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Unter dem Titel „Yes, Chef!“ findet der britische One-Shot-Film „Boiling Point“ mit viel Verspätung seinen Weg nach Deutschland. Ein Film, der ein ebenso großer Genuss ist wie vermutlich die exquisiten Menüs, die das im Mittelpunkt stehende Küchenteam auftischt.

Yes, Chef (2021)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Am Konfliktherd

Wer einmal in der Gastronomie gearbeitet hat, kennt diese Abende, an denen wirklich alles zusammenkommt. Viel zu viele Bestellungen, dürftige Vorbereitung, die Neuen in der Küche machen einen Fehler nach dem anderen, persönliche Probleme treiben den Stresspegel nach oben, und dann schaut auch noch der penible Mann vom Gesundheitsamt vorbei. Irgendwann keifen sich alle an – und funktionieren am Ende trotzdem. Genau so ein Dienst steht Andy Jones (Stephen Graham) bevor, als er an einem Abend in der Vorweihnachtszeit die Küche seines Luxusrestaurants „Jones & Sons“ in London betritt.

Von da an folgen eineinhalb Stunden Stress, Ärger, Chaos: Die Managerin Beth (Alice Feetham) hat die Tische hemmungslos überbucht und der Gesundheitsinspektor die Wertung des Restaurant heruntergestuft. Einer der Abwascher kommt viel zu spät. Ein paar penetrante Wannabe-Influencer können nichts mit dem Menü anfangen und wollen lieber schnöde Steaks. Ein rassistischer Gast faucht die Schwarze Kellnerin an. Und dann steht auch noch Andys ehemaliger Partner Alastair Skye (Jason Flemyng) auf der Gästeliste, samt gefürchteter Restaurantkritikerin als Plus eins. Der ganz normale Küchenwahnsinn.

Boiling Point von Philip Barantini, der selbst einmal in eben jener Küche arbeitete, in der dieser Film entstand, hat einen langen Weg hinter sich, feierte bereits 2021 Festival-Premiere, fand aber aber erst jetzt einen deutschen Verleih. Dass das nun doch noch geschehen ist, dürfte auch der neuen Welle an Filmen und Serien zu verdanken sein, die die Küche als großen zwischenmenschlichen Konfliktherd beleuchten, allem voran die gefeierte Serie The Bear. Auch Boiling Point selbst wurde inzwischen um eine vierteilige Serie ergänzt, die die Geschichte fortsetzt.

Doch besser spät als nie. Denn die britische Produktion, die auf Barantinis gleichnamigem Kurzfilm von 2019 basiert und im Deutschen nun Yes, Chef! heißt, ist ein mindestens mittelgroßes Juwel. Nicht nur, aber vor allem deshalb, weil Barantini und sein Kameramann Matthew Lewis den Film als One Shot, als eine einzige durchgehende Plansequenz inszeniert haben.

Die letzte große britische Produktion, die sich (wenn auch „hingetrickst“) daran versuchte, war Sam Mendes1917, in dem sich dieses Inszenierungskonzept derart in den Vordergrund drängte, dass die Konstruiertheit der Plansequenzen und bedächtigen Kamerafahrten dem eigentlichen Authentizitätsanspruch zuwiderlief. Anders bei Yes, Chef!: Dank der mobilen Handkamera und des Kammerspielansatzes (nur zweimal verlässt die Kamera kurz das Restaurant) wirkt es vielmehr, als wäre hier ein Fly-on-the-Wall-Dokumentarfilmteam im Einsatz, das einen Abend im Nobelrestaurant begleitet. Wie schon Sebastian Schippers Victoria bezieht der Film seine immersive Wirkung aus dem Eindruck, in Echtzeit erzählt zu sein.

Alle paar Minuten wechselt die im Fokus stehende Person, mal ist es eine Kellnerin, mal die Managerin Beth, meist Andy, den Stephen Graham als rastloses, getriebenes, hochkompetentes Arbeitstier verkörpert, das sein Privatleben völlig seinem Job geopfert hat. Und dafür nicht nur zum Alkohol greift. An dieser Stelle will Yes, Chef! ein wenig zu viel Drama, und auch dass die anderen Küchenangestellten überwiegend holzschnittartige Stereotype bleiben, lässt den Film sein Potenzial nicht völlig ausschöpfen. Zugleich arbeitet er auf diese Weise aber pointiert die Diversität innerhalb einer solchen Küchenmannschaft heraus. Und auch wenn dieser Abend im „Jones & Sons“ kein normaler, sondern ein ausnehmend stressiger ist: Kein anderer Film stellt den Arbeitsalltag in einer professionellen Küche, ob nun Edelrestaurant oder Systemgastronomie, derart mitreißend dar wie dieser.

Yes, Chef (2021)

Am Freitagabend vor Weihnachten ist ein angesagtes Londoner Luxusrestaurant total ausgebucht. Chefkoch Andy Jones und seine Mitarbeiter stehen wie so oft unter Strom. Ein Inspektor der Gesundheitsbehörde, problematische Gäste und eine Ladung verdorbener Fisch sorgen für zusätzliche Anspannung in der Küche. Zu allem Überfluss taucht auch noch Andys alter Mentor mit einer berüchtigten Restaurantkritikerin auf. Unter Hochdruck versucht der Kochkünstler alle Probleme zu meistern.

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