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Die AfD ist trotz aller jüngeren Verluste eine ungebrochene, rechtsextreme Größe in Deutschland. Simon Brückners Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ versucht ihr genau auf die Finger zu schauen – diese Nähe ist allerdings nicht ungefährlich.

Eine deutsche Partei (2022)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Nicht wegsehen

Der Titel von Simon Brückners Dokumentarfilm verkündet bereits seine Perspektive: „Eine deutsche Partei“ beobachtet die Alternative für Deutschland im Zeitraum von 2019 bis zur letzten Bundes- und Landtagswahl und filmt sie dabei zuerst einmal eben als eine deutsche Partei in aller Alltäglichkeit: Sitzungen und Meetings, Diskussionen um den Wahlkampf, Geschachere um politische Positionen, das mühsame Arbeiten an der öffentlichen Wahrnehmung und immer wieder die Reibung zum rechtsextremen „Flügel“ der AfD und ihrer Jugendorganisation, der Jungen Alternative. Was gibt es dort zu sehen, wenn ganz nüchtern und zurückhaltend eine Kamera mit im Raum ist?

Nachdem die AfD 2016 sehr stark in mehrere Landesparlamente einziehen konnte, sagte Ursula von der Leyen bei Anne Will einen vielzitierten Satz, der einer Hoffnung Ausdruck verlieh, die Partei werde sich schon rechtzeitig selbst demontieren: „Von jetzt ab gibt es nicht mehr Lügenpresse, von jetzt ab gibt es Landtagsprotokolle.“ Bekanntlich hat diese Hoffnung sich nicht erfüllt, und trotz der Verluste bei den jüngsten Wahlen hält die AfD sich als rechtsextreme Größe in der deutschen Politik. Eine deutsche Partei will also noch einmal hinsehen, genau an die Orte, an denen es um Protokolle, um politischen Alltag geht. Was macht diese Partei, wie funktioniert sie in ihrem Innern, und welche Risse offenbaren sich?

Der Film selbst hält sich zurück, es gibt keine Rahmenerzählung außer einer Einteilung in sechs Episoden und keine äußere Einordnung der Situationen und Gespräche, die Eine deutsche Partei so ausdauernd begleitet. Der Fokus liegt ganz auf den Menschen in unterschiedlichen Positionen innerhalb der Partei. Georg Pazderski etwa erscheint als eine auf Vernunft und Kalkül drängende Kraft, Frank-Christian Hansel bemüht sich um die Oberhand in der Berliner AfD, Aaron Kimmig versucht in der Jungen Alternative ein Profil zu entwickeln, Anna Leisten macht Wahlkampf in Brandenburg.

Immer wieder gewährt der Film über diese verschiedenen Perspektiven auf den Parteialltag einen Einblick in die Risse, die tief durch die AfD gehen. Alle Diskussionen scheinen zwangsläufig zurückzuführen zu der Frage, wie nun mit dem „Flügel“ umzugehen ist, welches Profil nach außen die meisten Stimmen bringt, welche Inhalte sich den Wähler*innen überhaupt verkaufen lassen. Gerade weil Eine deutsche Partei dabei als Film nicht eingreift, etwa keine Interviews führt, sondern einfach teilnimmt und dort genau hinschaut, wo die Politik der AfD tatsächlich gemacht wird und Form annimmt, ist es schließlich auch die Partei selbst, die ihre Widersprüche und Inhaltsleere offenlegt. Oft führen Diskussionen an Punkte, an denen jede inhaltliche Verständigung mit dem Pochen darauf weggewischt wird, dass über allem nun einmal der Stimmenfang stehe, das Kalkül, der berechnete Skandal.

Damit enthüllt Eine deutsche Partei zwar nichts, denn die Taktiken der AfD sind längst bekannt, der Film gibt aber nun der Partei selbst allen Raum, dies sichtbar zu machen. Einerseits ergibt sich daraus ein ungewöhnlich genaues Bild der politischen Arbeit in Deutschland, andererseits kommt der Film den Menschen, die in seinem Mittelpunkt stehen, dabei so nah, dass nicht selten Empathie entsteht: Gelingt Hansel die Wahl zum Vorsitzenden in Berlin oder wird er von einem Kontrahenten des Flügels ausgestochen? Wie fühlt Georg Pazderski sich, als er nach einer Niederlage um einen Posten im Bundesvorstand erfährt, dass er zu einer Feier der Wahlsieger nicht eingeladen ist?

