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Diana El Jeiroudi wuchs in Syrien auf und lebt in Berlin. In ihrem neuen Dokumentarfilm blickt sie auf ihr Heimatland und sich selbst zurück – und versucht, die eigene Sprachlosigkeit angesichts des immer noch andauernden Bürgerkriegs zu überwinden.

Republic of Silence (2021)

Eine Filmkritik von Falk Straub

In das Schweigen hineinfilmen

Bislang drehte die Regisseurin und Drehbuchautorin Diana El Jeiroudi mittellange Dokumentarfilme. Ihr neuestes Werk ist überlang. Mehr als zehn Jahre liegen zwischen den ersten Aufnahmen und dem fertigen Film. El Jeiroudi nahm um die 600 Stunden Material mit in den Schneideraum. Verlassen hat sie ihn mit einem dreistündigen Dokumentarfilm über ihr Heimatland Syrien, über die Menschen dort und ihr persönliches Umfeld in Deutschland. Eine Reise zu sozialen Spannungen, zu politischen Umwälzungen und zu sich selbst.

Ein Motiv, das in Diana El Jeiroudis neuem Dokumentarfilm mehrfach wiederkehrt, ist der Blick aus dem Fenster ihrer Berliner Wohnung. Am Horizont ist die Kuppel des Fernsehturms auszumachen. El Jeiroudi sitzt ihrem Lebensgefährten Orwa Nyrabi gegenüber. Es fällt kein Wort. Der schweigende Blick nach draußen ordnet den Film und die Gedanken des Publikums. Kleine Verschnaufpausen in einem steten Bilderfluss.

Bevor die Bilder fließen, bleibt die Leinwand zunächst schwarz. „Dieser Film beginnt ohne Bild“, ist dort weiß auf schwarz zu lesen. Weil es kein Bild dafür gebe, was die Regisseurin sah. Ähnlich kryptisch geht es weiter. Worum es in Republic of Silence geht, ist lange nicht klar, womöglich auch deshalb, weil die ersten Aufnahmen noch vor dem Arabischen Frühling entstanden sind und sich die Ausrichtung des Films mit den Ereignissen mehrfach änderte.

Das erste Kapitel begleitet Rami Abou Jamra, offensichtlich ein Mediziner, der in Erlangen lebt und in Syrien den Ursprüngen einer Erbkrankheit nachforscht. Durch den Ausbruch des Krieges werden seine Forschungen unterbrochen. Im zweiten Kapitel geht El Jeiroudis Lebensgefährte Orwa Nyrabia, ebenfalls Filmemacher und Produzent, in den Kriegswirren verloren. Eine bedrückende Zeit lang gilt er als vermisst. Ebenfalls vermisst wird seit 2013 die Rechtsanwältin, Journalistin und Oppositionelle Razan Zaitouneh. Um deren Verschwinden und die Bemühungen, sie wieder auf freien Fuß zu bekommen, dreht sich ein Großteil des dritten Kapitels. Und dann ist da noch die befreundete Filmemacherin Guevara Namer, die ebenfalls in allen Kapiteln auftaucht.

El Jeiroudi wirft uns unvermittelt in ihr Leben und die Leben anderer. In welcher Beziehung die vor der Kamera Gezeigten zur Filmemacherin stehen, kristallisiert sich erst im Fluss der Bilder heraus; bei manchen bleibt es bis zum Schluss im Vagen. Die Einteilung in vier Kapitel und Auszüge aus El Jeiroudis Tagebuch, die als Gedankensplitter auf die Leinwand geschrieben werden, geben alldem etwas mehr Struktur. Sich in der Welt der Porträtierten zurechtzufinden, fällt dennoch schwer. Die Kamera ist mittendrin. Wir sehen die Akteure ungeschminkt, hören ihnen beim nächtlichen Zähneknirschen zu. Und doch bleiben die Menschen fremd. Weil wir trotz all der Nähe zu wenig von ihnen wissen. Weil die künstlerisch anspruchsvolle Form auch immer etwas Künstliches hat.

In diesem Bilder- und Gedankenstrom hat Orwa Nyrabia eine der aktivsten Rollen inne. Unermüdlich kämpft er für seine vom Bürgerkrieg versehrte Heimatstadt Homs, in der im Verlauf des Films immer weniger Menschen ausharren. Diana El Jeiroudi setzt diesem Tatendrang ihre Beobachterrolle entgegen. Ihr Film ist auch ein Weg, die eigene Sprachlosigkeit zu überwinden. Nicht zuletzt steht das Schweigen aus dem Filmtitel aber für die Untätigkeit des Westens, der den Krieg in Syrien so gut wie vergessen hat. El Jeiroudis Film ruft den immer noch andauernden Konflikt wieder ins Gedächtnis.

Republic of Silence ist ein Film, auf den wir uns einlassen, dem wir uns ausliefern müssen. Im Idealfall eröffnet die assoziative Erzählform Gedankenräume, aus denen wir verändert hervorgehen. Im ungünstigsten Fall liefert sie so wenige Antworten, dass die Türen sich gar nicht erst auftun.

Republic of Silence (2021)

Die Regisseurin wuchs in einem Land der Diktatoren und der Überwachung auf, in welchem Bilder zensiert und Fotos verbrannt werden, in welchem die Gedanken geheim bleiben und die Münder geschlossen. Ihr Film beschäftigt sich mit dem Leben zwischen zwei Welten, Deutschland und Syrien. (Quelle: Pressestelle BKM)

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