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In „Für Jojo“ erzählen Drehbuchautorin Stefanie Ren und Regisseurin Barbara Ott von einer jungen Frau, die ihre beste Freundin zu verlieren glaubt – und sehr weit geht, um dies abzuwenden.

Für Jojo (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die Hochzeit meiner besten Freundin

Zwei Menschen, seit einer gefühlten Ewigkeit miteinander verbunden. Die ersten Momente von Barbara Otts Freundschaftsdrama „Für Jojo“ vermitteln genau diesen Zustand. Wir sehen zwei Mädchen fröhlich am Strand der Insel Sylt herumtollen – und fließend gehen diese Bilder in die Aufnahmen von zwei Frauen über, die nichts von ihrer spielerischen Art, ihrem vertrauten und oft auch albernen Umgang miteinander verloren haben. Doch da ist noch eine dritte Zeitebene, in der eine der beiden Frauen ganz allein am Meer steht. Die Freundin ist nicht da.

Von der Angst, plötzlich nicht mehr zu zweit zu sein, nicht mehr gemeinsam zu lachen und Quatsch zu machen, keine verschworene Einheit gegen den Rest der Welt mehr zu bilden, davon erzählt das Drehbuch der 1987 geborenen Stefanie Ren, das Barbara Ott (Jahrgang 1983) als zweiten Spielfilm nach ihrem Langfilmdebüt Kids Run (2020) in Szene gesetzt hat.

Zunächst einmal werden wir in den Berliner Chaos-Alltag von Paula (Caro Cult) und Jojo (Nina Gummich) geworfen. Aber dieses Dasein in der unaufgeräumten WG ist bereits im Umbruch. „Ich brauch’ dich hier!“, klagt Paula – doch Jojo hat schon die Koffer gepackt und fliegt nach Mexiko, um für einen Reiseveranstalter zu arbeiten. Kurz vor dem Flug trifft sie Daniel (Steven Sowah) wieder, der wie die beiden Freundinnen auf Sylt aufgewachsen ist. Es scheint Schicksal zu sein: Jojo und Daniel sitzen im Flugzeug nebeneinander und verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Als Jojo sich kurz darauf bei Paula meldet und ihr mitteilt, den Job gekündigt zu haben und nach Deutschland zurückzukommen, ist Paula erleichtert. Sie glaubt, dass sich das Leben zu zweit nun fortsetzen wird. Stattdessen muss sie bald erfahren, dass Jojo Daniel heiraten und mit ihm nach Sylt ziehen will. Das möchte Paula um jeden Preis verhindern.

Seit jeher erzählen Romane, Theaterstücke, Filme und Serien davon, wie zwei Menschen – zumeist Mann und Frau – sich ineinander verlieben. Mal auf komödiantische, mal auf melodramatische Art und Weise. Zu den vielen Standards dieser Erzählungen gehört die Figur der besten Freundin, die üblicherweise dazu dient, das Geschehen am Rande zu kommentieren. Die US-RomCom Die Hochzeit meines besten Freundes (1997) war eine durchaus clevere Variante dieser Formel, da die Heldin der Geschichte hier zugleich als Schurkin agierte, die ein Liebesglück zu zerstören versucht, um zu ihrem eigenen Happy End zu gelangen. Für Jojo entfernt sich allerdings noch deutlich weiter von der bekannten Struktur, da hier nicht die romantische Liebe im Zentrum der Handlung steht, sondern die Freundschaft.

Paula fühlt sich von Jojos Beziehung zu Daniel ins Abseits gedrängt. Nun lacht Jojo nicht mehr primär mit ihr, sondern mit ihm. All die hübschen Situationen, die Paare in Filmen miteinander erleben, um das gemeinsame Glück für uns zu visualisieren, bekommt Paula als unerwünschte Dritte mit: Pancake-Frühstück, Küssen, Kuscheln, Händchenhalten im Auto. In einem weniger spannenden Film würde die Verliebtheit von Jojo und Daniel lächerlich wirken, sodass wir uns ohne Bedenken auf Paulas Seite schlagen könnten. Aber diese Paula ist in der Zeichnung von Ren und Ott und auch durch die sehr gelungene Interpretation von Caro Cult eine ziemlich herausfordernde Figur, die es uns wirklich nicht leicht machen will.

Paula ist ein Mensch, der sich um die Miete „rein theoretisch krass gekümmert“ hat, in Wahrheit jedoch immer noch finanziell von Jojo als Mitbewohnerin abhängig ist, weil nach sechs Jahren Jura-Studium der Abschluss leider irgendwie nicht geklappt hat. Sie macht so „dies, das, Ananas“, etwa einen Job als Hausmeisterin in einer Bowling-Bahn, und lässt sich treiben. In ihrem Wunsch, Jojo für sich allein zu haben, überschreitet Paula Grenzen, wirft anderen indes schnell Grenzüberschreitungen vor. Sie stellt Menschen bloß, nimmt es in Kauf, dass andere verletzt werden, um ihr Ziel zu erreichen.

Der Film verurteilt Paula wiederum auch nicht. Er zeigt ihre Fehler, fängt das Unheil ein, das sie anrichtet, lässt uns aber auch spüren, dass es Paula in erster Linie einfach darum geht, etwas zu erhalten, was sie für das absolut Wertvollste in ihrem Leben hält. „Ich brauch’ dich!“, sagt Paula auch gegen Ende noch einmal zu Jojo. Jemanden so sehr zu brauchen, dass alles andere unwichtig wird, und auch so sehr gebraucht zu werden, ist einerseits ein Ideal der Freundschaft und Liebe – und kann andererseits belastend, übergriffig, schädlich, erstickend sein. Für Jojo erfasst diese beiden Seiten von übergroßen Gefühlen sehr treffend.

Für Jojo (2022)

Die unzertrennlichen Freundinnen Jojo (Nina Gummich) und Paula (Caro Cult) genießen das Leben als junge Singlefrauen in Berlin in vollen Zügen. Bis sich Jojo Hals über Kopf in einen jungen Mann aus ihrem Heimatort verliebt und mit ihm eine Zukunft aufbauen will. Weit weg von Berlin, und von Paula. Für diese bricht eine Welt zusammen. Getrieben vom Trennungsschmerz und der Angst vor Einsamkeit tut sie alles, um Jojo, ihre bessere Hälfte und Seelenverwandte, vom vermeintlich größten Fehler ihres Lebens abzuhalten: einer Heirat.

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