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Lass mich deine Freundin sein! Eine Hightech-Puppe wird zur ständigen Begleiterin eines Mädchens, das seine Eltern verloren hat, und tut alles, um Schaden von ihrem Schützling abzuwenden. Was ein überdrehter Horrorspaß mit satirischem Biss hätte werden können, ist vor allem eins: seltsam konfus.

M3GAN (2023)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Beschützerin und Killerin

Gruselpuppen haben eine lange Tradition, tauchen schon in der Frühzeit des Kinos auf, machen sich in letzter Zeit von klassischen Besessenheitsformeln frei, tragen vermehrt unserem durchtechnisierten Alltag Rechnung. In „Child’s Play“, einem Remake des schrägen Kultschockers „Chucky – Die Mörderpuppe“ aus dem Jahr 1988, entwickelt das als treuer Wegbegleiter konzipierte, dank künstlicher Intelligenz lernfähige Spielzeug ein tödliches Eigenleben, um die Freundschaft zu einem 13-jährigen Jungen aufrechtzuerhalten. Ganz ähnlich sieht es im schwarzhumorigen Scifi-Horrorthriller „M3GAN“ aus, hinter dem mit Ideengeber und Produzent James Wan, unter anderem Schöpfer der „Saw“- und „Conjuring“-Reihe, ein echter Genreexperte steht. Dass das keine Garantie für ein smartes, rundum fesselndes Filmerlebnis ist, wird am Ende mehr als deutlich.

Erste Parallelen zwischen Child’s Play und dem neuen Puppengrusler tun sich schon in den Anfangsminuten auf. Beide Werke beginnen mit einem Werbeclip, in dem für Kinder angeblich besonders hilfreiche Produkte angepriesen werden. Im ersten Fall handelt es sich um die sogenannte Buddi-Figur, von der ein aller Sicherheitsprotokolle beraubtes Exemplar nur wenig später in die Hände des menschlichen Protagonisten gelangt. M3GAN preist zum Einstieg in einem betont überinszenierten Filmchen ein beliebtes Spielzeug der fiktiven Firma Funki als besten und vor allem dauerhaften Freund an. Hier wie dort wird gleich ein für die nachfolgende Geschichte charakteristischer ironischer Ton gesetzt.

Die unter Wans Federführung entstandene Produktion, bei der Gerard Johnstone (Housebound) auf dem Regiestuhl saß, nutzt den eingangs vorgestellten Artikel allerdings nur als Aufhänger, um zum eigentlichen Kern zu kommen. Die für Funki arbeitende Robotik-Spezialistin Gemma (Allison Williams) tüftelt nämlich ohne Erlaubnis an einer Hightech-Puppe namens M3GAN, kurz für Model 3 Generative Android, herum, die im Grunde – so sagt sie etwas später sinngemäß – alle Aufgaben der Eltern übernehmen solle, damit sich diese um die wirklich wichtigen Dinge kümmern könnten. Eine Bemerkung, die aufhorchen lässt und Hoffnung auf beißende satirische Einlagen macht. Immerhin: Was gibt es Bedeutenderes, als sich mit seinen Kindern und deren Sorgen auseinanderzusetzen?

Ausgerechnet Gemma, als Technikfachfrau ohne familiäre Bestrebungen eingeführt, muss plötzlich die Vormundschaft für ihre Nichte Cady (Violet McGraw) übernehmen, die Mutter und Vater bei einem Unfall verloren hat. Zunächst mit der neuen Rolle sichtlich überfordert, kommt ihr eine Idee, aus der in einem Horrorfilm natürlich nichts Gutes entspringen kann: Um ihrem aufgebrachten Boss (Ronny Chieng) zu beweisen, dass M3GAN zum Verkaufsschlager taugt, nimmt Gemma den Prototypen (gespielt von Amie Donald und im Original gesprochen von Jenna Davis) mit nach Hause und will ihn an ihrer Schutzbefohlenen ausprobieren. In der Tat sind die KI-gestützten Begabungen der fortlaufend lernfähigen, etwas gruselig aussehenden Puppe erstaunlich. Ob Singen, Trösten, Aufmuntern, Wissen vermitteln – alles ist möglich, hat sie sich einmal an einen Menschen „gebunden“. Mit welcher Konsequenz M3GAN ihrer Aufgabe als Codys Freundin nachgehen wird, ahnt ihre Entwicklerin noch nicht.

Dass Technik unser Leben inzwischen in allen Bereichen durchdringt, lässt sich nicht mehr von der Hand weisen. Tatsache ist auch, dass Kinder immer früher mit ihr in Kontakt kommen. Nicht selten werden den Kleinen Tablets in die Hand gedrückt, damit sie endlich ruhig sein mögen. Echte Kommunikation hat in manchen Familien nur noch geringen Stellenwert, und elterliche Verantwortung wird zunehmend ausgelagert. Regisseur Gerard Johnstone und Drehbuchautorin Akela Cooper (Malignant) treffen in M3GAN einen wunden Punkt, indem sie Gemma nicht viel anders handeln lassen. Statt auf Cady einzugehen, mit ihr über den erlittenen Verlust zu sprechen, benutzt sie ihre Nichte als Testobjekt.

