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Quentin Dupieux ist bekannt für surrealistische Comedy. In seinem elften Film wird er episodisch und kann dadurch morbide Geschichten in eine besonders unvorhersehbare Dramaturgie gießen.

Smoking Causes Coughing (2022)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Komplett im Eimer

Quentin Dupieux ist wohl einer der eigenwilligsten Filmemacher, die einem mit verlässlicher Regelmäßigkeit auf Festivals begegnen. „Incredible But True“ (2022) wurde auf der Berlinale uraufgeführt, „Smoking Causes Coughing“ noch im selben Jahr in Cannes. Daneben ist er unter dem Namen Mr. Ozio auch noch sehr aktiv als Produzent elektronischer Musik, arbeitete dieses Jahr zum Beispiel mit Skrillex zusammen.

Seine Filme erzählen surreale Geschichten, sind dabei aber noch offensiver lustig, vulgär und auch Genrefilm-inspiriert als etwa die Filme von Luis Buñuel. Wäre Buñuel ein Millenial und mit den absurden Cartoons von Adult Swim aufgewachsen, vielleicht hätte er dann einen Film wie Rubber (2010) produziert. Dupieuxs Durchbruchswerk handelt von einem zum Leben erwachten Autoreifen, der Menschen tötet, aber auch von einer Gruppe von Zuschauenden, durch die sich der Film meta-kommentiert: „In alle großen Filmen gibt es Dinge, die keinen Sinn ergeben. Warum? Weil auch im echten Leben Dinge keinen Sinn ergeben.“ Auch diese Meta-Reflexionen sind typisch für Dupieux.

Ein Filmemacher also, der bekannt dafür ist, die gewohnte Logik von Filmhandlungen durch kreativen Quatsch zu dekonstruieren. Das stellt vor ein Problem: Dupieux liefert mit Smoking Causes Coughing bereits seinen elften Film ab. Und wenn sich die Formfreiheit immer wieder wiederholt, wird sie dann nicht auch irgendwann zur Formel? Dupieux scheint diesem Problem zu begegnen, indem er episodischer wird. Das ist schon bei Incredible But True zu bemerken, der zwei stark voneinander getrennte Handlungsstränge hat. Diesmal dient eine Gruppe von Superheld*innen als Rahmenhandlung, die am Lagerfeuer herumsitzen, auf ihren Einsatz warten und sich dabei gruselige Geschichten erzählen. Durch diese Rahmenhandlung macht Dupieux es sich natürlich besonders leicht, seine an Wendungen nicht armen Absurditäten zu rechtfertigen. Dafür kann aber auch keine Langeweile aufkommen.

„Tobacco-Force“, nennt sich die Truppe, die Mitglieder tragen Namen wie „Nikotin“ und „Ammoniak“ und haben die Superfähigkeit, gasförmige Schadstoffe abzusondern. Wenn sie in der Eröffnungsszene gegen ein Riesenschildkrötenmonster kämpfen, erinnern die Kostüme und die charmant hanebüchenen Effekte an japanische Tokusatsu wie Kamen Rider. Die Superheld*innen sind ein ungleiches Team und konkurrieren beim Erzählen um die Aufmerksamkeit – dabei hatte ihr Chef (eine menschengroße Ratte mit einem erfüllten Sexleben) ihnen doch noch aufgegeben, am Gruppenzusammenhalt zu arbeiten. Und ausgerechnet die Teammitglieder, die die gruseligste Geschichte aller Zeiten versprechen, kommen bis zum Ende nicht zu Wort. Dafür aber ein zufällig vorbeigelaufenes Mädchen und ein Fisch, der zu erzählen beginnt, während er gegrillt wird. Auf diese Weise entstehen zwar keinerlei Figurenentwicklungen und erst recht keine Katharsis, aber eine absichtlich unvorhersehbare Dramaturgie. Jederzeit könnte die nächste Episode beginnen.

Die Episoden, die länger auserzählt werden, sind selbst für Dupieux-Verhältnisse besonders morbide. Erst entwickelt eine Frau, die im Urlaub einen mysteriösen alten Helm aufgesetzt hat, den Drang, ihr soziales Umfeld zu ermorden. Dann wird ein junger Mann von einer Häckselmaschine gefressen, lebt aber als sprechende Blutsuppe in einem Eimer weiter. Hier taucht auch das Rauchen als Motiv wieder auf. Wer schon immer einmal sehen wollte, wie ein bereits gehäckselter Suppenmensch aus seinem Eimer heraus kotzt, bekommt bei Smoking Causes Coughing die Gelegenheit – we don’t judge, wir haben auch ein paar komische Vorlieben.

Quentin Dupieuxs surrealistische Comedy weiß auch bei seinem elften Film noch kurzweilig zu unterhalten – das ist seiner Kreativität und seinen filmischen Referenzen zu verdanken. Dass die Absurditäten auch etwas Neues über Konventionen des Filmemachens aussagen würden, wie es bei Rubber noch der Fall war, lässt sich inzwischen allerdings nicht mehr so richtig behaupten. Durch das episodische Erzählen spielt Dupieux zwar mit der Erwartungshaltung einer konventionellen Dramaturgie, aber auch das ist in seiner Filmografie nicht mehr ganz neu. In diesem Stil kann der Regisseur sicher noch lange die Funktion erfüllen, in der Spätschiene eines Festivalprogramms für Abwechslung zu sorgen. Richtig zwingende Werke entstehen aber nicht.

Smoking Causes Coughing (2022)

Eine Gruppe von Superhelden, die sich die  „Tobacco Force“ nennt und deren Mitglieder nach gesundheitschädlichen Bestandteilen in Zigaretten benannt haben, mit deren Hilfe sie Schurken außer Gefecht setzen, droht auseinanderzufallen. Und aus diesem Grund ziehen sie sich zurück, um den maroden Teamgeist wieder zu stärken. 

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