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Zeitreisen kommen im Science-Fiction-Genre anscheinend nie aus der Mode. In „The Adam Project“ trifft Ryan Reynold auf sein jüngeres Ich. Der Schauspieler arbeitete erneut mit seinem kanadischen Landsmann Shawn Levy zusammen. Das Ergebnis gibt es auf Netflix.

The Adam Project (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Zurück in die Vergangenheit

Typecasting ist ein Wort, das ein Schauspieler wie Ryan Reynolds nicht gern hören dürfte. Denn der Kanadier beherrscht mehr als nur einen Rollentyp. Inzwischen steckt er jedoch drin in der Typecasting-Falle und kommt nur schwer wieder raus. Einerseits. Andererseits beherrscht Reynolds seine Sache so gut, dass die Engagements über Jahre hinweg gesichert sein dürften. Schon der Beau, den er zu Beginn seiner Karriere in einer Reihe romantischer Komödien hinlegte, hatte eine große Klappe. Seit seinem Superheldenauftritt als „Deadpool“ (2016) ist er auf das Großmaul mit Actioneinlagen abonniert. Seine zweite Zusammenarbeit mit Landsmann Shawn Levy bildet da keine Ausnahme.

Sein volles Potenzial darf Ryan Reynolds hingegen viel zu selten abrufen. Was ihm stattdessen angeboten wird? Figuren mit blendendem Aussehen, die nie um ein verschmitztes Lächeln verlegen sind und Kampfkünste beherrschen, die jeden Gegenspieler mühelos einen Kopf kürzer machen. Das lose Mundwerk darf natürlich nicht vergessen werden. Stehen dann noch ein paar gut geschriebene Pointen im Drehbuch, dann kann Reynolds aus solchen Dürftigkeiten durchaus Ansehnliches herausholen. Denn seiner Mischung aus Sexappeal, bubenhaftem Charme und rotzfrecher Überheblichkeit kann man sich wahrlich nur schwer entziehen.

Mal geht diese Mischung auf wie im eingangs erwähnten Deadpool oder in Shawn Levys Videospiel-Fantasie Free Guy (2021). Mal geht sie gewaltig daneben wie jüngst im lieblos heruntergenudelten und in seiner Formelhaftigkeit erstarrten Red Notice (2021). Levys neuer Film steht irgendwo dazwischen. Nach zehn Jahren in der Produktionshölle (ursprünglich sollte es schon 2012 losgehen, damals noch mit Tom Cruise in der Hauptrolle) und mehreren Drehbuchfassungen ist es viellicht auch wenig überraschend, dass es bei The Adam Project doch an einigen Stellen holprig zugeht: gelungener Auftakt, mittelprächtiges Mittelstück, lahmer Showdown, halbwegs geglücktes Ende. Ein Film, der immer mehr an Fahrt verliert, je länger er dauert.

Als der Kampfpilot Adam (Ryan Reynolds) durch ein künstlich erzeugtes Wurmloch aus dem Jahr 2050 zurück ins Jahr 2022 stürzt, ist nicht nur dem Publikum, sondern auch dem für sein Alter viel zu kleinen, zwölfjährigen Adam (Walker Scobell) ziemlich schnell klar, dass hier sein zukünftiges Ich vor ihm steht. Statt postwendend die Welt zu retten, leckt der alte Adam erst einmal seine Wunden, bringt seinem jüngeren Ich eine Lektion in Selbstbewusstsein bei und leistet bei seiner Mutter Ellie (Jennifer Garner) indirekt Abbitte für sein früheres Verhalten. Dann geht schlagartig die Post ab und aus dem heimeligen Homemovie wird ein rasendes Roadmovie.

Adams totgeglaubte Ex Laura (Zoe Saldana) ist quicklebendig und schon vor Jahren in die Vergangenheit gereist, um just in diesem Moment wie Gott aus der Maschine zu springen, um die bösen Buben zu Led Zeppelins Song Good Times Bad Times zu vermöbeln. Warum Laura später nicht beim Showdown dabei ist, für den Adam und Adam weitere vier Jahre zurück in die Vergangenheit reisen, obwohl Laura ursprünglich exakt in diese Zeit gereist war, ist eines der vielen losen Enden, über die man sich in Zeitreisefilmen nicht zu sehr den Kopf zerbrechen sollte. Nach ein wenig Aufklärungsarbeit, um das Publikum auf den neuesten Stand zu bringen, ist sie auch schon wieder verschwunden, wie übrigens auch Jennifer Garners Figur. 

Ab hier übernimmt dann ja auch Mark Ruffalo, der Adams Vater Louis spielt, eben jenen Wissenschaftler, der die ganze Zeitreise-Malaise erst ins Rollen gebracht hat und dabei all seine im Marvel Cinematic Universe erworbene Bruce Bannersche Nerdigkeit zur Geltung bringen kann. Überhaupt verströmt der Film einen immensen Comic-Vibe, immerhin haben Reynolds, Ruffalo, Garner und Saldana allesamt schon Superwesen verkörpert. Und noch ein zweiter Vibe ist in diesem Film zu spüren: Wenn das Flugzeug des alten Adam mitten im Wald abstürzt, der direkt hinterm Haus des jungen Adam beginnt, dann erinnert all das natürlich an jedes 1980er-Kleinstadtidyll, in das von außen eine übernatürliche Bedrohung einbricht – weniger im Sinne von Stephen King, als vielmehr im Geiste von Steven Spielberg.

Zu Beginn gelingt Shawn Levy diese Reminiszenz ausgesprochen gut. Er nimmt sich Zeit fürs Zwischenmenschliche. Die Chemie zwischen Ryan Reynolds und Walker Scobell stimmt, die Pointen sitzen. Und die mitunter ungeschickte Kampfchoreografie wird von einem flotten Oldschool-Rock-und-Blues-Soundtrack geschickt übertüncht.

Wie in so vielen Actionfilmen steht und fällt aber alles mit dem Bösewicht, in diesem Fall einer Bösewichtin. Und hier ist Catherine Keener als Tech-Milliardärin Maya Sorian (egal ob in ihrer alten oder der grauslich computergenerierten jungen Gestalt) eine glatte Fehlbesetzung. Tatsächliche Gefahr will diese Figur einfach nicht ausstrahlen. Und auch ihre Motive bleiben — sieht man von persönlicher Bereicherung ab — vage und unglaubwürdig.

Am Schluss gibt es dann noch den Versuch, aus einem Zeitreise-Action-Spektakel auch einen Film über Vaterschaft und vertane Chancen zu machen. Die Reminiszenz ist hier ebenso überdeutlich (und wird im Film auch erwähnt). Von Zurück in die Zukunft des Spielberg-Zöglings Robert Zemeckis ist The Adam Project aber gleich mehrere Zeitreisen entfernt. Levys Film ist einer, den man locker auf der Couch weggucken kann. Netflix and chill! Aber eben auch einer, der die Zeit nicht allzu gut überdauern wird.

The Adam Project (2022)

Ein zeitreisender Pilot tut sich mit seinem jüngeren Ich und seinem verstorbenen Vater zusammen, um mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und die Zukunft zu retten.

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