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Zwei Kletterinnen erklimmen einen 600 Meter hohen, abgelegenen Funkturm – und kommen nicht mehr herunter. Der Survival-Thriller „Fall“ ist hochgradig spannend geraten, verhaspelt sich aber etwas beim Drehbuch.

Fall - Fear Reaches New Heights (2022)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Nicht nach unten schauen!

Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall. Diese schmerzliche Erfahrung muss auch Becky (Grace Caroline Currey) machen, als ihr Lebensgefährte Danyal (Mason Gooding) bei einem Kletterausflug in die Tiefe stürzt und ums Leben kommt. Für Becky beginnt damit eine fast einjährige Phase der Trauer, die sie in Alkohol zu ertränken versucht. Auch ihr Vater James (Jeffrey Dean Morgan) kommt nicht mehr an sie heran, seine Anrufe drückt sie unbeachtet weg. Becky plant sogar, sich das Leben zu nehmen, da klingelt ihre Freundin Hunter (Virginia Gardner) durch: Sie will Becky aus ihrer Lethargie holen und ihr bei der Traumaverarbeitung mittels eines neuerlichen Kletterausflugs helfen.

Die junge Frau sagt widerwillig zu und fast wieder ab, als sie erfährt, was Hunter vorhat: Sie möchte einen 600 Meter hohen Funkturm irgendwo im Nirgendwo des US-amerikanischen Westens erklimmen. Es bedarf einiges an weiterer Überzeugungsarbeit, bis Becky gemeinsam mit ihr die rostigen Sprossen erklimmt. Und es kommt, wie es kommen muss: Oben angelangt bricht das letzte Stück der Leiter weg, und die zwei Frauen sitzen fest. Ohne Funkempfang, ohne Wasser und Nahrung, ohne dass jemand weiß, wo sie sich aufhalten. Es beginnt ein Survival-Trip in 2000 Fuß Höhe.

Es ist eine Schande, dass Fall hierzulande direkt fürs Heimkino erscheint, denn eigentlich ist es ein Film, den man auf der großen Leinwand erleben sollte. Regisseur Scott Mann (The Tournament, Final Score) und seinem Kameramann MacGregor (Vivarium) gelingt es auch ohne den Einsatz des Hitchcock’schen Vertigo-Effekts, ein schwindelerregendes Gefühl von Höhenangst zu erzeugen, das Zuschauer*innen, die auch nur ein Minimum an Akrophobie-Veranlagung mit sich bringen, den kalten Schweiß auf die Stirn treibt und sie kaum noch ruhig im Sessel sitzen lässt. Ihre überwältigenden Weitwinkelbilder, die sowohl Tiefe als auch Weite vermitteln, konterkarieren sie immer wieder durch Detailaufnahmen von klappernden Metallteilen und rostigen Schrauben, die sich langsam aus ihren Verankerungen lösen, während die beiden Kletterasse unbedarft nach oben kraxeln.

An der Spitze angekommen, verliert dieser so gelungene Aspekt der Inszenierung zwar ein wenig an Wirkung, auch da der Einsatz von Computereffekten zunehmend ersichtlicher wird, was der bis dahin so gelungen aufgebauten Illusion eines realen Schauplatzes keinen guten Dienst erweist. Der Fokus verschiebt sich ab da hingegen auf die Vielzahl an durchaus kreativen Lösungswegen, die die beiden für ihre missliche Lage suchen, etwa ein Handy in eine Socke und einen Schuh zu stopfen und nach unten zu werfen, in der Hoffnung, eine Notfall-SMS auf dem Weg zu versenden.

Das Drehbuch von Scott Mann und Jonathan Frank, der auch an Manns bisherigen Filmen beteiligt war, treibt seine Protagonistinnen schließlich bis an den Rand der Überlebensfähigkeit – und kommt auch mit zwei Twists daher, deren Vorhersehbarkeit sich zwar verschmerzen lässt, von denen aber zumindest einer überflüssig ist, da er keine tiefergehenden Konsequenzen hat. Dennoch bleibt die Spannungsschraube bis zum Schluss fest angezogen, was Fall zu einem ähnlich gelungenen, intensiven Ein-Schauplatz-Survival-Thriller-Erlebnis wie schon The Shallows oder Oxygen macht. Nur das mit der Traumabewältigung will – auch wenn am Ende Gegenteiliges verlautbart wird – nicht wirklich funktionieren.

Fall - Fear Reaches New Heights (2022)

In dem Film geht es um zwei Frauen, die beschließen auf einen stillgelegten Funkturm zu klettern, um dort die Asche des verstorbenen Ehemannes zu verstreuen. Das Kletterabenteuer entwickelt sich allerdings zu einem schrecklichen Albtraum in schwindelerregender Höhe.

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