Money Monster

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Perfides Spiegeln oder Resignation?

Brot und Spiele, das wussten schon die Römer, sind die zwei Dinge, die man braucht, um die Masse zu besänftigen. Unser jetziges Brot ist Geld. Kein echtes Geld, virtuelles. Geld, mit dem binnen Sekunden Aktien gekauft und verkauft werden, das um die Welt reist und sich vermehrt. Irgendwie und hoffentlich. Es ist das kleine Geld der kleinen Menschen, so wie Kyle Budwell (Jack O’Connell), der das Erbe seiner Mutter, ganze 60.000 US-Dollar in Aktien des Ibis-Fonds gesteckt hat. Damit es sich vermehrt. Wieso Ibis? Weil er ihm empfohlen wurde, von Lee Gates (George Clooney), der im Fernsehen jede Woche eine Finanzsendung hat, in der er zu gleichen Teilen sich selbst und das Geldmachen auf dem Aktienmarkt feiert. Seine Show Money Monster ist eine ultimativ religiöse Sendung, eine Anbetung des Gottes Mammon, der seinen Jüngern in Form von Aktienkurven erscheint. Gates‘ Show, halb seriös, halb neurotisch und in unangenehmer Clip- und MTV-Ästhetik produziert, sind die Spiele. Unter dem Deckmäntelchen des Journalismus und der Reportage wird hier eine Show gemacht. Es glitzert, es wird getanzt, der Zuschauer ist befriedigt. Selbst die Regisseurin der Show, Patty Fenn (Julia Roberts), weiß, dass das hier ein Witz ist. Journalismus? So etwas machen wir hier doch gar nicht mehr, postuliert sie vor der Show mit einem harten Lächeln.
Die wahren Spiele finden indes in anderen Räumen statt. In großen hellen, weiß gestrichenen Büroetagen mit viel Glas für ein Gefühl von Reinheit und Transparenz. In der Ibis-Zentrale ist man ein wenig irritiert. Der Geschäftsführer musste gerade gestehen, dass ein Computerfehler dazu geführt hat, dass 800 Millionen US-Dollar der Anleger flöten gegangen sind. Huch, sorry! Ehrlich, voll doof! Man wird das untersuchen. Dann fliegt er ab und wird tagelang nicht gesehen. Im Auge des Sturms bleibt seine PR-Frau zurück. Diane Lester (Caitriona Balfe) soll den Rest erklären, weiß aber eigentlich auch nichts. Doch Kyle, der kleine Mann mit dem kleinen Geld, macht allen einen Strich durch die Rechnung. Er hat alles verloren bei dieser kleinen Computerpanne. Und er will Antworten. So stürmt er, etwas unbeholfen, mit Pistole und einer Sprengstoffweste in den TV-Sender und nimmt Lee Gates, der ihm den fatalen Deal empfahl, vor laufender Kamera als Geisel. Lee hat nur eine Waffe: den kleinen Knopf im Ohr, über den er Patty im Regieraum hören kann. Doch wie kann man Lee retten und Fragen beantworten, die man sich vorher gar nicht gestellt hat? Ach ja, da war ja noch die Journalismus-Ausbildung. Und Quellen und Hacker-Freunde hat man auch.

Es ist schon absurd, und darauf will Regisseurin Jodie Foster ja auch hinaus, dass man erst eine Knarre braucht, die man zur richtigen Zeit an den richtigen Kopf hält, damit jemand aufhorcht und Fragen stellt, anstatt dass das derzeit herrschende Geld- und damit Machtsystem konstant hinterfragt werden würde. Wo Spotlight vor einer Weile noch von echter investigativer Arbeit erzählte und dadurch regelrecht antiquert wirkte, legt Money Monster den Finger auf die Wunde: Zwischen Clickbait, Buzzfeed, Börsengang des Mutterkonzerns und Stellenabbau ist der Journalismus im Kern verloren gegangen. Er ist Entertainment geworden, besserer Cat-Content. Die Klickzahlen und damit das Geld müssen stimmen. Und dann gibt es die andere Seite, die Foster ins Visier nimmt. Die Wall Street, die Big-Money-Systeme und deren Macher, die keinerlei Skrupel haben, Menschen zu ruinieren. Weil Menschen abstrakt geworden sind und ihr Geld nur eine Ansammlung von Daten ist.

Wer nun aber erwartet, dass Fosters Film sich tiefergehend mit diesen gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzt, der irrt. Geliefert wird, was der Film selbst anprangert: ein perfekt rundes Produkt. High-Class-Mainstreamkino, ein rundum korrekt inszenierter Thriller mit Farce-Elementen. Alles shiny und dem Markt angepasst. Ein wenig Sarkasmus, etwas Nachdenkliches (aber nicht zu viel) und Stars. Genau das, was man für die Zielgruppe braucht, damit die Zahlen stimmen. Brot und Spiele. Keine Frage, Money Monster ist unterhaltsam. Solides Kino würde man sagen. Oder besser: Sein Geld wert, wenn man es an Unterhaltsamkeit misst. 3,8 von 5 Sternen. Daumen hoch.

Es bleibt jedoch die Frage, ob Foster diesen doppelten Boden absichtlich eingebaut hat. Ist Money Monster ein perfides Spiegeln auf diversen Metaebenen? Wir sitzen im Kino und sehen einen Film, der maßgeschneidert ist und ein System anprangert, das er selbst in Perfektion bedient. Wir merken es entweder gar nicht oder denken danach „Oh, der Film war genauso! Ich bin Teil des Systems!“. Oder ist der Film eher eine Resignation vor dem System an sich, dem man als Filmemacherin gar nicht entfliehen kann? Immerhin braucht man Finanzierungen und Erfolg, um weiter zu bestehen.

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass dem Gefühl der guten Unterhaltung eines folgt, das bitter ist. Eines, das an die Panama Papers denken lässt, deren Inhalte unerhört sind, und die doch nach kurzem Erschrecken eher ignoriert werden. Weil es unsexy ist und anstrengend, schließlich müsste man Fragen stellen. Aber es gibt doch ein neues Facebook-Video mit Hundebabys, die einer Katze folgen. Und ein Streit um ein Schmähgedicht ist dann doch spannender. So spannend eben wie Kyle, der im Fernsehen Geiseln nimmt und damit selbst seinen Beitrag zu den Brot und Spielen leistet. Denn letztlich korrumpiert er sich selbst. Die Antworten auf seine Fragen werden überschrieben vom selbstgemachten Live-Spektakel, dem alle zuschauen. Bis etwas Spannenderes kommt.

Money Monster

Brot und Spiele, das wussten schon die Römer, sind die zwei Dinge, die man braucht, um die Masse zu besänftigen. Unser jetziges Brot ist Geld. Kein echtes Geld, virtuelles. Geld, mit dem binnen Sekunden Aktien gekauft und verkauft werden, das um die Welt reist und sich vermehrt. Irgendwie und hoffentlich.
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