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2017 kam ein angeblich verlorenes Originalgemälde von Leonardo Da Vinci bei Christie’s unter den Hammer und erzielte 450 Millionen US-Dollar. In der Zwischenzeit ist es wieder verschwunden, und damit bleiben weiter die Zweifel an seiner Echtheit. Andreas Koefoed nimmt sich dieser modernen Schatzsuche an. 

The Lost Leonardo (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Echt oder unecht?

Dass es auf Kunstauktionen in regelmäßigen Abständen zu außergewöhnlichen Funden und entsprechend spektakulären Verkäufen kommen kann, ist nichts Neues. Ein Gemälde brach 2017 allerdings alle bisher bekannten Rekorde. Ein saudischer Prinz zahlte über 450 Millionen US-Dollar für den „Salvator Mundi“, das als verlorenes Originalwerk des Renaissance-Malers Leonardo da Vinci gehandelt wurde. Doch bis es dazu kam, ging das Bild über ein Jahrzehnt durch viele verschiedene Hände und spaltete vor allem die Experten weltweit in ihrer Meinung in Bezug auf seine tatsächlichen Echtheit. 

Die Polemik zu diesem Gemälde macht der dänische Regisseur Andreas Koefoed zum Thema seines vielseitigen Dokumentarfilms, der sich stellenweise wie ein spannender Kriminalfilm anfühlt. Gleich im Vorspann nutzt The Lost Leonardo dann auch eine Ästhetik, die an Abenteuerfilme à la Indiana Jones erinnert. Wie bei einer Art Schatzsuche geht Koefoed tatsächlich vor, doch schon nach wenigen Minuten ist klar, dass es sich hier um eine seriöse Auseinandersetzung mit der Geschichte handelt. Parallelen zu The Da Vinci Code lassen sich zwar nicht ganz wegdenken, doch zeigt das in erster Linie, wie viel Potential für Enigmatisches und Rätselhaftes kunstgeschichtliche Forschung bereithalten kann. 

Aufgeteilt hat Koefoed seinen Film in drei Teile mit den jeweiligen Titeln „The Art Game“, „The Money Game“ und „The Global Game“. Bewusst wählt er hier das Wort „Spiel“, um zu verdeutlichen, wie spekulativ jeder der erwähnten Bereiche funktioniert. Mit seinem Film gelingt es ihm auch, den Nervenkitzel, der für seine Protagonisten einen Teil der Motivation ihres Handelns ausmacht, zu erfassen. Gleichzeitig glaubt man, bereits in der Kapitelbezeichnung eine gewisse Ironie zu spüren, die moderat, aber dennoch konstant in The Lost Leonardo vorhanden ist. Es ist nicht etwa so, dass der Autor seine Protagonisten bloßstellt. Doch die Parallelisierung zwischen ihren Aussagen auf der einen Seite und den späteren Entwicklungen im Fall des Gemäldes auf der anderen erzeugen zwangsläufig eine gewisse unfreiwillige Komik. 

Insgesamt geht der Film äußerst respektvoll mit den Menschen um, die er vorstellt. Es war sicherlich notwendig, ein Vertrauensverhältnis zu ihnen zu schaffen, da sie sich zum Teil doch stark exponieren. Das erste Kapitel ist dafür das repräsentativste. Im Interview-Stil befragt Koefoed verschiedene Experten, darunter besonders die zwei Galeristen, die überhaupt begannen, den „Salvator Mundi“ als echten Leonardo zu bezeichnen, und die Restauratorin, die diesen später restaurierte. Hier kommt eindrücklich die gewisse Tendenz einiger US-Amerikaner zum Ausdruck, sich in der Beschreibung eigener Verhältnisse maßloser Superlative zu bedienen. Selbstverständlich handele es sich um den allergrößten Fund aller Zeiten und der ganzen Welt, den die beiden Kunsthändler mit dem Bild gemacht haben, und die Amerikaner wussten immer schon, dass Leonardo der größte Maler der Weltkunstgeschichte sei. Die Aussagen werden geschickt mit entsprechend bedeutungsschwangerer Musik hinterlegt, um ihren Charakter noch zu unterstreichen.

