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Was passiert mit einer Stadt, die einst kaiserliche Residenzstadt war? Das lotet der Argentinier Gastón Solnicki in „A Little Love Package“ in seiner Wien-Hommage aus. Doch das Experiment aus kleinen Stadtansichten und Miniportraits funktioniert nicht so recht.

A Little Love Package (2022)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Fragmente einer Stadt

Es ist das Ende einer Ära, einer Kultur: 2019 wird in Österreich das Rauchen in Innenräumen verboten. Wer einst in Kaffeehäusern die Zigarette zum Kaffee genossen hat, muss fortan nach draußen gehen, um zu rauchen. Aufkleber werden von Glastüren gekratzt, Verbotsschilder angebracht. Gastón Solnicki nimmt dieses Ende der Kaffeehauskultur zum Anlass und Anfang für seinen fünften Film, „A Little Love Package“, der die österreichische Hauptstadt aus einer ganz eigenen Perspektive zeigt.

Der Argentinier verweilt mit seiner Kamera länger in einem Museum voller Steine vor Kristallen als im Kunsthistorischen Museum vor Bruegels „Turmbau zu Babel“; er zeigt einen Kanal, der eher ein Rinnsal ist und nicht die stadtprägende Donau. Das Schaufenster eines Pelzmantel-Geschäfts, ein Raum, in dem Käse gelagert wird, eine Schuhmacherei – Solnicki sucht Ecken, an die ein Wiener vermutlich vorbeigehen und die er übersehen würde.

Der Filmemacher spürt im Kaffeehaus wie beim Maßnehmen des Schuhmachers die vergangene Pracht der Stadt auf, weist aber unmissverständlich auch auf ihre Vergänglichkeit hin. Das hat Charme, und doch wirkt der Film oft nur wie ein Fotoalbum, das man durchblättert, von dem aber wenig haften bleiben wird. Selbst wenn man sich über eine Einstellung, eine Sequenz wundert, hat man sie in der nächsten fast schon wieder vergessen. Die Kraft der Bilder seiner früheren Filme wie Kékszakállú erreicht er mit A Little Love Package nicht.

Lose verbunden werden Solnickis Wien-Ansichten durch die Geschichte um zwei Frauen, die eine Wohnung suchen, die Erzählerstimme des mexikanischen Schriftstellers Mario Bellatin und andere Figuren, die immer wieder an unterschiedlichen Orten auftauchen und von Laiendarstellern gemimt werden. Ein Drehbuch gab es nicht, die Darsteller haben improvisiert. Ein Masseur erzählt von seiner Arbeit, ein Kaffeehausbesitzer auch, eine Klavierlehrerin fordert eine Schülerin auf zu improvisieren, macht ein Bett und setzt sich Szenen später selbst ans Klavier. A Little Love Package versammelt eine Vielzahl von Vignetten, versucht, durch diese Miniportraits den Charakter der Stadt herauszuarbeiten, und erinnert damit an die spanischen Stadtromane vergangener Zeiten.

Am meisten Raum gibt der Film den beiden Frauen: Angeliki ist auf Wohnungssuche, Innenarchitektin Carmen soll ihr dabei helfen. Die beiden flanieren durch die Stadt und durch herrschaftliche Altbauwohnungen, die aber eben alt sind. Angeliki findet an jeder etwas auszusetzen: ein alter knarzender Boden, die Farbe der Badfliesen, die Größe, die Umgebung, in der die Wohnung liegt. Diese Wohnung werde bestimmt zu heiß sein im Sommer, klagt sie. Nein, entgegnet da die Freundin, es werde nicht zu heiß im Sommer, das sei Wien. In diesen Momenten versprüht der Film Witz und auch Charme, doch leider sind diese Momente zu selten, um den Film zu tragen.

Andere sind skurril, zum Beispiel wenn ein junger Mann in großer Anstrengung ein Treppengeländer heraufklettert und sich dann einen Berg hinabrollen lässt. Und dann wirkt der Film wie eine Versuchsanordnung, ein Experiment, das aber nicht so ganz funktionieren mag. Im letzten Drittel folgt A Little Love Package Carmen nach Andalusien, wo ihre Eltern leben. Zusammen mit ihrer Tochter Uma reist sie dorthin, muss sich aber vor allen Seiten rechtfertigen. Dann schwenkt der Film zurück nach Wien zu Angeliki.

Die vielen kleinen Fragmente, die der Film andeutet und anerzählt, wollen allerdings kein rechtes Gesamtbild ergeben. Das Experimentelle an A Little Love Package muss einem gefallen, sonst schweift man schnell ab. Denn die Bilder bleiben nicht haften, sind oft zu klischeehaft oder belanglos, als dass man sie mit aus dem Kinosaal nimmt. Schade – aus dem originellen Einstieg hätte man so einiges machen können.

A Little Love Package (2022)

Wien, 2019 – das Ende einer Ära. Mit dem Rauchverbot an öffentlichen Orten verschwindet auch ein Stück Kaffeehauskultur. Gerade jetzt versucht Angeliki, mit Unterstützung ihrer Innenarchitektin Carmen eine Wohnung zu kaufen. Aber immer hat sie etwas auszusetzen: Die Holzböden knarren, die Fliesen haben die falsche Farbe, die Nachbarschaft eines Restaurants beunruhigt sie. Wie soll sie in solcher Umgebung jemals ein neues Zuhause finden? Carmen hat das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Außerdem versteht sie nicht, warum Angeliki so auf ihrem Geld sitzt.

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