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„Komm mit mir in das Cinema — Die Gregors“ ist ein dokumentarisches Porträt über das Ehepaar Erika und Ulrich Gregor, die den „Freunde der Deutschen Kinemathek e.V.“ und Berliner Kino Arsenal gründeten – und mit damit nicht nur Zeugen, sondern auch prägende Protagonisten der deutschen Filmkultur seit den 50ern waren.

Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors (2022)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Ein Streifzug durch die Filmkultur

Pate für den Titel „Komm mit mir in das Cinema — Die Gregors“ stand ein Gedicht von Else Lasker-Schüler:

„Komm mit mir in das Cinema / Dort findet man, was einmal war / Die Liebe“

lauten dessen erste drei Zeilen. Die Liebe, um die es im Falle dieses Dokumentarfilms geht, ist eine doppelte: die von Erika (*1934) und Ulrich Gregor (*1932) zueinander – und ihre gemeinsame zum Kino. Eine Liebe, der viele, viele Taten folgten: Als Paar prägten sie die Filmkultur in Westberlin und darüber hinaus über Jahrzehnte hinweg und noch bis heute. Nun werden sie selbst zu Subjekten eines Films.

Dafür hat Alice Agneskirchner (Auf der Jagd: Wem gehört die Natur?) umfangreiches Material zusammengetragen: Sie verknüpft Interviews mit den Gregors und Filmgrößen wie Jutta Brückner, Doris Dörrie, Wim Wenders, Jim Jarmusch, Alexander Kluge oder Rosa von Praunheim mit unzähligen historischen Aufnahmen sowie Ausschnitten jener Filme, die im Leben und Wirken der Gregors eine besondere Rolle spielten.

Der erste davon: Menschen am Sonntag (1930), der 1957 im Studentenfilmclub der Freien Universität Berlin läuft. Ulrich leitet die anschließende Diskussion, bei der Erika, eigentlich Geschichtsstudentin, als einzige die Misogynie des Films kritisiert und sich damit einen gewissen Ruf erarbeitet. Beide treffen und verlieben sich, gründen 1963 den „Freunde der Deutschen Kinemathek e.V.“, 1970 das Kino Arsenal und sind ein Jahr später beteiligt, als die neue Sektion „Internationales Forum“ bei der Berlinale ins Leben gerufen wird, das Ulrich von 1980 bis 2000 dann auch leitet.

Das Herz der Gregors schlug und schlägt bis heute für die Filmkultur abseits des Mainstreams, der anfangs von vom Heimatfilm, später dann von Hollywoods Kommerzkino dominiert wird. Sie zeigten als erste in Deutschland Filme von Andy Warhol und Jim Jarmusch, heutige Klassiker wie Tarkowskis Stalker (1979) oder auch Claude Lanzmanns Shoah (1985). Sie ließen die Großen des deutschen Expressionismus und des angloamerikanischen Slapsticks (die Marx Brothers, Laurel und Hardy) auf die Leinwand zurückkehren. Und sie organisierten in den 80ern Mitternachts-Screenings von Martial-Arts-Filmen, die jene Berliner mit einem ostasiatischen Migrationshintergrund in Scharen anlockten.

Zweieinhalb Stunden nimmt sich Agneskirchner für diesen Streifzug durch die Nachkriegs-Geschichte der Westberliner Filmkultur Zeit und füllt diese Minuten mit einer gesunden Mischung aus historischen, persönlichen und cineastischen Anekdoten, die regelmäßig zu überraschen oder zum Schmunzeln bringen. Vor allem aber sind es die Gregors, die diesen Film mit ihrer charmant-kompetenten Art und bedachten Wortwahl tragen. Wer von deren gemeinsamer Liebe für das Kino bisher noch nicht angesteckt wurden, die/den erwischt es spätestens mit Komm mit mir in das Cinema.

Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors (2022)

Ein Leben ohne Kino ist möglich, aber sinnlos. Getreu dieser Devise sind Erika und Ulrich Gregor seit 1957 überall auf der Welt unterwegs gewesen, um ungewöhnliche Filme zu finden und nach Berlin zu holen. In einer assoziativen Montage verbinden sich Filmgeschichte, bundesdeutsche und Berliner Zeitgeschichte mit dem heutigen Leben der Gregors, flankiert von den Aussagen vieler Wegbegleiter. 

 

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