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Eine Liebe und zwei Leben so heiß wie ein Vulkan gibt es in Sara Dosas neuem Dokumentarfilm zu sehen. Das mehrfach preisgekrönte Werk porträtiert zwei Wissenschaftler der etwas anderen Art.

Fire of Love (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Tanz auf dem Vulkan

Sara Dosa dreht außergewöhnliche Dokumentarfilme – und preisgekrönte. Für ihren jüngsten, der seine Weltpremiere im Januar 2022 beim Sundance Film Festival feierte und danach auf große Tour ging, nahm sie bislang vier Auszeichnungen als Bester Dokumentarfilm sowie drei weitere in anderen Kategorien entgegen. Während sich das Jahr und der Festival-Zirkus langsam dem Ende nähern, kommt die Doku nun auch regulär in die deutschen Kinos. Wofür es all die Preise gab? Für nichts Geringeres als die heißeste Liebesgeschichte aller Zeiten.

Zum ersten Mal begegnen sich Katia Krafft (1942-1991), die damals noch Conrad mit Nachnamen heißt, und ihr späterer Ehemann Maurice Krafft (1946-1991) im Jahr 1966. Wie genau, ist nicht überliefert. Regisseurin Sara Dosa spielt mehrere Varianten dieses Kennenlernens durch, wie ihr Film überhaupt eine fabelhafte Mischung aus dokumentarischen Fakten, poetischer Erzählung und formaler Verspieltheit bietet. Wie auch immer das erste Treffen ausgesehen haben mag, klar ist danach nur eins: Hier sind sich zwei verwandte Seelen begegnet, die für dieselbe Sache brennen und diesen Weg fortan gemeinsam gehen.

Katia ist Geochemikerin, Maurice Geologe. Als Vulkanologen werden sie weltbekannt. Denn die zwei erforschen in ihrer kurzen, tragisch endenden Karriere nicht nur mehr als 300 Vulkane, sondern tun dies auch auf spektakuläre Art und Weise. Nicht zuletzt dank ihnen wird die Vulkanologie experimentell, was bedeutet, dass das Ehepaar die Eruptionen aus nächster Nähe betrachtet und sich dabei mehr als einmal in Lebensgefahr begibt.

Von Kollegen wird das gern als Leichtsinn kritisiert. Einige sprechen dem Paar die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit zeitlebens ab. Dieser Leichtsinn, den Katia und Maurice wohl eher als kalkuliertes Risiko bezeichnet hätten und der das Paar am 3. Juni 1991 am japanischen Vulkankomplex Unzen schließlich ihr Leben kostet, rettet durch die dabei gesammelten Erkenntnisse jedoch bis heute Leben. Und er beschert dem Kinopublikum spektakuläre Bilder. Denn Katia und Maurice hielten all ihre Aktivitäten mit der Kamera fest.

Sara Dosa hat aus diesem unerschöpflich scheinenden Schatz eine feurige Bild- und Ton-Collage geschmiedet. Auf nachträglich eingefangene Expertenmeinungen und Zeitzeugeninterviews verzichtet sie. Alles, was in ihrem Film zu sehen ist, stammt aus Archiven. Zeitgenössisch ist lediglich die Erzählstimme (im Original von Miranda July gesprochen), die den von Erin Casper und Jocelyne Chaput meisterhaft montierten Bilderfluss einordnend kommentiert. Gepaart mit den sphärischen Klängen von Nicolas Godin, einem Teil des französischen Electronica-Duos Air, entstehen Seherlebnisse, die nicht von dieser Welt scheinen. Wenn sich die Lavaströme roter Vulkane über die Leinwand ergießen oder die pyroklastischen Ströme grauer Vulkane mehr Energie freisetzen als Atombomben, dann kann man sich im Publikum der Faszination nicht entziehen und versteht, weshalb Katia und Maurice sich angesichts dieser Naturgewalten als kleine Menschlein nicht zu wichtig nahmen.

Das Außergewöhnliche an Dosas Filmen sind nicht allein die außergewöhnlichen Figuren oder die außergewöhnlichen Themen; es ist die Kombination aus beidem. Dem ganz gewöhnlichen Leben sieht Dosa in ihren Dokus nicht zu. In The Last Season (2014) gingen vom Krieg traumatisierte Männer auf Pilzsuche in den Wald, in The Seer and the Unseen (2019) stellte sich eine Frau in Island dem Bau einer Straße entgegen, um Elfen zu schützen. In Fire of Love nun lieben sich zwei Menschen einander und ihre Arbeit so sehr, dass sie dafür in Kauf nehmen, bei dem, was sie lieben, ihr Leben zu lassen.

„Wir widmeten uns der Vulkankunde, weil wir von der Menschheit enttäuscht waren“, gibt Maurice an einer Stelle zu Protokoll. Dessen ungeachtet haben er und Katia der Menschheit einen großen Dienst erwiesen – und ihr in Form von Sara Dosas Film einen feurigen Tanz auf dem Vulkan hinterlassen.

Fire of Love (2022)

Ein Forscherehepaar und die Vulkane – eine Liebes- und Lebensgeschichte. 

Die Geowissenschaftler Katia und Maurice Krafft machten einige der spektakulärsten Filmaufnahmen von Vulkanausbrüchen, die jemals aufgezeichnet wurden. Ihre faszinierenden Berichte machten die Naturgewalten erlebbar und warnten vor deren zerstörerischer Kraft. Als beide beim Ausbruch des japanischen Vulkans Unzen auf tragische Weise ums Leben kamen, hinterließen sie hunderte Stunden an Filmmaterial. 

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