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Ein junger Film-Nerd, der einer erfolgreichen Filmproduzentin assistiert, bekommt aus dem Nichts einen Regiejob von ihr angeboten. Und lernt erst dadurch, was große (Film-)Kunst ausmacht.

Pompo the Cinephile (2021)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Hollywood, wie es sein sollte?

Auf den ersten Blick würde man das, was Joelle Davidovich Pomponette, genannt Pompo, auf die Leinwände bringt, nicht als große Filmkunst bezeichnen. Auf den zweiten und dritten wohl auch nicht. Im neuesten Streifen ihres Studios Peterzen Productions etwa kämpft eine leicht bekleidete Frau mit einem wuchtigen Maschinengewehr an einem Strand gegen einen riesigen Oktopus, die Kamera starrt regelmäßig voyeuristisch auf ihren Hintern und ihr Dekolleté – ein B-Movie, das sich perfekt in die bisherige Werkbiografie der jungen Produzentin einfügt.

Pompo ist aber nicht aufs schnelle Geld aus, sondern liebt das Kino und das Filmemachen und verfolgt dabei eine klare Leitlinie: Menschen zu unterhalten und zu begeistern, mit einfachen, gern auch klischierten Geschichten, aber fesselnder Inszenierung, viel Spannung und Figuren zum Mitfiebern. Zur Seite steht ihr dabei ihr Assistent Gene Fini, ebenfalls filmbegeistert, allerdings auf eine andere Weise: Er kennt und verehrt die großen, auch mal schweren Klassiker, kann sich über Stunden in ihnen verlieren.

Damit hören die Unterschiede zwischen beiden nicht auf: Er ist ein introvertierter, ängstlicher junger Mann, der derart überarbeitet ist, dass sein Gesicht fette schwarze Augenringe zieren; sie ist ein quirliges Energiebündel, das jedes Mal mit einem euphorischen „Pompo ist wieder da!“ die Tür auftritt, höchstens einen Meter groß ist und bestenfalls wie zwölf Jahre alt anmutet, aber trotzdem eine absolute Macherin ist, die ihre Crew zu kreativen Höchstleistungen motiviert und antreibt. Er liebt Giuseppe Tornatores Cinema Paradiso; ihr ist dieser Klassiker viel zu lang. Filme, so sagt sie, sollten nur 90 Minuten dauern, niemals mehr als zwei Stunden; er hingegen liebt es, möglichst lange in einem Kinosessel in eine Geschichte abzutauchen.

Das klingt zunächst nach einem klassischen Kunst-vs.-Kommerz-Konflikt, den der Anime Pompo the Cinephile aufmacht, und doch überrascht der Film mit einem versöhnlichen, ja harmonischen Weitergang der Story. Nachdem Gene erfolgreich einen Trailer für die neue Produktion des Studios schneiden durfte, wird er von Pompo nonchalant auf den Regiestuhl der nächsten gesetzt. Und die geht in eine ganz andere Richtung: Es ist die Geschichte eines Klassik-Musikers, der sich derart manisch in seine Arbeit stürzt, dass er das Gefühl für die Realität und die Menschen um sich herum verliert. Erst durch die Begegnung mit einer jungen Frau findet er wieder die Freude an seiner Kunst – und einen Blick dafür, für wen er sie eigentlich macht. Großer Stoff fürs Arthouse-Publikum und ein garantierter Filmpreiskandidat.

Schauplatz von Pompo the Cinephile ist Nyallywood, eine Traumversion der Traumfabrik Hollywood, in der alle mit ihren Jobs happy sind – der Regisseur des Busen-und-Monster-B-Movies, die technische Crew dahinter, die Darstellenden – und in der die systemischen Probleme des realen Vorbildes nicht existieren. Bis auf den Sexismus freilich: Produzentin Pompo geht ganz offen damit um, die „Reize“ ihrer Stamm-Hauptdarstellerin fürs Publikum in Szene setzen zu wollen – eine fragliche Aussage, die der Film für selbstverständlich nimmt und ohne weiteres Nachhaken einfach auf sich beruhen lässt.

Mindestens fragwürdig ist ebenso, wie Pompo the Cinephile das Thema Crunch/Überarbeitung aufgreift. Nachdem die Dreharbeiten mehr als zufriedenstellend abgeschlossen sind, übernimmt Gene auch noch den Schnitt – und kommt damit nur mühsam voran. Immer wieder beginnt er von vorn, schläft tagelang nicht, landet sogar im Krankenhaus und macht dennoch weiter. Für die Kunst. Für seinen Film. Eine Arbeitsmoral, die eigentlich lebensgefährdend ist, die hier aber als notwendige und ehrenwerte Aufopferung inszeniert wird.

Der Blick, den Pompo the Cinephile auf Hollywood, aufs Filmmachen, ja auf Kunst im Allgemeinen wirft, ist ein extrem blauäugiger – und dennoch liegt genau darin sein Charme. Regisseur und Autor Takayuki Hirao (bislang an Anime-Serien wie Attack on Titan und God Eater beteiligt) ist nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit realen Strukturen interessiert, sondern an der Schaffung einer Utopie. Insofern ist Pompo the Cinephile trotz ähnlichem Sujet das komplette Gegenteil zum am gleichen Tag startenden She Said, ebenso wie die Titelfigur Pompo trotz gleichem Job eine Antithese zu Harvey Weinstein ist: jung, weiblich, auf Ermutigung statt Einschüchterung setzend. Gene erkennt im Laufe seiner Arbeit, dass er – wie die Hauptrolle seines Filmes – ein Werk vor allem für sich schaffen sollte anstatt eines, das auf die breite Masse schielt. Lieber kreativer Fokus als Mainstream-Verwässerung. Wie gesagt: Pompo the Cinephile erschafft eine Traumversion von Hollywood, samt einer Menge mal kritischer, viel öfter aber liebenswerter Naivität, in der Kunst und Kommerz am Ende eine glückliche Liaison eingehen. Eine Utopie, die durchaus ihren Reiz hat.

Pompo the Cinephile (2021)

Im Mittelpunkt steht die raffinierte Produzentin Joelle Davidovich Pomponette in Nyallywood, der Hauptstadt für Filme. Trotz ihrer Fähigkeit, das Potenzial der Darsteller und Mitarbeiter zu erkennen und sie dazu zu bringen, ihr Talent voll auszuschöpfen, hat sie bisher nur B-Klasse-Filme gedreht. Eines Tages erhält Pompos »Filmwurm«-Assistent Gene Gini, der sich über ihre Auswahl an Filmgenre gewundert hat, ein neues Drehbuch von ihr und wird damit beauftragt, einen Film zu drehen. Wird Gene in der Lage sein, das Meisterwerk zu realisieren, das Pomponette geschrieben hat? (Quelle: Anime2You)

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