Wäre der Film konsequent, würde er Gemma vollends demontieren. Wie man es vermuten kann, gelangt sie irgendwann aber an einen Punkt, an dem sie ihr Verhalten hinterfragt und ihre Fehler ausbügeln will. Die Trauer, um die es in der Geschichte auch gehen könnte, bleibt ein Randaspekt, wirkt unter dem Strich eher aufgepfropft und läuft größtenteils ins Leere.

Garstige Seitenhiebe blitzen immer mal wieder auf. Neben dem Verhältnis von Eltern und Kindern gerät etwa die Gier der Spielzeugindustrie, die Jagd nach dem nächsten Knüller ins Visier. Ebenso wie der inhaltlich verwandte Child’s Play schwingt sich M3GAN allerdings nie zu einer wirklich messerscharfen Bestandsaufnahme auf. Schon Gemmas Arbeitsumfeld mit einem Knallchargenchef, wie er im Buche steht, ist zu überzeichnet, um starke satirische Akzente setzen zu können.

Kein Beinbruch wäre dies, wenn der Film an der Spannungs- und Gruselfront kontinuierlich abliefern würde. So irritierend der Anblick M3GANS auch sein mag – zu richtigen Gänsehautmomenten kommt es selten, da viele Schockmomente recht klassisch arrangiert sind. Einen erstaunlich unausgegorenen Eindruck hinterlässt das Drehbuch. Dass wir in einem augenzwinkernden Horrorthriller über eine hochtechnisierte Puppe, die zur Mörderin wird, Logik hintenanstellen müssen, versteht sich von selbst. Geradezu lächerlich wird es jedoch, wenn Gemma den Prototypen ihrer Erfindung, die von der Firma irgendwann als bahnbrechend angesehen wird, auf eine Kinderparty mitschleppt. Warum ihr Vorgesetzter überhaupt so viel Vertrauen in ihre Arbeit hat und den Test kein bisschen überwachen lässt, ist auf ärgerliche Weise unglaubwürdig. Passend dazu bleibt der zeitliche Ablauf mit Blick auf den ersten Termin für eine öffentliche Präsentation der Puppe seltsam diffus. Nebulös, um nicht zu sagen völlig überflüssig, ist die Rolle des ständig runtergemachten CEO-Assistenten (Stephane Garneau-Monten), dessen groß angeteaserter Verrat komplett im Sande verläuft.

Geht es der Film in der ersten Hälfte eher gemächlich und nicht sehr blutig an, legt er in der zweiten ein paar Schippen drauf. Nun zeigt M3GAN ihr wahres Gesicht und greift zu durchaus drastischen Mitteln, um ihrer Bestimmung nachzukommen. Das Problem an der zwischen bekloppt und unterhaltsam pendelnden Eskalation, besonders in der letzten Viertelstunde: Vorher haben wir kein Gefühl dafür bekommen, wie genau Cadys Hightech-Freundin ihre Fähigkeiten erweitert. Auf einmal kann sie ganze Systeme kapern, und allen Ernstes besitzt die 1,20 Meter kleine Puppe plötzlich die Kräfte eines Hulk. Mit produktiver Willkür hat das alles wenig zu tun, sondern wirkt einfach nur schlampig.

M3GAN (2023)

Sie ist auf Freundschaft programmiert: M3GAN ist kein gewöhnliches Spielzeug, designt als beste Freundin eines Kindes und Verbündete der Eltern. Als Robotik-Expertin Gemma (Allison Williams) unerwartet zum Vormund ihrer verwaisten Nichte wird, nimmt sie den Prototyp der Hightech-Puppe mit nach Hause. Eine folgenschwere Entscheidung, denn M3GAN entwickelt einen geradezu mörderischen Beschützerinstinkt. Dass eine Puppe ihre Aufgabe so ernst nehmen wird, damit rechnet Gemma nicht einmal in ihren kühnsten Träumen, als sie diese ihrer Nichte gibt. Schließlich arbeitet sie für eine Spielzeugfirma und hat die lebensechte Puppe selbst programmiert. Doch die mit künstlicher Intelligenz ausgestattete M3GAN nimmt ihre Aufgabe als beste Freundin todernst.

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Meinungen

Harald · 10.01.2023

Eigentlich kein guter Film: alles schon mal da gewesen, keine echten Charaktere, Klischee über Klischee, und man weiß schon vorher, wie er enden wird.

Und dennoch: der Film funktioniert ausgezeichnet, hat mich bestens unterhalten, und wenn er in D anläuft, werde ich ihn mir gewiss noch ein, zwei Mal anschauen.