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Der Dokumentarfilm von Marc Parramon und David Fernández de Castro nimmt das Heranwachsen von Violeta, einem trans Kind, als Ausgangspunkt, um im größeren Rahmen vom Umgang mit trans Menschen in der spanischen Gesellschaft zu erzählen. Dafür finden die Filmemacher eine sensible Tonlage.

Mein Name ist Violeta (2019)

Eine Filmkritik von Michael Kohl

Kinder unter dem Regenbogen

Jemand soll Violeta spielen. Das Filmteam eines Dokumentarfilms baut in einem Studio Kameras, Scheinwerfer und eine Tonangel auf und lädt Kinder zum Casting für die Rolle ein. Doch wie castet man ein trans Mädchen wie Violeta? Schon die erste Frage stellt sich als komplizierter heraus, als sie klingt: „Woher weißt du, dass du ein Junge oder ein Mädchen bist?“ Die Kinder zögern, sie wissen es eben… Sie probieren vor der Kamera Kostüme an – Röcke und Pullover, Caps und Mützen.

Das Geschlecht kennt bereits zu Beginn des Dokumentarfilms Mein Name ist Violeta keine Eindeutigkeit. Den Grund für das Casting gibt die spanische Jugendschutzbehörde, die minderjährige trans Menschen schützen will, indem sie ihre Gesichter nicht in einem Film zeigen sollen. Deswegen initiiert das Regie-Duo Marc Parramon und David Fernández de Castro dieses Pseudo-Casting, das kein Endergebnis präsentiert, sondern Fragen aufwirft und den Umgang mit trans Menschen in der spanischen Gesellschaft offenlegen möchte.

Dazu nehmen die Filmemacher die Familiengeschichte und das Heranwachsen von Violeta als Ausgangspunkt, um darüber ein viel größeres Gesellschaftsbild zu zeichnen. Nacho und Francesca sind die Eltern von Violeta, die zunächst Ignacio hieß. Schließlich teilte das Kind ihnen mit, sich als Mädchen zu identifizieren. Vater und Mutter waren darüber anfangs unterschiedlich besorgt. Francesca suchte Informationen in YouTube-Videos und sprach mit Pädagog:innen, während Nacho – ein Pornoproduzent, der auch Filme mit trans Menschen produziert – wegen zu wenig Informationen oder Fehlinformationen lange Zeit eher ratlos mit dem Thema der Geschlechtsidentität umgegangen ist. Dafür wirkt er nun in der Gegenwart umso entschlossener, für seine Tochter zu kämpfen und bringt ihr bei, sich selbst zu verteidigen.

Von ähnlichen Sorgen, Ängsten und Traumata erzählt auch Jessica. Ihr Sohn Alan, ein trans Junge, wollte sich aufgrund von transphoben Übergriffen in der Schule und einer daraus resultierenden Depression in eine Klinik einweisen lassen. Diese lehnte ihn kurz vor Weihnachten ab. Alan verschwand daraufhin und starb. Jessica und ihr Mann haben sich aufgrund solcher Ereignisse entschieden, sich für ein größeres öffentliches Bewusstsein in Bezug auf das Leben, die Sorgen und Gefühle von trans Menschen zu engagieren. Mit einer hellblau-hellrosa-weißen Transflagge erscheinen sie auf einer Pride-Parade. Dort treffen sie auf Iván, einen trans Mann, der angefangen hat, sich um die hinterbliebenen Eltern von Alan zu kümmern. Den Namen des Verstorbenen lässt Iván sich gar als Tattoo stechen. Das ist die andere Seite der Diskriminierung; fremde Menschen finden zusammen und beginnen sich gegenseitig zu unterstützen.

Mein Name ist Violeta schafft es, von Schicksalen einzelner Interviewpartner:innen und deren bewundernswerter Solidarität füreinander zu erzählen. Dafür finden Parramon und Fernández de Castro eine sensible Tonlage und einfühlsame Bilder. An manchen Stellen explodieren die Kinder beim Verkleiden vor Freude, an anderen Stellen gehen Iván und Iyere, eine trans Frau, jeweils alleine durch die Straßen. Sie berichten von grundlosen Kündigungen nach nur wenigen Arbeitstagen oder von dem Rauswurf von zu Hause durch die eigene Mutter. Mit Carla, einer Zeitzeugin aus der Franco-Diktatur und der ersten trans Abgeordneten in Madrid, haben Parramon und Fernández de Castro außerdem jemanden gefunden, die sich ihre Identität bewahrt und dafür gekämpft hat. Am Ende, als alle Interviewpartner:innen einen Brief an Violeta schreiben, ist der Rat von Carla: „Sei glücklich!“

Mein Name ist Violeta (2019)

Im Alter von sechs Jahren sagte Ignacio seinen Eltern: „Ich bin ein Mädchen und mein Name ist Violeta“. Und die Eltern begleiteten ihre Tochter auf dem steinigen Weg.  „Mein Name ist Violeta“ beschreibt, wie schwierig der Prozess  gerade für trans Kinder ist.

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