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In den 1970er Jahren beschließen eine Jenaer Medizinstudentin und ihr Freund aus der Bundesrepublik, sich vom Eisernen Vorhang nicht länger trennen zu lassen. Doch mit dem Leben im Osten wird es nichts, weil die DDR zickt. 50 Jahre später blicken sie in diesem Dokumentarfilm zurück auf das Abenteuer, rüberzumachen.

Sorry Genosse (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Dann eben Republikflucht

Vor rund 50 Jahren, als er ein junger linker Student in Frankfurt war, hätte Karl-Heinz für seine Liebe Berge versetzt. Der Eiserne Vorhang war jedoch selbst für ihn nicht so leicht zu überwinden. Weil ihn dieser von der Medizinstudentin Hedi trennte, war Karl-Heinz fest entschlossen, zu ihr in die DDR überzusiedeln. Aber der Arbeiter- und Bauernstaat wollte ihn nicht einfach so aufnehmen, sondern als Spitzel im Westen missbrauchen. Also entwickelte Karl-Heinz Plan B, Hedis abenteuerliche Republikflucht. Nun erzählen die beiden Senioren die unglaubliche Geschichte ihrer Liebe vor der Kamera.

Bei diesem Dokumentarfilm, mit dem die Regisseurin Vera Brückner ihr Studium an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen abschloss, zieht die Spannung im Verlauf so an und wird die Possenhaftigkeit der Ereignisse so übermütig gefeiert, als habe Hollywood Regie geführt. Der Stoff scheint auch wie geschaffen für die Traumfabrik. Denn er bricht aus dem tragischen Schema der Liebesgeschichten aus, in denen zwei junge Menschen gegen die Unerbittlichkeit der deutsch-deutschen Grenze anrennen. In Wie Feuer und Flamme von 2001 oder Zwischen uns die Mauer von 2019 – von wahren Ereignissen inspirierten Spielfilmen – erwartet die Verliebten ein Leidensweg, ihr Idealismus prallt auf dem Boden einer brutalen Realität auf.

Zunächst lässt auch die Geschichte von Karl-Heinz und Hedi Ähnliches erwarten. Die beiden Senioren treffen sich vor der Kamera, um zu erzählen und sich aus den vielen Briefen vorzulesen, die sie sich damals schrieben. Im zarten Alter angehender Abiturienten hatten sie sich 1969 in Hedis Heimatort Oberellen auf einer Familienfeier kennengelernt. Erst zwei Jahre später konnten sie sich wiedersehen und die Liebe entflammte vollends. Hedi kämpft mit den Tränen, als sie schließlich auch den Brief vorliest, in dem sie von Karl-Heinz Abschied nehmen will. Hier und da ein gemeinsames Wochenende in Prag, das war auf Dauer einfach zu wenig!

Selbst nachdem Karl-Heinz 1972 einen offiziellen Antrag zur Einbürgerung in die DDR stellte, ließ das Regime das Paar nicht glücklich zusammenkommen. Beide gerieten ins Visier der Stasi, die Karl-Heinz zum Inoffiziellen Mitarbeiter namens Egon machte und ihn im Westen einsetzen wollte. War eine Trennung doch unvermeidlich, um nicht unter die Räder zu geraten? Trotz der Dramatik der Geschichte nimmt der Film bis hierhin, mit den Erzählungen der Senioren, mit Archivmaterial, Fotografien, Voice-Over-Kommentar der Regisseurin und nostalgisch-bewegt anmutenden Songs einen eher gemächlichen Verlauf.

Das Tempo der Inszenierung ändert sich, als der Fluchtplan von Karl-Heinz zum Thema des Films wird. Mit Hilfe zweier westdeutscher Freunde und einer sehr verwegenen Trickserei sollte Hedi in Rumänien in ein Flugzeug gen Westen steigen.

Nun sorgen auch die spielerischen Mittel dafür, dass der Film sehr kurzweilig wirkt. Brückner setzt die Protagonisten wiederholt einzeln an einen Tisch, vor einfarbige Hintergründe, um sie den Plan und die tatsächlichen Verwicklungen mit kleinen Handlungen kommentieren zu lassen. Es werden Handschellen hochgehalten, Puzzlestücke auf den Tisch geworfen, ein falsches Passbild montiert, der Pass ungültig gestempelt. Diese Leichtigkeit der Mittel überträgt sich auch auf die vier Beteiligten. Sie müssen oft schmunzeln, wenn sie erzählend die Kette von Pleiten, Pech und Pannen aufrollen, zu der ihr Coup streckenweise geriet. Einmal nahmen sie in Rumänien den falschen Zug, der sie vorschnell zurück an die Grenze brachte, ein andermal fanden sie ihr Schließfach nicht mehr.

Wer kann schon von sich behaupten, den grimmigen Ostblock genarrt zu haben, und das auf so unwahrscheinlich simpel klingende Weise? Diese fantastische Geschichte und der schalkhafte Humor ihrer Präsentation gehen eine beglückende Kombination ein.

Sorry Genosse (2022)

Um bei seiner großen Liebe Hedi sein zu können, will Karl-Heinz in die DDR übersiedeln. Doch der Druck der Stasi, die ihn instrumentalisieren will, zwingt das Paar zu einer aberwitzigen Flucht über Rumänien, bei der alles schiefgeht, was schiefgehen kann.

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Meinungen

Britta Korthaus · 19.04.2023

Sehr unterhaltsam, verschmitzte „Stars“, und gute Regie!

Ingrid · 12.02.2023

Ein wirklich sehenswerter Film