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Altern und Sterben – muss das wirklich sein? Stephan Bergmanns „Endlich unendlich“ beleuchtet die ganz realen Visionen des Transhumanismus. Nicht immer ausgewogen, doch im Kern interessant.

Endlich unendlich (2021)

Eine Filmkritik von Matthias Pfeiffer

Der Tod ist ein Skandal

Müssen wir bald nicht mehr über den Tod reden? Ist es vielleicht in naher Zukunft nicht einmal mehr nötig, über ihn nachzudenken? Das hört sich erst mal nach Erlösung an, das Thema ist schließlich bei den Allerwenigsten beliebt. Auch beim Autor und Philosophen Frédéric Beigebeder, der seiner Tochter auf die Frage, ob jeder sterben müsse, mit einem klaren Nein antwortet. Da bleibt als Alternative natürlich nur die Unsterblichkeit, ein alter Traum der Menschheit, der jedoch Schritt für Schritt realere Züge annimmt. Auch den österreichischen Regisseur Stephan Bergmann lässt diese Thematik nicht los, weshalb er mit seinem Dokumentarfilm „Endlich unendlich“ die Welt des ewigen Lebens betritt.

In der heutigen Welt hat das längst nichts mehr mit religiösen Jenseitsvorstellungen zu tun, sondern mit Forschung und Technik. Die Denkrichtung dahinter nennt sich Transhumanismus. Für seinen Film hat Bergmann zahlreiche Vertreter getroffen und sich vorurteilsfrei mit deren Visionen auseinandergesetzt. Recht schnell wird hier klar, dass es sich nicht um mad scientists handelt, die den Übermenschen heranzüchten wollen, sondern um Leute, deren Motive durchaus edel sind. Zum Großteil ist es das Trauma des Verlusts, das die Befragten zu ihrer Einstellung brachte. 

In Endlich unendlich wird man Zeuge von allerhand medizinischen Prozeduren und Selbstversuchen, deren Ziel es ist, Tod, Krankheit und Alter zu Relikten der Vergangenheit zu machen. Das geht bis zum Einpflanzen von Computerchips und Cyborg-Prototypen. Und so sehr das alles faszinierend und nachvollziehbar ist — etwas mulmig wird einem schon. Das kann durchaus auch an den klinisch-hellen Bildern liegen, in denen der Film erzählt wird. Auf der einen Seite sind sie durchaus ästhetisch, auf der anderen strahlen sie eine unübersehbare Künstlichkeit aus.

Mit einer eigenen Meinung hält sich Stephan Bergmann zurück. Das ist durchaus löblich, gerade in dieser Zeit, in der das Einordnen gerne vor dem Hinschauen steht. Und für einen ersten Einblick in die Transhumanisten-Weltsicht ist das durchaus der richtige Ansatz. Schade ist es jedoch, dass kritische Stimmen hier so gut wie gar keinen Platz finden. Als leichtes Gegengewicht dient hier gerade der eingangs erwähnte Frédéric Beigebeder, dessen Gedanken den Film einrahmen. Ansonsten entsteht hier der Eindruck, dass man doch eigentlich gar nicht gegen die Optimierung des Menschen sein könnte, schließlich ergäben sich daraus doch nur Vorteile. Auch die Biohacker-Szene findet hier ihren Platz, die ganz klar sagt, dass der Handel mit dem ewigen Leben durchaus das Zeug zur Spaltung der Gesellschaft innehat. An der Fortschrittsideologie an sich wird hier aber natürlich auch nicht gezweifelt. Dieses Ungleichgewicht hinterlässt durchaus einen komischen Geschmack bei Endlich unendlich. Auch wenn es sich hier natürlich nicht um einen journalistischen Beitrag handelt, der zur Objektivität verpflichtet sein sollte.

Das heißt am Ende natürlich nicht, dass dieser Film misslungen ist. Endlich unendlich ist ein gelungener Einblick in diesen Themenkomplex, der zur ausgiebigen Diskussion anregt. Der ganzen ethischen Tragweite wird er zwar nicht immer gerecht, doch bei einem wachen Publikum wird er einige existenzielle Fragen aufkommen lassen. Nicht nur, was die scheinbar unendlichen Möglichkeiten des Fortschritts angeht, sondern auch dahingehend, ob selbst die schmerzhaftesten Dinge nicht bis zu einem gewissen Grad akzeptiert werden müssen.

Endlich unendlich (2021)

Wie wollen wir in Zukunft leben? Akzeptieren wir Geburt, Krankheit und Tod als natürlichen Verlauf unseres Lebens oder wollen wir unsere Evolution selbst in die Hand nehmen und mitbestimmen? Stephan Bergmann geht in „Endlich unendlich“ der Frage nach, was es heißt, als Cyborg zu leben. Er trifft Stars und Vordenker der Cyborg- und Transhumanisten-Bewegung, die durch Experimente mit ihrem eigenen Körper nach einer Optimierung des menschlichen Daseins streben. (Quelle: Film- und Medienstiftung NRW / Österreichisches Filminstitut)

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