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In „Showing Up“ erzählt Kelly Reichardt in leicht komödiantischem Ton von der Künstlerin Lizzie und ihren alltäglichen und auch nicht so alltäglichen Herausforderungen im Umfeld des Art College von Portland. Ein leicht dahinfließender Film mit subtilen Kommentaren auf die Kunstszene.

Showing Up (2022)

Eine Filmkritik von Bianca Jasmina Rauch

Auftauchen, eintauchen und (sich) präsentieren

Für „Showing Up“ begab sich Kelly Reichardt in den US-Bundesstaat Oregon, um im Umfeld der Kunstakademie von Portland die Geschichte der Bildhauerin Lizzie zu erzählen. Während Reichardt sich in ihren letzten Filmen atmosphärisch dem Drama zuwandte, schrieb sie diesmal, zusammen mit Jonathan Raymond, eine durchaus komödiantisch wirkende Erzählung. Hong Chau versprüht in ihrer Rolle als Lizzies Kollegin Jo in den richtigen Momenten jene Frische und Energie, mit der die von Michelle Williams verkörperte ruhige und zurückgezogene Protagonistin eher sparsamer umgeht. Reichardt gelingt ein entschleunigt dahinfließender Film, der nicht zwangsläufig eine Funktion als Kommentar auf die Kunstszene erfüllt, aber durchaus auch als solcher gelesen werden kann.

Während sich First Cow, Certain Women und Wendy und Lucy in warmherzig, melancholischem Ton je auf die Beziehung zweier Menschen fokussieren, verfolgen wir in Showing Up eine größere Auffächerung des sozialen Zirkels der Protagonistin. Zunächst wäre da Jo (Hong Chau), die nicht nur als Künstlerinnenkollegin Lizzies (Michelle Williams) die größere Nummer in der Szene ist, sondern auch noch ihre Nachbarin und Vermieterin. Als solche versäumt sie es ständig, sich um Lizzies fehlendes Warmwasser zu kümmern – sehr zu deren Ärgernis, das seinen Ausdruck im Laufe der Handlung in situationskomischen Elementen findet.

Beide Frauen bereiten gerade ihre Vernissagen vor und haben wenig Raum für die alltäglichen Herausforderungen, die das Leben sonst so mit sich bringt. Im Gegensatz zu Jo muss Lizzie ihrer Lohnarbeit im Büro der Kunstakademie nachgehen und kann sich dementsprechend seltener ganz und gar ihrem eigenen Schaffen widmen. Die strukturellen Problematiken innerhalb der Kunstszene, die in Realität etwa zu großen Teilen auf unterschiedlichen finanziellen Ressourcen und somit auf Klassenunterschieden aufbauen (es stellt sich die essenzielle Frage, wer sich Zeit und Geld für das Künstler*innendasein leisten kann), diskutiert Reichardt nicht offensiv aus, wie z.B. Ruben Östlund in The Square, sondern lässt sie über ihre Figuren lediglich anklingen und in einem unaufgeregten Eindruck von Alltäglichkeit erlebbar machen.

Was wir als Zuschauer*innen damit machen, bleibt uns selbst überlassen. So drängt sich Kritik in Showing Up nicht auf, sondern realisiert sich subtil in einzelnen Momenten, die uns nicht mit erhobenem Zeigefinger in eine eindeutige Richtung schicken wollen. Ein Beispiel wäre eine Szene, in der Lizzie und eine Kollegin eine Gruppe tanzender Menschen Campus beobachten. Während die Kollegin jene Darbietungen wenig Ernst nimmt, lässt sich Lizzie keine Sekunde auf den leichten Spott ein. Hierin zeigt sich Reichardts Anspruch, Menschen nicht mit einer vorgefertigten Meinung zu (re)präsentieren, sondern sich ihnen durch urteilsfreies Beobachten und Zeigen zu nähern und eingerahmt in ihren Beziehungen und in ihrem Umfeld verstehen zu wollen.

Neben der zwischenmenschlichen Beziehungsebene kommen in Showing Up, entsprechend dem dargestellten Milieu, die Kunstgegenstände selbst, die Lizzie schafft, auch nicht zu kurz. Reichardt, die sich neben Regie und Drehbuch ebenso für den Schnitt verantwortlich zeigt, lässt Szenen viel – vielleicht zu viel – Raum, in denen wir Lizzie bei der Gestaltung ihrer Tonstatuen beobachten können oder Kunstinstallationen am College beiwohnen.