Es ist schwierig, mit dieser Nähe etwas anzufangen. Natürlich haben auch AfD-Politiker Wünsche und Träume – aber geht es darum? Was macht ein Dokumentarfilm über eine demokratiefeindliche und rechtsextreme Partei, wenn er Verständnis weckt? Es wird damit unklar, worauf der Film eigentlich zielt: Einerseits fängt er immer wieder die Alltäglichkeit der Sitzungen durch Momente ein, in denen unzweideutig klar wird, wie tief etwa Rassismus oder die Ablehnung des Grundgesetzes die AfD durchziehen. Auf der anderen Seite sind genau diese Tatsachen wahrlich keine Neuigkeiten, und der Film will eigentlich durch sie hindurch in das Innere der Partei vordringen, in ihre ganze kleinteilige Bestrebung nach Macht, der alles andere untergeordnet wird. Dieser Versuch gelingt jedoch nur stellenweise – im Weg steht die eigentümliche und unangebrachte Nähe zu den Menschen, zu ihren Motivationen und politischen Ambitionen. Empathie mag nicht das Ziel von Eine deutsche Partei sein, aber sie ist ein unweigerlicher Nebeneffekt, der nicht aus dem Film zu streichen ist. Darunter leidet die Nüchternheit, mit der der AfD hier eigentlich einen Platz zur Selbstzerlegung gegeben wird.

Eine deutsche Partei (2022)

Der Kino-Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ zeigt Innenansichten der Partei „Alternative für Deutschland“. Er taucht ein in das Arbeitsleben der Politiker und Funktionäre der Partei, die in den letzten Jahren, durch zunehmenden Extremismusverdacht, auf sich aufmerksam gemacht hat. Das Publikum ist mitten im politischen Geschehen und erlebt die Richtungskämpfe der populistischen Partei, das Aufbegehren ihrer Anhänger gegen ein dekadentes Establishment”. Es erlebt die Eigendynamiken der AfD, ihre Ressentiments, Ideenwelten und Selbstinszenierungen. Der fortgesetzte Rechtsdrift der in Teilen vom Verfassungsschutz beobachteten Partei erweist sich als ebenso real wie die Existenz der Träume von Koalitionsfähigkeit und Regierungsbeteiligung. Demagogen und Taktierer begegnen gekränkten Konservativen, Gegnern des Zeitgeistes und politischen Anfängern auf der Suche nach dem ganz Anderen.

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Meinungen

Mustafa D. · 22.02.2022

Ich fand den Film sehr gut. So eine Art von Film habe ich noch nicht gesehen. Normalerweise ist alles immer durchkommentiert und immer das selbe. Habe Interviews mit dem Regiseur gesehen. Interessanter Typ auf jeden Fall und klug. Verstehe die Kritik von dem Mann hier nicht.

Clara Schwartz · 21.02.2022

Die Kino Zeit Kritik zum Film ist sehr undifferenziert und schafft es leider nicht, die Feinheiten des Films einzufangen, geschweige denn, zu begreifen. Warum darf man sich nicht die Freiheit nehmen und keine Empathie gegenüber anderen Menschen verspüren, um sich dann wieder von ihnen, ihrer Meinung und Position zu distanzieren? Ist das denn das große Thema des Films? Ich sage: Nein. Man sollte diesen Film nicht als einen Versuch sehen, Brücken zwischen verschiedenen Lagern schlagen zu wollen und ein Verständnis gegenüber Rechten Positionen zu schaffen. In diesem Film geht es um keine Brücken. Es geht um keine Bühnen, weder für Rechte, noch Linke. Es geht darum, ein unaufgeregtes Portrait, dieser aus der gesellschaftlichen Mitte heraus entstandenen Partei zu zeichnen, um es zu zerlegen. Es geht auch um die, um es mit Hannah Arendt zu zitieren, "Banalität des Bösen". Extremität sollte nicht erst erkannt werden, wenn sie sich mit Fackelzügen, Wut und Hass ihren Weg bahnt. Das ewige Wegschauen, nicht verstehen wollen und arrogante ignorieren hat diese deutsche Partei erst groß gemacht. Über etwas Bescheid wissen bedeutet nicht zwangsläufig es auch zu verstehen. Und gegen Rechts hat noch kein moralisch erhobener Zeigefinger geholfen, da macht es sich der Kritiker zu leicht. Wieder arrogant-ignorant. Leider.