vergangenheit bewältigen können – ob es überhaupt je möglich ist, abzuschließen und neu anzufangen oder ob nicht bereits jedem Neuanfang der Schrecken von gestern anhaftet. 

Narvel Roth (Joel Edgerton) ist der Chefgärtner von Gracewood Gardens auf dem Anwesen der wohlhabenden Norma Haverhill (Sigourney Weaver). Eines Tages wird er von der Witwe beauftragt, deren verwaiste Großnichte Maya (Quintessa Swindell) auszubilden, damit diese das Anwesen in Zukunft übernehmen kann. Doch während sich Narvel und Maya langsam annähern, drohen sie die Schulden der Vergangenheit allmählich einzuholen.

Nach einem Priester (First Reformed) und einem Kartenzähler (The Card Counter) nun also ein Gärtner. Wieder ein Mann, den seine Vergangenheit beständig einzuholen droht. Wieder ein Mann allein mit sich und seinen Gedanken, das Notizheft vor sich aufgeschlagen. Trotz der ruhigen Körpersprache und den überlegten Gesten liegt etwas im Blick dieser Figur und im Spiel Joel Edgertons, dessen man als Zuschauer:in nicht sofort habhaft wird. Ein Ausdruck von … Traurigkeit? Verunsicherung? Scham? Wie schon die Protagonisten in Schraders vorherigen Filmen lastet auch auf Narvel eine komplizierte, traumatische Vergangenheit: Wenn er abends seine Kleidung ablegt, kommen flächendeckende Brust- und Rückentätowierungen zum Vorschein. Sie zeigen Hakenkreuze und Totenköpfe, bezeugen seine Vergangenheit als White Supremacist, der durch ein Zeugenschutzprogramm nun ein stilles, anonymes Gärtnerleben fristet, nachdem er ehemalige Kameraden an die Behörden verraten hat. 

Es ist ein einfaches Mittel Schraders, seinem Protagonisten auf diese Weise Tiefe zu verleihen. Es ist das Äquivalent zu den Körpernarben, die in schlechteren Filmen als Anlass genommen werden, die Hauptfigur mit glasigen Augen von ihrer Vergangenheit berichten zu lassen. Schrader tut das nicht. Narvel erzählt nie im Detail von den Verbrechen, die ihn bis in die Gegenwart verfolgen. Aber sie sind ihm trotzdem eingeschrieben und werden in seinem Habitus gegenwärtig. Nicht nur auf seiner Haut als Tattoos, sondern auch in seinem vorsichtigen Gang, seiner Verschwiegenheit, seinem wachsamen, gleichsam traurigen Blick.  

Wie die Blumen, die sich während der Opening Credits in Zeitraffer entfalten, entfaltet sich mit zunehmender Laufzeit auch die Vergangenheit des Protagonisten vor uns. Über kurze Rückblenden und Treffen mit dem FBI-Agenten Oscar Neruda (Esai Morales) erfahren wir von seinen Taten und den Ereignissen, die zur Anstellung bei Mrs. Haverhill geführt haben. Die Beziehung zu seiner Auftraggeberin ist kompliziert und schwankt bedrohlich zwischen missbräuchlicher Affäre und professioneller Distanz. Weaver spielt diese tyrannische, einsame Witwe wunderbar unausstehlich, aber nie karikaturesk. Mrs. Haverhill bleibt in ihrer Eifersucht und ihrer Angriffslust, ihren Fehlern und Komplexen stets menschlich nachvollziehbar.

In erster Linie folgt Master Gardener der simplen, aber wirkungsvollen Dynamik zwischen dem aufgeräumten, ruhigen Narvel und der jüngeren, chaotischen Maya, die sich bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen durch ihr buntes Shirt vom braungrünen Hintergrund des Gartens absetzt. Das Drehbuch verausgabt sich nicht in den üblichen Konflikten zwischen der jungen Rebellin und dem älteren Ausbilder, weil es nicht auf einfache Figurenschablonen, sondern komplexe, vielschichtige Charaktere setzt, dessen Hintergründe der Film über die Laufzeit behutsam entfaltet und seinem Publikum offenbart.

Schrader erzählt seine Geschichte in halblangen Einstellungen und mit wenigen Schnitten. Der Film erstarrt dabei weder zu kunstgewerblichem Zeitlupen-Kino noch eskaliert er in einer albernen Räuberpistole. Master Gardener ist immer auf seine Figuren fokussiert und ergründet, was sie bewegt und wie sie mit den Altlasten der Vergangenheit umzugehen versuchen. Es sind vor allem Figuren, die ihrer Vergangenheit, wohl eher aber sich selbst einfach nicht entfliehen können, die zurückfallen in alte Muster, alte Bewältigungsstrategien, sobald die Vergangenheit im Eiltempo aufzuschließen droht. 

„I used to be someone else. But now I’m your friend”, sagt Narvel zu Maya an einer Stelle des Filmes. Aus der zärtlichen Annäherung zwischen diesen beiden Figuren spricht die leise Hoffnung, dass wir uns verändern können. Dass wir nicht bloß das determinierte Ergebnis jener Umstände darstellen, in die wir geworfen sind, sondern selbst gestalten können, was aus uns wird. Der Garten dient in diesem Zusammenhang als Verbildlichung des Resozialisierungsgedankens. Er erfordert Muße, bedarf der dauerhaften Aufmerksamkeit und unermüdlichen Pflege und geht ein, sobald man sich nicht länger um ihn kümmert. In den Zyklen des Aufblühens und des Zerfalls findet Narvel zu einem stoischen Frieden mit sich und seiner Vergangenheit. Ein Frieden, der jeden Tag aufs Neue gewonnen werden muss.

Master Gardener (2022)

Narvel Roth kümmert sich als Gärtner der Gracewood Gardens mit viel Liebe um die Pflege des schönen und historischen Anwesens, das der wohlhabenden Witwe Mrs. Haverhill gehört. Als seine Arbeitgeberin ihm eines Tages ihre eigensinnige Großnichte Maya als Lehrling unterjubeln will, bricht Chaos in Narvels Leben aus und bringt dunkle Geheimnisse aus einer verborgenen, gewalttätigen Vergangenheit ans Licht, die sie alle bedrohen.

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