Lizzies fragile Skulpturen, die Frauen in Bewegung präsentieren und die sie mit unterschiedlichen Farbtönen glasiert und brennen lässt, erweisen sich gewissermaßen als Spiegel ihrer eigenen sensiblen Persönlichkeit. Nachdem eine Figur im Brennofen irreversible schwarze Färbungen bekommt, wirkt Lizzie frustriert, während ihr Kollege diesen ungewollten Farbtupfer besonders cool findet – oder sie auf diese Art einfach vertröstet. Welche Form und Farbe eines Kunstwerkes den Geschmack einer Person trifft, das fällt verschieden aus, wird an dieser Stelle deutlich.

Nicht immer treffen Artefakt und Rezipient*in in Harmonie aufeinander. Dass einige Besucher*innen statt aus Interesse an ihrer Kunst wohl primär wegen des Käsewürfel-Buffets zu Lizzies Vernissage kommen – auch das ein unvermeidliches Los einer Bildenden Künstlerin. Und die Tatsache, dass Lizzie von Zuhause aus arbeitet – sie geht ihrer Kreativität im klassischen Home Studio in der Garage nach – bringt Jo zudem auf den Gedanken, dass Lizzie sich nebenbei ja auch um andere Dinge kümmern könnte: zum Beispiel um eine verletzte Taube.

Mit der Taube in Showing Up könnten bei vielen Zuseher*innen sofort Erinnerungen an die Hündin Lucy wach werden, mit der sich Michelle Williams als Wendy in Reichardts Drama aus dem Jahr 2008 nach Alaska aufmacht. Eine vergleichbar enge Beziehung zur Taube baut Lizzie zwar nicht auf, der Vogel begleitet die Handlung aber von Anfang bis Ende mit. Die von Lizzies Katze angefallene und von Jo in Obhut genommene Taube sorgt dafür, dass die beiden Kolleginnen, die zwischendurch auf Distanz zueinander gehen, in gemeinsamer Sorge um das Tier miteinander verbunden bleiben.

Verspürt Lizzie zudem anfangs noch leichten Ekel gegenüber dem Vogel, streichelt sie ihn schon bald zärtlich mit den Fingen und die Katze muss auch mal hinter der Tür warten. So erzählt Reichardt nebenbei die subtile Geschichte einer Mensch-Tier-Freundinnenschaft. Auch nebenbei sehen wir, wie Lizzie ihren Bruder besucht, der den Eindruck eines impulsiv agierenden Menschen und Künstlers macht. Daneben fährt Lizzie zu ihrem Vater, dessen befreundetes Paar sich auf seinen Wohnzimmersofas räkelt und in der Kombination aus selten gesehener Alltäglichkeit dieser Situation, gepaart mit der Nonchalance ihres Verhaltens für Komik sorgt. Diese beiden Freund*innen des Vaters repräsentieren eine Art Aussteiger*innen-Hippie-Rentner*innen-Typus (Wohnort: Sommer in Alaska, Winter in Mexiko und dazwischen auf der Couch von Lizzies Vater) ohne als zielgerichtete Karikaturen eines bestimmten Personentypus verzerrt zu werden.

Mit dem Titel des Films lassen sich eine Reihe von Verbindungen setzen, die das Sich-Zeigen/Präsentieren als Künstler*in (showing), das Erscheinen (showing up) und Ausstellungen selbst (show) indirekt ansprechen. Das Erscheinen bzw. Nicht-Erscheinen zur Vernissage der jeweiligen Kollegin spielt in der Beziehung zwischen Jo und Lizzie, die zwischen Konkurrenzkampf und solidarischem Verhalten oszilliert, eine wesentliche Rolle. Trotz feiner zwischenmenschlicher Linien lässt Reichardt in Showing Up aber an Tiefe und Emotionalität missen, die ihre Filme bisher besonders auszeichneten und die anscheinend zugunsten der leichten Komödiennote weichen mussten. So hat man manchmal das Gefühl, nicht ganz an diese eigenbrötlerische Künstlerin mit der Katze heranzukommen und dass die Nebenstränge sich in ihrem Nebenbei sowie einer Faszination für die Kunstszene und ihre Artefakte und Installationen zu sehr aufdröseln, um sich dem Publikum mit tiefergehender zwischenmenschlicher Substanz offenbaren zu können.

Showing Up (2022)

Eine Künstlerin bereitet sich auf eine Ausstellung vor, die ihr Leben verändern könnte. Ihre Kunst ist von ihrem chaotischen Leben inspiriert und von Konflikten mit der Familie, Freunden und Kollegen.

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