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Dank der hartnäckigen Arbeit zweier New Yorker Journalistinnen wurden die Vergehen von Filmproduzent Harvey Weinstein öffentlich gemacht. Dies brachte die #MeeToo-Bewegung ins Rollen. Maria Schrader fängt die Anfänge dessen ein.

She Said - Macht der Wahrheit (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Am Scheideweg

Der Film sei eine große Aufgabe. Es handle sich um eine ikonische Geschichte unserer Gesellschaft, die jetzt schon historische Bedeutung habe. Das sagte Maria Schrader in einem Interview in der NZZ am Sonntag, als sie sich noch mitten in den Dreharbeiten des Films befand. Dass die Aufmerksamkeit groß sein würde für dieses Projekt, war zweifelsfrei. Nun werden Schraders Bemühungen der Öffentlichkeit preisgegeben. Entstanden ist ein ziemlich sperriges Drama mit einem zähen Rhythmus und einer zweistündigen Dauer, die sich durch Wiederholungen und Längen bemerkbar macht.

Die deutsche Regisseurin hat sich mit ihrer erfolgreichen Netflix-Serie Unorthodox, die auf den Lebenserinnerungen der US-amerikanischen Jüdin Deborah Feldman basiert, in den USA einen Namen gemacht. Mit She Said sollte sie die Geschichte der zwei Journalistinnen aus New York erzählen, die 2017 den Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein aufdeckten. Im Mittelpunkt stehen diese beiden Frauen, Jodi Kantor (Zoe Kazan) und Megan Twohey (Carey Mulligan), wie sie alle Mittel ihres Berufs einsetzen, um den Frauen eine Stimme zu geben, denen Unrechtes widerfahren ist. 

Sie leisten Knochenarbeit, endlose Recherchen, führen viele Interviews, die sie nicht offiziell verwenden dürfen, sammeln Fakten über Fakten, doch schließlich bleibt ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten. Nur mit dem Einverständnis ihrer Quellen bekommt die Geschichte ihren Wert. Sie gehen einen Schritt vor und dann wieder zwei zurück. Diese Frustration, dieses Ausharren, diese Unsicherheit und die Anspannung, die sich plötzlich löst und den erwünschten Vorstoß ermöglicht, das fängt Schrader im Film eindrücklich ein. Auch wenn man den Schluss der Handlung kennt, ist man sich ab und an nicht sicher, ob das Unterfangen der beiden Frauen wirklich gelingen wird. 

Der Film wird getragen von den beiden Hauptrollen, die von Zoe Kazan und Carey Mulligan gespielt werden. Ihre Figuren sind reale und basieren auf dem in einem Roman ausformulierten Erfahrungsbericht der echten Journalistinnen. Der Film gibt den Charakteren viel Raum. Ihr familiärer Hintergrund wird ausführlich erörtert. Hier wird schon fast didaktisch (ein Adjektiv, das auch für den gesamten Film gelten kann) festgestellt, dass diese beiden Frauen aus einer völlig gesunden, respektvollen Mann-Frau-Beziehung stammen. Es dürfte nicht etwa der Verdacht aufkommen, dass sie ihrem Artikel derart verbissen nachjagen, um persönliche Rache zu üben. 

Die Exkurse ins Privatleben der beiden Protagonistinnen sind aber weitgehend überflüssig. Und zum Teil auch ziemlich bemüht, insbesondere wenn es um die postnatale Depression einer von ihnen geht. Hier hätte man an der einen oder anderen Stelle den ohnehin ziemlich langen und stellenweise zähen Filme kürzen können. Etwas seltsam wirkt im Übrigen auch, dass die Darstellerinnen einige Jahre jünger sind als ihre Vorbilder. Verfällt die Produktion mit dieser Entscheidung einer der alten Konventionen? Denn mit der Wahl der Besetzung macht der Film das Aussehen der Frauen zum Politikum, vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein. 

Die große Stärke von She Said ist hingegen, dass sich Schrader dazu entschloss, keine Vergewaltigungsszenen visuell auszuformulieren. Die verbale Darstellung reicht ohnehin aus. Der Film kommt auch fast gänzlich ohne Rückblenden aus, die immer wieder auf die einzelnen Verfehlungen des Mannes im Zentrum der Anklage verweisen würden. Aber leider eben nur fast. So fängt der Film mit einer solchen doch ziemlich plakativen Szene an, die sich im letzten Teil wiederholt. Das nur vereinzelt aufgegriffene Mittel der Rückblenden stört das visuelle und künstlerische Konzept, das man sich an dieser Stelle stringenter gewünscht hätte. 

Doch Schrader setzt weniger auf die formale, künstlerische Ebene als auf die gesellschaftliche Bedeutung des Filmstoffes. Entsprechend ist der Film an sich handwerklich solide gemacht, doch hat er in erster Linie, wegen der doch recht glatt gezeichneten Figuren, denen es an Reibungspunkten fehlt, vielmehr Ähnlichkeit mit einem Lehrmittel. She Said ist ein Manifest für Beharrlichkeit, für das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die menschliche Solidarität.

She Said - Macht der Wahrheit (2022)

Die für die New York Times tätigen Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kantor decken mit ihrer Reportage den jahrelangen Missbrauch von Frauen durch Harvey Weinstein auf und tragen damit dazu bei, dass die #MeToo-Bewegung ins Leben gerufen wird. Nicht nur über Weinsteins sexuelle Übergriffe hatten Frauen in Hollywood jahrzehntelang geschwiegen.

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