Auf die gleiche Weise geht der Film auch bei den Szenen mit der Restauratorin Dianne Dwyer Modestini vor. Die ältere Dame, die den Auftrag kurz nach dem Tod ihres Mannes angenommen hatte, ergießt sich in Pathos. Sie spricht von einer intimen Verbindung mit dem Bild, die auf gewisse Weise ihren Verlust kompensiert habe. Modestini ist eine tragische Figur, weil sie im Nachhinein stark angefeindet wurde für ihre Meinung bezüglich der Echtheit des Bildes, aber auch dafür, offenbar recht umfangreich ins Gemälde eingegriffen zu haben. An diesem Beispiel schafft es The Lost Leonardo, ein authentisches Gefühl dafür zu vermitteln, wie ein Diskurs über Kunst in der Regel aussieht und welches Gewicht Meinungen dabei haben. Sicherlich gibt es einige sichere Methoden, die es erlauben, echte Schlüsse über die Authentizität eines Kunstwerkes zu ziehen, doch vielfach dienen Hinweise und stilkritische Vermutungen als letzte Methoden für eine Zuschreibung. 

Dies kommt noch gezielter im zweiten Teil des Films zur Geltung, in dem die Galeristen versuchen, das Bild nach der Restaurierung zu verkaufen und bei den etablierten Sammlungen eine Absage nach der anderen erhalten. Auf dem Parkett erscheint schließlich die zwielichtige Figur eines Genfer Händler, Yves Bouvier, der das Gemälde erst einem russischen Oligarchen verkauft, aber dann zurücknehmen muss und dafür verantwortlich ist, dass der „Salvator Mundi“ am Ende in einer Auktion bei Christie’s landet. Mit Bouvier verstärkt sich noch ein letztes Mal der Kriminalfilmcharakter von The Last Leonardo. Bereitwillig erzählt dieser nämlich von seinem angeblich riesigen Vermögen und seiner herausragenden Vernetzung. Dass der Schein trügt und vor allem mit Bouviers Geschäften eindeutig etwas krumm ist, wird schnell klar. 

Koefoed, der selbst nicht aus dem Kunstbereich kommt, aber erfahrener Dokumentarfilmemacher ist, hat sich bemüht, die Verhältnisse und Mechanismen des Kunstmarkts verständlich und fast pädagogisch aufzubereiten. Die Produktion, in der Reihe Sony Classics, ist hochwertig und ermöglichte eine umfassende Auseinandersetzung. In diesem, was anzunehmen ist, weitgehend vorgegebenen Rahmen schafft es der Regisseur, in der Inszenierung zu variieren und sie an den Stil der verschiedenen Teile anzupassen. Durch seine Dichte der Erzählung ist der Film nicht nur informativ, sondern hält er zudem auch die Spannung. 

Als interessante Einzelheit lässt sich zudem Folgendes erwähnen: Da das Gemälde zum Zeitpunkt der Produktion bereits der Öffentlichkeit entzogen wurde – und noch heute spekuliert man, ob es sich irgendwo in Saudi Arabien oder in einem Schweizer Freizolllager befindet -, sind alle Szenen, die nicht aus Archivmaterial gespeist sind, und das Bild zeigen, rekonstruiert. Es wurde also für den Film eine Kopie des Bildes erstellt. Das ist eine Tatsache, die über die rein technische Notwendigkeit hinaus im Grunde dem Film eine philosophische Ebene gibt, indem er die ewige Diskussion über das Verhältnis von Original und Kopie widerspiegelt. 

The Lost Leonardo (2021)

„The Lost Leonardo“ ist die Insider-Geschichte hinter dem Salvator Mundi, dem teuersten Gemälde, das für 450 Millionen US-Dollar verkauft wurde. Das Schicksal des Salvator Mundi wird von unersättlichem Streben nach Ruhm, Geld und Macht angetrieben, beginnend in jenem Moment, als das Gemälde in einem dubiosen Auktionshaus in New Orleans für 1175 US-Dollar gekauft wird und der Restaurator unter dem dicken Firnis der billigen Restaurierung meisterhafte Pinselstriche der Renaissance entdeckt. Mit Emporschnellen des Preises vermehren sich auch die Fragen nach der Authentizität des Gemäldes: Ist es wirklich ein Werk Leonardo da Vincis?

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Meinungen

Dr. Klaus von Lindeiner · 06.01.2022

Meine Frau und ich haben den Film heute (6. Januarv2022) im Neuen Rex in München gesehen und fanden ihn hervorragend. Er zeigt die schlimmen Verwerfungen des Kunstmarktes als "packenden Krimi"- Persönliches Fazit eines Laien: mich überzeugen die Argumente, die gegen die Echtheit des Bildes als "Leonardo" sprechen